Unfallakte

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Fahrwerksprobleme bei der Außenlandung: Der Tiefdecker Alpi Pioneer 400

Nach einem harten Schlag beim Aufsetzen startet ein Tiefdecker mit Einziehfahrwerk durch. Doch zu einem zweiten Touchdown auf der Graspiste kommt es nicht mehr – der Flug endet auf einer Waldwiese

Von Redaktion
Foto: BFU

Für viele Luftfahrtbegeisterte gehört ein Einziehfahrwerk bei modernen Flugzeugen einfach dazu. Oft werden technische Vorteile ins Feld geführt, wie weniger Widerstand und dadurch eine höhere Geschwindigkeit und Effizienz gegenüber einer Maschine mit Festfahrwerk. 
Doch nicht bei jedem Muster gilt das uneingeschränkt: Verwirbelung an nur mäßig verkleideten Radschächten oder auch höheres Gewicht der ganzen Maschine durch die aufwändigere Mechanik können den vermeintlichen Vorteil wettmachen; ein sauber verkleidetes Festfahrwerk ist unter Umständen die bessere Lösung.

Keine Erklärung: Statt in Bad Endorf eine Landung zu versuchen, steuert der Pilot die Maschine zu einer umwaldeten Wiese (Foto: BFU)

Und ganz ohne Tücken ist die Technik ebenfalls nicht: Da gibt es zunächst den Klassiker, dass Piloten zur Landung vergessen, das Fahrwerk auszufahren. Und wenn das Gestell vor der Landung nicht einrastet, die Kontroll-Lämpchen nicht grünes Licht zeigen für „gear down“ oder die Räder gar im Fahrwerksschacht steckenbleiben – dann wird es in jedem Fall teuer. Bleibt noch die Frage nach Optik und Stil, doch hier gibt es selten etwas zu mäkeln: Flugzeuge mit eingezogenen „Beinchen“ wirken für viele Piloten im Flug einfach erwachsener und eleganter. Zu diesen Mustern zählt beispielsweise die Pioneer 400 des italienischen Flugzeugbauers Alpi Aviation. Sie gilt mit ihrem elektrischen Einziehfahrwerk und dem Rotax-912-Triebwerk zudem als sparsam, zuverlässig und sportlich.

Alpi Pioneer 400: Spritztour durch die Berge

Am frühen Nachmittag des 6. Juli 2014 startet ein Pilot mit einer solchen Maschine vom österreichischen Flugplatz St. Johann. Der 52-Jährige ist mit insgesamt 237 Stunden in seinem Flugbuch mäßig erfahren, mit der Pioneer hat er bislang 20 Stunden und 25 Landungen absolviert. Er will über die nahe Grenze ins bayerische Bad Endorf am Chiemsee. An Bord sind zwei Fluggäste, darunter ein fünfjähriges Kind.

Der Flug dauert nur knapp 20 Minuten, dann dreht der Tiefdecker schon in die Platzrunde von Bad Endorf ein und setzt zur Landung an. Doch als die Maschine auf der 830 Meter langen Graspiste aufsetzt, schüttelt ein harter Schlag die Kabine durch. Der Pilot startet durch. Um Klarheit über den Zustand des Fahrwerks zu bekommen, dreht er zwei Platzrunden und bittet den Flugleiter um Hilfe. Dieser beobachtet die Maschine und gibt dann per Funk durch, dass das linke Hauptfahrwerk nicht korrekt ausgefahren sei. Daraufhin entfernt sich die Pioneer vom Platz und dreht nahe der Ortschaft Halfing, nördlich der Piste, zwei steile Kurven in niedriger Höhe. Anschließend steuert der Pilot aber nicht noch einmal Bad Endorf an; stattdessen hält er auf eine breite Grünfläche gut 2000 Meter westlich des Platzes zu, für eine Außenlandung. Der Untergrund dort ist feucht, ein Fichtenhochwald umgibt das Gelände.

Bei der Außenlandung knickt das Fahrwerk ein – der Pilot wird schwer verletzt

Als die Maschine den Boden berührt, schlittert sie etwa 75 Meter über die Wiese und wird schwer beschädigt, das rechte Hauptfahrwerks- und das Bugradbein knicken nach hinten weg. Glücklicherweise überschlägt sich der Tiefdecker nicht. Der Pilot trägt schwere Verletzungen davon, die beiden Fluggäste bleiben unverletzt.


2+2-Sitzer: Die italienische Pioneer 400 hat UL-Wurzeln, ist aber ein Experimental (Foto: Andreas Haller)

Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) beginnt mit der Arbeit. Noch am Wrack wird versucht, das zu zwei Dritteln im Radkasten steckende linke Fahrwerksbein auszufahren, doch es gelingt nicht. Beim späteren Ausbau der vorderen Sitze durch die BFU zeigt sich, dass eine Spindelwelle gestaucht ist, die zum Einziehmechanismus gehört. Sie blockiert den zunächst anlaufenden Elektromotor, wobei dessen Sicherung herausspringt – diese fanden die Ermittler nach dem Crash tatsächlich in der Aus-Stellung vor. Es gibt zwar die Möglichkeit, per Kurbel die Räder manuell aus- und einzufahren, doch ob das mit der beschädigten Spindelwelle auch geklappt hätte, bleibt offen. Möglich, dass die Welle bei der ersten harten Landung in Bad Endorf beschädigt wurde. Probleme mit dem Triebwerk oder dem Treibstoffsystem können die Ermittler bald ausschließen.

Einziehfahrwerk des Tiefdeckers: Außenlandung mit Bruch

Im weiteren Verlauf der Untersuchung macht der Pilot keine weiteren Angaben mehr zum Unfallhergang und schweigt. So bleiben seine Motive im Unklaren, weshalb er lieber eine ihm unbekannte Grasfläche ansteuerte, anstatt zum Flugplatz zurückzukehren, wo er selbst bei einer möglichen Bruchlandung sicherlich rascher mit Hilfe hätte rechnen können. Auch wäre es durchaus eine Option gewesen, in sicherer Höhe und nach dem ersten Schreck zu versuchen, doch noch per Notverfahren das Fahrwerk auszufahren und zu arretieren. Das Kind scheint den Unfall immerhin gut überstanden zu haben: Nach der Bruchlandung hatte es, wie am Vormittag in St. Johann gelernt, den Staurohrschutz wieder ordentlich über das Pitotrohr am Wrack der Pionier gezogen.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 6/2017

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