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Geländekollision im Schneetreiben: Schlechte Sicht in Piper PA 18 Super Cub
Flugplanung unter Zeitdruck – das fängt schon mal nicht gut an. Noch größere Gefahr droht, wenn das Wetter nicht mitspielt. Dann sollte es einen Plan B geben
Mit unvorhersehbaren Verzögerungen scheint der Pilot einer Piper PA 18-180 Super Cub am 23. März 2007 im niederösterreichischen Krems Gneixendorf nicht zu rechnen. Sein Plan ist knapp kalkuliert: Er will den Spornrad-Klassiker, der zur jährlichen Nachprüfung nach Gneixendorf gebracht wurde, noch am Abend zurück nach Wiener Neustadt bringen. Die Landung soll unmittelbar vor Sunset sein, für 17.43 Uhr ist ECET (End of Civil Evening Twilight) vorhergesagt. Nur etwas über eine halbe Stunde vorher, um 17.11 Uhr hebt der Hochdecker von der Piste 29 in Krems Gneixendorf ab und nimmt Kurs Ost-Südost.
Das Wetter am Startplatz ist zu dieser Zeit für einen Sichtflug zwar noch ausreichend, auf der Strecke und am Ziel sind jedoch zunehmend schlechter werdende Bedingungen vorhergesagt. Eine mündliche oder persönliche Wetterberatung holt der Pilot nicht ein, wie die Aufzeichnungen von Austro Control belegen. Ob der 44-Jährige vor dem Flug über das Internet oder per Teletext Wetter-informationen abfragt, ist unklar. Nach wenigen Minuten dreht die Piper auf Kurs Süd-Südost. Bei der Ortschaft Traismauer führt die Route weiter Richtung Neulengbach, ab hier folgt der Pilot der Bundesstraße 333 nach Süden zur Westautobahn A1. Die Radarerfassung der Maschine setzt hier für einige Minuten aus, erst bei Steinhäusl wird der Flugweg in einer Höhe von nur 100 Metern über Grund wieder aufgezeichnet. Das Wetter hat sich in der Zwischenzeit dramatisch verschlechtert, sodass der Pilot nur noch im Tiefflug weiterkommt.
Piper PA-18 Super Cub: Start in Krems Gneixendorf
Schneetreiben und tiefe Untergrenzen mit zum Teil aufliegender Bewölkung auf den Höhenzügen des Wiener Walds behindern die Sicht erheblich. Die PA 18 folgt nun der Außenringautobahn A21 südwestlich von Wien über Gschaid in Richtung Abfahrt Hochstrass. Der Taildragger sinkt jetzt noch weiter, teilweise bis auf 30 Meter über Grund. Das Schneetreiben ist nach Zeugenaussagen inzwischen so heftig, dass man selbst am Boden nur 100 bis 200 Meter weit sehen kann. Zudem ist durch den starken Schneefall, die niedrige Wolkenuntergrenze und den schneebedeckten Untergrund der Horizont kaum noch zu erkennen. Darüber hinaus verschlechtert die fortgeschrittene Dämmerung die Sicht. Unter diesen marginalen Bedingungen hangelt sich der Pilot mit eingeschaltetem Landescheinwerfer weiter südwärts. Über der Autobahnabfahrt Hochstrass dreht er dann in einer Linkskurve auf Nordwestkurs.
Kurz darauf, um 17.28 Uhr, kracht die Super Cub in das leicht ansteigende Gelände südlich der Ortschaft Hochstrass. Die Maschine schlittert zwei Meter über den schneebedeckten Hang und überschlägt sich. Der Pilot hat keine Überlebenschance, das Flugzeug brennt vollständig aus. Am Unfallort bietet sich ein Bild der Verwüstung: Das Wrack ist auf dem Rücken zum Liegen gekommen und erinnert an ein menschliches Gerippe. Die gesamte Bespannung wurde durch den Brand zerstört, Flügelrippen und Stahlrohrgerüst sind sichtbar. Der Rumpf ist unmittelbar hinter der Kabine gebrochen. An der Aufschlagstelle finden die Bergungskräfte Teile der Motorhaube und das linke Hauptfahrwerk. Auch das Cockpit ist weitgehend zerstört, aus dem stark beschädigten GPS-Gerät können keine Daten mehr ausgelesen werden.
Zunehmend schlechtere Sicht: PA-18 im Tiefflug
Bei den Untersuchungen am Wrack finden die Experten der österreichischen Unfalluntersuchungsstelle keine Hinweise auf einen technischen Defekt, der den Absturz verursacht haben könnte. In den folgenden Ermittlungen konzentriert man sich daher auf Flugplanung und Wetter zur Zeit des Unfalls. Dabei wird schnell klar, dass der Pilot unter allen Umständen auf direktem Weg über den Wiener Wald zu seinem Ziel kommen wollte. Wegen des äußerst engen Zeitfensters vom Start bis Sunset war eine Ausweichroute durch die Kontrollzone des Flughafens Wien über wesentlich flacheres Gelände offenbar weder geplant noch machbar. Auch Umkehren schied aufgrund der einsetzenden Dämmerung bereits über dem Wiener Wald aus. Einen Alternativplan gab es offensichtlich nicht. War der Pilot über die vorhergesagte Wetterentwicklung auf seiner Route informiert, so hätte er sie berücksichtigen müssen.
Im Abschlussbericht der Unfalluntersuchungsbehörde heißt es dazu: „Die vorhergesagten Wetterbedingungen waren geringfügig besser als die aktuellen.“ Demnach war zumindest mit wetterbedingten Verzögerungen durch eine Änderung der Flugroute zu rechnen. Für eine solche Planänderung aber hatte der Pilot wegen der fortschreitenden Dämmerung schlicht keine Zeit. Unter solchen Umständen war der VFR-Flug nach Wiener Neustadt weder ratsam noch vernünftig. Allerdings wäre die langsame Spornrad-Piper für eine Sicherheitslandung entlang der Flugstrecke auch in schwierigem Gelände vergleichsweise gut geeignet gewesen. Selbst die Absturzstelle hätte dafür ausreichend Platz geboten. In Mitten der Wrackteile fanden die Feuerwehrleute bei Sicherung der Unfallstelle den noch aktivierten Notsender. Um 19.52 Uhr, keine drei Stunden nach dem Start, schalteten sie ihn ab.
Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 11/2010
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