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Flugfunk: Die richtige Erwartungshaltung beim Funken mit Fluglotsen
Wenn alles richtig läuft, bilden Piloten mit Fluglotsen und auch Flugleitern eine Symbiose zu gegenseitigem Nutzen. Falsche Erwartungen auf beiden Seiten können dabei stören.
„Flieg Du mal Deinen Turm – mein Flugzeug fliege ich.“ Wenn dieser Spruch im Funk ertönt, dann ist in der Kommunikation zuvor wohl einiges schiefgelaufen. Inhaltlich gibt die Aussage aber eine Rollenverteilung wieder, der sich Piloten ebenso wie die Menschen, die am Boden vor einem Mikro sitzen, stets bewusst sein müssen. Piloten und Fluglotsen oder -leiter spielen im Idealfall perfekt zum gegenseitigen Nutzen zusammen – immer wieder erlebt man Momente im Funk, die das mit großer Eleganz zeigen.
Die Aufgabenverteilung ist grundsätzlich klar geregelt: Die Bodenfunkstelle ist Dienstleister, die Piloten sind Nutznießer. Diesen Grundsatz sollten beide Seiten so verstehen. Doch das ist bei uns leider oft nicht der Fall. Das gerade wieder diskutierte Fliegen ohne Flugleiter (siehe fliegermagazin #11.2021) setzt ein hohes Maß an Disziplin und Situationsbewusstsein bei den Piloten voraus – und sehr viel mehr Bereitschaft zur Kommunikation unter den Piloten, als von vielen zur Zeit praktiziert wird. Noch entscheidender: Die Kommunikation wird leider oft nicht geschult.
Aufgabenverteilung klar geregelt
Es ist eine Frage falscher Erwartungen, die mit dem sehr unglücklichen Begriff „Flugleiter“ anfangen. Flüge leiten – genau das können, dürfen und sollen jene Menschen nicht, die an unkontrollierten Plätzen am Mikro sitzen. Piloten können viel Unterstützung von der Bodenstation erwarten, wenn es um den Wind oder die Landerichtung geht, ebenso einen freundlichen Hinweis auf lärmsensitive Gebiete in der Umgebung. Aber die Verantwortung für die Verkehrsbeobachtung dürfen sie selbst dann nie abgeben, wenn ein Flugleiter dies durch seine Funksprüche anzubieten scheint. Gleiches gilt für die Flugführung in der Platzrunde – wie der eingangs zitierte Spruch besagt.
In einer Kontrollzone verändern sich die gegenseitigen Erwartungen deutlich. Der Funkverkehr mit ATC ist vorgeschrieben, hier darf und soll der Lotse nicht nur Informationen, sondern auch Anweisungen geben, die der Pilot normalerweise – mehr dazu gleich – befolgen muss. Immenser Unterschied zum unkontrollierten Platz: In einer sehr umfangreichen Ausbildung hat der Lotse gelernt, Flüge zu leiten – und er hat strikt vorgegebene Verfahren dafür. Verstoßen die Piloten gegen Anweisungen, wird ein Lotse in aller Regel in freundlich beratender Form darauf hinweisen.
Nie die Spielregeln missachten!
Ungeduldig bis energisch werden aber alle, wenn es um eine Abwehr von Gefahren geht, weil sich Piloten nicht an die Spielregeln halten. Kürzlich hörte ich mit, wie ein Motorsegler die Freigabe zum Durchqueren einer Kontrollzone mit der freundlichen Bitte erhielt, die Anfluggrundlinie zügig zu passieren. Das hinderte den Piloten aber nicht, mitten auf dieser einen Vollkreis zu drehen. Da war dann doch ein vorwurfsvoller Unterton in der Stimme der ansonsten stets freundlichen Towerlotsin unüberhörbar. Doch man versteht sich bei ATC keineswegs als Verkehrspolizei, sondern als partnerschaftlicher Lenker zur Optimierung des Verkehrsflusses und zur Gefahrenabwehr.
Es gibt überhaupt keinen Grund, eine mögliche Hilfestellung über Funk nicht in Anspruch zu nehmen. Deshalb ist die von manchen Piloten geübte Praktik, einen funktionsfähigen Transponder abzuschalten, um irgendeiner Art von „Entdeckung“ zu entgehen, nicht nur illegal und gefährlich. Sie führen auch dazu, dass sich der Partner am Boden schlicht veralbert fühlt. Selbst vor der FIS-Frequenz schrecken immer noch viele Piloten zurück, obwohl die dort arbeiteten Fluglotsen nun wirklich die denkbar freundlichsten und hilfsbereitesten sind. Sie sind den Umgang mit weniger perfekten Funksprüchen gewohnt. Immer wieder weisen sie Piloten auch sehr frühzeitig und freundlich auf einen Steuerkurs hin, der in ein Beschränkungsgebiet führt.
Fluglotsen übernehmen nicht die Flugvorbereitung!
Doch man hört regelmäßig verwunderliches auf den FIS-Frequenzen. Manche Piloten fragen so intensiv nach Wetter, Navigationshinweisen oder Lufträumen, dass es nach einer Flugvorbereitung in der Luft klingt – wieder eine falsche Erwartung an das, was FIS leisten kann und soll. Auch gibt es öfter VFR-Piloten, die sich auf der FIS-Frequenz ungerührt zum Beispiel in Flugfläche 70 melden, obwohl es sich dabei um einen IFR-Level handelt – oder auch in 6800 Fuß ungeachtet der Tatsache, dass in Deutschland oberhalb 5000 Fuß MSL oder 2000 Fuß AGL (falls höher), mit dem Standardluftdruck 1013 hPa und in Flugflächen gemäß der Halbkreisregel geflogen werden muss. Hier gelten ebenso Spielregeln, an die sich Piloten halten müssen, wenn sie sich ein konstruktives Miteinander wünschen.
Auch dabei geht es um die richtigen Erwartungen: So geben Lotsen auch VFR-Flügen Kurse vor, um zum Beispiel Gewitter, Lufträume oder Verkehr zu vermeiden – allerdings meist sehr vorsichtig als Empfehlung formuliert. Zumindest in den Lufträumen Charlie oder Delta folgt stets der Zusatz „maintain VMC“. Sollte das nicht möglich sein, so muss zwingend aus dem Cockpit das von Captain Sullenberger beim Anflug auf den Hudson River so eindrucksvoll geknurrte „unable“ kommen. Denn Pilot in Command sind und bleiben wir Piloten, das kann uns kein Fluglotse abnehmen.
Ein Geben und Nehmen
Ein VFR-Fliegerkollege berichtete mal am Flugplatz, dass ihn der Lotse „in eine Wolke geschickt“ habe – ein krasses Beispiel von falschen Erwartungen. Fliegt man nach IFR, sind die Lotsen oft bereit, Abkürzungen anzubieten – die begehrten „Directs“. Man kann auch mal nachfragen – zum Beispiel pfiffig wie ein früherer Kollege: „Radar, if it helps you, we could proceed direct to …“ Allerdings: Nie sollte man versuchen, bei Ablehnung seinen Willen in einer Diskussion durchsetzen zu wollen. Der Lotse wird gute Gründe haben. Und Streitgespräche haben auf einer Flugfunkfrequenz ohnehin nichts zu suchen.
Die Zusammenarbeit zwischen Piloten und Bodenstationen ist ein Geben und Nehmen, das von gegenseitigem Verständnis und Respekt geprägt sein sollte. So haben wir auch schon mal auf dem Turm angerufen und uns bei einem Lotsen bedankt, dessen beruhigende Ausstrahlung und Fürsorglichkeit einem anderen Piloten in einer Notsituation sehr geholfen hatte. Unser Feedback gehörte sicher nicht zu den Erwartungen des Lotsen – aber es hat ihn sehr gefreut.
Text: Helmuth Lage
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