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Fotos mit Folgen: Beinahe-Kollision bei Formationsflug in der Schweiz
Zwei befreundete Piloten starten mit Passagieren an Bord zu einem Fotoflug – und verlieren sich aus dem Blick. Eine ausführliche Unfallakte.

Die fliegermagazin-Redaktion spricht aus Erfahrung: In lockerer Formation zu fliegen und dabei Fotos von den jeweils anderen Flugzeugen zu machen, ist eine höchst anspruchsvolle Aufgabe für alle Beteiligten! Fliegerisch sind diese Manöver alles andere als einfach, sie bergen große Gefahren. Diese Erfahrung mussten zwei Piloten in der Schweiz leidvoll machen – glücklicherweise mit glimpflichem Ausgang.
Die beiden befreundeten Männer planen am Unfalltag einen gemeinsamen Flug von Raron (LSTA) via Furkapass, Andermatt und Zugersee zu ihrem Heimatflugplatz Birrfeld (LSZF). Zum Einsatz kommen dabei eine Piper PA-28R-201T Turbo Arrow sowie ein Entenflügler vom Typ Gyroflug SC01 Speed Canard – oft auch Entenflügler genannt. Während in der Arrow neben dem Piloten zwei Passagiere mit von der Partie sind, befindet sich an Bord der Speed Canard außer dem Luftfahrzeugführer noch ein Begleiter.
Piloten wollen für Fotoaufnahmen in Formation fliegen
Die beiden Piloten wollen zumindest zeitweise in Formation fliegen und dabei gegenseitige Fotoaufnahmen machen. Sie kennen sich schon länger und haben derartige Flüge in der Vergangenheit bereits öfter gemeinsam durchgeführt. Dabei kam es in der Regel zu Annäherungen auf bis zu 30 Meter, inklusive Seitenwechseln. Im Zuge dessen entwickelten sie laut Bericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) »gegenseitiges Vertrauen«.
Vor dem Flug von Raron nach Birrfeld besprechen sich beide Piloten in einem Briefing. Inhalte der Besprechung sind unter anderem die zeitliche Staffelung, die gemeinsame Funkfrequenz und die Festlegung, dass ausschließlich die Passagiere Fotoaufnahmen machen sollen.
Gefährlicher Seitenwechsel
Um kurz nach 16 Uhr starten beide Luftfahrzeuge schließlich mit einem Abstand von fünf Minuten auf dem Flugplatz Raron. Nahe Andermatt spürt der Pilot der Piper die Speed Canard wieder auf, beide Flugzeuge nähern sich in einer Höhe von 10 000 Fuß ein erstes Mal einander an. Weiter geht es Richtung Seetal. Nach einem Sinkflug auf 5000 Fuß überholt die SC01 die Piper auf der linken Seite. Letztere nähert sich von rechts hinten und leicht unterhalb des Entenflüglers bis auf 30 Meter an.
Während die Passagiere nun Fotos machen, haben die Piloten sowohl Funk als auch Sichtkontakt. Nun teilt der Piper-Pilot über Funk mit, dass er weitere Fotos im Licht des Sonnenuntergangs ermöglichen will. Zu diesem Zweck möchte er hinter und oberhalb der Speed Canard auf die linke Seite wechseln.
Er dreht nun leicht nach rechts, um den Abstand zu vergrößern. Danach hebt er die Nase an, woraufhin seine PA-28R langsamer wird und zurückfällt. In diesem Moment verliert er den Sichtkontakt zur SC01, anders als das bei einem Seitenwechsel unterhalb der führenden Maschine der Fall gewesen wäre. Der Pilot fragt schließlich den rechts neben ihm sitzenden Passagier, ob dieser eine Idee hat, wo die andere Maschine verblieben ist – was dieser verneint.
Plötzlich prallt die Speed Canard für alle Beteiligten völlig unerwartet von oben auf die Piper. Der obere, vordere Rumpfteil der Piper samt Propeller kollidiert dabei mit dem unteren, hinteren Rumpf und dem Hauptfahrwerk sowie dem Druckpropeller des Entenflüglers.
Erfolgreiche Notlandungen
In der Piper fällt der Motor aus, der Propeller ist beschädigt, ein Teil der Windschutzscheibe fehlt. Die Steuerung ist von dem Zusammenprall nicht beeinträchtigt. Das Heck der SC01 wurde durch den Zusammenstoß angehoben. Ihr Motor läuft jedoch mit leichten Vibrationen weiter. Beide Piloten entscheiden sich zur Notlandung auf dem nahegelegenen Militärflugplatz Emmen (LSME).
Zunächst glaubt der Piper-Pilot, dass er den Flugplatz im Gleitflug erreichen kann. Nach Ausfahren des Fahrwerks erhöht sich jedoch die Sinkrate und er entscheidet sich für eine Landung auf einem Feld kurz vor dem Flugplatzgelände. Diese gelingt und alle Insassen bleiben unverletzt. Der Pilot der Gyroflug landet trotz abgetrenntem rechten Hauptfahrwerk erfolgreich auf der Piste 04 des Flugplatzes Emmen. Auch hier bleiben beide Insassen unverletzt.
Grundsätze eines sicheren Formationsfluges
Bei der Untersuchung des Vorfalls durch die Ermittler der SUST stehen menschliche und betriebliche Aspekte im Vordergrund. In ihrem summarischen Bericht verweisen die Ermittler auf die Grundsätze eines sicheren Formationsflugs. Dazu gehört, dass Unvorhergesehenes ohne Zeitverzug und klar via Funk kommuniziert werden muss. Bei einem unbeabsichtigten Verlust des Sichtkontakts müssen sofort vorab definierte Maßnahmen ergriffen werden.
Wichtig ist laut SUST, dass diese beim Briefing vorab besprochen werden und die beteiligten Luftfahrzeugführer diese stets »mental bereithalten«. Die Unfalluntersucher gehen davon aus, dass derartige Notfall-Manöver bei der Besprechung in Raron nicht ausreichend thematisiert wurden und sehen darin eine Hauptursache für den Unfall.
Unzureichendes Briefing und mangelhafte Kommunikation
Sie kritisieren auch, dass der Verlust des Sichtkontakts durch den Piper-Piloten nicht sofort per Funk gemeldet wurde. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass das Manöver nach oben zum Wechseln der Seite aufgrund des damit zwangsläufig verbundenen Verlust des Sichtkontakts unzweckmäßig war. Besser wäre ein Wechsel unterhalb der Bewegungsebene des vorausfliegenden Flugzeugs unter Beibehaltung des Sichtkontakts gewesen.
Letztlich konnte die SUST nicht final feststellen, wie die Flugwege der Luftfahrzeuge unmittelbar vor der Kollision verliefen. Wahrscheinlich scheint den Ermittlern, dass der Pilot der Piper bei der konzentrierten Suche nach der Speed Canard unbeabsichtigte Steuereingaben machte und so unter das andere Flugzeug geriet.
Die SUST geht sogar so weit, dass sie eine spezifische Zusatzausbildung in Theorie und Praxis, sowie eine Berechtigung für den Formationsflug fordert. Angesichts der mit dem Flug im Verband einhergehenden Risiken erscheint es sinnvoll, das interessierte Piloten sich freiwillig darin ausbilden lassen – von Fluglehrern, die das Thema tatsächlich beherrschen. Das minimiert die Risiken bei der Jagd nach möglichst spektakulären Aufnahmen für den eigenen Social Media Account.
Martin Schenkemeyer begann im Jahr 2007 mit dem Segelfliegen. Inzwischen ist er ATPL-Inhaber und fliegt beruflich mit Businessjets um die ganze Welt. In seiner Freizeit ist er als Vorstand seines Luftsportvereins tätig und fliegt an seinem Heimatflugplatz Bad Pyrmont Segelflugzeuge, Ultraleichtflugzeuge und Maschinen der E-Klasse. Für das fliegermagazin ist der Fluglehrer seit 2020 als freier Autor tätig und beschäftigt sich hauptsächlich mit Themen rund um die Flugsicherheit.
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