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Gefährlicher Materialtest: Tempolimit der Flight Design CTSW überschritten
Bei einem Rundflug geht der Pilot eines Highperformance-ULs bis ans obere Ende des Fahrtmessers – und sogar noch etwas darüber hinaus. Der extreme Schnellflug bleibt nicht folgenlos
Bei Einführung der Ultraleichtflugzeuge hätte sich kaum jemand vorstellen können, wohin die Entwicklung dieser beliebten Luftfahrzeuge in kurzer Zeit führen würde. So gibt es heute eine gewaltige Bandbreite an verfügbaren Mustern, die wohl jeden Geschmack abdecken. Vom gemächlichen bespannten Doppeldecker in Holzbauweise über komfortable Reisemaschinen bis hin zu sportlichen Tandemsitzern aus Carbon, die an der 300-km/h-Marke kratzen, ist mittlerweile alles dabei. Den Grenzen der Physik unterliegen sie jedoch alle, und auch die Piloten der leistungsfähigsten ULs tun gut daran, sich dessen bewusst zu sein. Einige jedoch überschätzen sich und ihre Maschine.
Nicht immer geht das gerade nochmal gut, wie in diesem Fall. Die CT des schwäbisch-sächsischen Flugzeugbauers Flight Design ist ein Highperformance-Muster, zudem nicht nur in Deutschland ein sehr beliebtes. Der Composite-Zweisitzer hat einige Merkmale, die ihn vor allem für Langstreckenflieger sehr attraktiv machen: große Tanks und damit eine hohe Reichweite, eine bequeme und gut abgedichtete Kabine, zwei ausreichend große Gepäckfächer und nicht zuletzt eine vergleichsweise hohe Reisegeschwindigkeit. Auch bei böigem Wind darf man den freitragenden Hochdecker noch mit 245 km/h bewegen, so steht es im Flug- und Wartungshandbuch des Modells CTSW – zumindest bis zum 18. August 2010.
Rundflug mit Flight Design CTSW – bei bestem Wetter
Am 5. Juni 2010 startet eine CTSW bei besten Sichtflugbedingungen vom Flugplatz Kamen-Heeren zu einem Rundflug. An Bord sind der 46 Jahre alte Pilot und ein Fluggast. Nach dem Start fliegt die CT zunächst mit einer Reisegeschwindigkeit von etwa 170 Stundenkilometern Richtung Norden. Wenig später dreht die Maschine in einer 180-Grad-Kurve Richtung Süden und geht in den Sinkflug über.
Dabei nimmt das UL offenbar deutlich Fahrt auf. Dann ist unvermittelt ein Knall im Cockpit zu hören; der Pilot spürt kurz darauf ein Ruderflattern am Pendel-Höhenruder, die Maschine bäumt sich zweimal hintereinander gefährlich auf. Dann bekommt der Pilot das UL wieder unter Kontrolle und entschließt sich zur Rückkehr nach Kamen-Heeren, da das Flugzeug auf alle Steuerimpulse normal reagiert und die Auslösung des Rettungsystems nicht erforderlich scheint. Der folgende Landeanflug und die Landung verlaufen ohne Zwischenfälle. Am Boden wird das Ausmaß des Schadens und die tödliche Gefahr deutlich, aus der Pilot und Fluggast gerade noch entkommen sind: Der Knall kam vom Bruch des Höhenleitwerks auf der rechten Seite.
Rund 30 Zentimeter neben dem Seitenleitwerk ist es über die gesamte Breite geborsten und hängt nur noch lose und um zirka 45 Grad nach unten geklappt am Wurzelstummel. Dass die Maschine ohne Probleme gelandet ist, scheint angesichts dieser Beschädigung fast wie ein Wunder. Bei näheren Untersuchungen stellen Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) zudem noch weitere Vorschäden fest: Ein 25 Zentimeter langer Lackriss ist an der Oberseite des linken Höhenleitwerks zu sehen. Darüber hinaus wurde ein Schaden an der Vorderkante des Höhenleitwerks vor einiger Zeit repariert.
Rekordgeschwindigkeit: Dann ist unvermittelt ein Knall im Cockpit zu hören
Aus dem im Cockpit eingebauten FLARM-Gerät lassen sich Daten zu Position und Geschwindigkeit der Maschine beim Unfallflug auslesen. Dabei fällt besonders der Flugabschnitt nach der 180-Grad-Umkehrkurve auf, währenddessen auch der Knall am Leitwerk zu hören war. Offenbar hatte der Pilot die höchstzulässige Geschwindigkeit (Vne) seines ULs beim Sinkflug deutlich überschritten: Die Maschine erreichte eine Geschwindigkeit von 313 Stundenkilometern; ihre Vne lag dagegen laut Handbuch bei 260 km/h, definiert durch die obere Betriebsgrenze des Junkers-Rettungssystems. Auf den Straßenverkehr übertragen wäre bei einer derart hohen Überschreitung des Limits der Führerschein erstmal weg.
Doch damit nicht genug: Die ebenfalls festgestellte Überladung der Unfallmaschine von fast 40 Kilogramm verminderte die im Handbuch angegebenen Betriebsgrenzen. Dort ist auch die vom Hersteller getestete Höchstgeschwindigkeit mit 301 km/h angegeben, bei Ruderausschlägen von dann nur noch maximal einem Drittel und einer Beladung unterhalb der erlaubten Höchstabflugmasse von 472,5 Kilogramm – selbst dieses absolute Speedlimit hatte der UL-Unfallpilot überschritten und nicht nur sich, sondern auch seinen Fluggast in Gefahr gebracht.
CT-Hersteller Flight Design stellte nach Instandsetzung der Unfallmaschine bei einem Werkstattflug und anschließenden Standschwingversuchen bei 275 km/h ein Flattern des Trimtabs fest, der bei dieser Baureihe ab 2005 über die gesamte Länge des Höhenruders verläuft. Wurde die Geschwindigkeit wieder reduziert, so verschwand auch das Flattern.
Betriebsgrenzen im Flughandbuch: Der Hersteller reagiert schnell
Auch der Deutsche Aero Club (DAeC) reagierte bereits kurz nach dem Unfall und beschränkte am 18. August 2010 per Lufttüchtigkeitsanweisung die höchstzulässige Geschwindigkeit der CTSW mit durchgehendem Trimtab auf 225 Stundenkilometer. Im Mai 2012 veröffentlichte das Luftsportgerätebüro des DAeC schließlich eine Lufttüchtigkeitsanweisung, die eine Modifikation beziehungsweise Verkürzung des Trimtabs und eine Wägung samt abschließender Abnahme durch einen Prüfer Klasse 5 verlangte.
Nach erfolgter Modifikation entfiel die Geschwindigkeitsbegrenzung; eine bis dahin verpflichtende Warnplakette, die neben dem Fahrtmesser aufgeklebt sein musste, durfte wieder entfernt werden. Bemerkenswerte Fußnote des BFU-Berichts: Der Unfallpilot hatte seinen „Geschwindigkeitsrekord“ im Cockpit per Videokamera aufgezeichnet. Auch dieser Clip stand den Experten bei ihren Ermittlungen zur Verfügung.
Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 7/2015
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