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Einziehfahrwerk: Das müssen Sie wissen

Wie funktionieren die unterschiedlichen Systeme? Was muss ich bei der Landung mit Einziehfahrwerk beachten? Das fliegermagazin beantwortet die wichtigsten Fragen!

Von Redaktion
Spindeldürr
Spindeldürr: Das Einziehfahrwerk an Cessna-Hochdeckern wie der 210 sieht gewöhnungsbedürftig aus, ist aber robust. Der Zustand lässt sich per Blick aus dem Fenster prüfen. Bild: Foto: Thomas Borchert Foto: Thomas Borchert

Es hat schon etwas, nach dem Abheben einen kleinen Hebel am Panel nach oben umlegen zu können und ein Rumpeln unter dem Sitz zu verspüren, wenn das Fahrwerk geräuschvoll einfährt. Das definiert eindrucksvoll den Wechsel vom Boden in die Luft. Jetzt ist man „völlig losgelöst von der Erde“. Die drei grünen Lampen sind erloschen, der Flug hat begonnen. Irgendwie verleiht einem ein Flugzeug mit einem Einziehfahrwerk das Gefühl, in einer gehobenen Klasse angekommen zu sein – ganz egal, dass man die mit glatter Unterseite viel elegantere Maschine im Flug nie von außen sieht; ganz egal, dass Lancair und Cirrus bewiesen haben, wie man auch mit Festfahrwerk effizient und schnell reisen kann.

Vor dem ersten Umstieg auf ein Retractable Undercarriage steht die Unterschiedsschulung mit Fluglehrer. Der zugehörige Eintrag mit dem Kürzel RU im Flugbuch gilt musterübergreifend und lebenslang. Undercarriage ist im übrigen ein sehr britischer Ausdruck, der damit auch seinen Weg in die EU-Bürokratie gefunden hat. Üblich ist der amerikanische Begriff Retractable Landing Gear, kurz RG.

Einziehfahrwerk: Eine Unterschiedsschulung gilt musterübergreifend

Bei jeder Umschulung steht die je nach Muster sehr unterschiedliche Funktionsweise von Arrow, Bonanza, Trinidad oder Cutlass im Mittelpunkt – damit der Pilot bei Fehlfunktionen richtig reagiert. So gibt es gute technische Gründe, warum die langen Storchenbeine von Cessna 172RG, 177RG oder 210 zunächst etwas unkoordiniert im Wind baumeln, bevor sie dann entschlossen in den Rumpfaussparungen verschwinden. Bei TB20 und PA-28 funktioniert das zwar ähnlich, das asynchrone Einfahren fällt aber unter der Tragfläche kaum auf.

Bei allen genannten Flugzeugen arbeitet das Fahrwerk hydraulisch. Eine elektrische Pumpe setzt Öl im System unter Druck. Der sucht sich den Weg des geringsten Widerstands und bewegt zuerst das Fahrwerksbein, das sich am wenigsten dagegen sträubt – sei es aus Gründen unterschiedlicher Leichtgängigkeit, aerodynamischer Einflüsse oder auch nur der momentanen Fluglage.

Hydraulische oder elektromechanische Systeme

Bei kleinen Flugzeugen bleibt der Druck während des Flugs aufgebaut und hält so die Räder oben. Sollte die elektrische Hydraulikpumpe in kürzer werdenden Abständen anspringen, dürfte ein Leck im System vorliegen, das möglichst umgehend beseitigt werden sollte.

Die Alternative zur Hydraulik sind elektromechanische Systeme, etwa bei der Beechcraft Bonanza: Dort bewegt ein Elektromotor ein Gestänge, das mit den Fahrwerksbeinen verbunden ist. Wenn die Systeme einwandfrei funktionieren, ist der Betrieb nicht allzu kompliziert. Am Boden sollten Mikro schalter ein versehentliches Einfahren verhindern – dennoch verbietet sich Spielerei mit dem Fahrwerkshebel, dessen Griff meist die runde Form eines Rads hat.

Nicht zu früh einfahren!

Nach dem Abheben muss der Hebel nach oben, um die Räder einzufahren. Dabei sollte man es nicht zu eilig haben: Sackt das Flugzeug wieder auf die Bahn zurück, kann das mit halb eingefahrenem Fahrwerk teuer werden. Mehr noch: Öffnen sich Abdeckklappen an Schächten in den Fahrtwind, erhöht das womöglich den Widerstand – und senkt so die Steigrate im Anfangssteigflug.

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Je nach Muster darf man aber auch nicht so lange warten, bis die Speed zu hoch wird. Oft gelten zwei Geschwindigkeitsgrenzen für das Fahrwerk: die maximale Speed mit ausgefahrenem Fahrwerk (Vle für landing gear extended) und die maximale Speed beim Einund Ausfahrvorgang (Vlo für landing gear operating). Letztere ist meist niedriger als die Vle – in den Fahrtwind sich öffnende Abdeckklappen sind empfindlich und können abreißen.

Auf die Leuchten achten: Je nach Muster gibt es eine oder mehrere Lampen

Mit Leuchten und auch mechanischen Anzeigen wird der Zustand des Fahrwerks im Cockpit angezeigt. Schon nach dem Aktivieren der Elektrik am Boden sollten drei grüne Lampen signalisieren, dass alle drei Fahrwerksbeine ausgefahren und verriegelt sind. Bei Cessna und manchen anderen Mustern gibt es nur eine Leuchte, was bei einer Fehlersuche weniger Informationen bietet. Während des Ein- oder Ausfahrens leuchtet dann meist eine gelbe oder orangefarbene Lampe; sind die Räder ordnungsgemäß verstaut, verlöschen alle Anzeigen.

Drei LampenDrei Lampen
Jedem Rad eine Lampe: In der Piper Arrow wird der Zustand der Fahrwerksbeine individuell angezeigt.

Fürs Bugrad gibt es zum Beispiel bei manchen Bonanzas zusätzlich mechanische Anzeigen im Fußraum, ebenso fürs Hauptfahrwerk auf der Tragflächenoberseite bei manchen Tiefdeckern. Piloten von Hochdeckern haben es leichter: Sie schauen einfach aus dem Fenster; zur Kontrolle des Bugfahrwerks ist oft an einer Tragfläche ein Spiegel angebracht.

Nur nicht vergessen!

Piloten von Flugzeugen mit Einziehfahrwerk haben vor der Landung nur eine große Sorge: Sie dürfen keinesfalls vergessen, die Räder auszufahren. Je nach System warnt ein Ton bei Unterschreiten einer bestimmten Geschwindigkeit oder Motorleistung, wenn das Fahrwerk nicht draußen ist. Gerade bei Flugzeugen mit guter Aerodynamik bietet sich das Fahrwerk als wirksame Luftbremse an: Vor Erreichen der Platzrunde kann man kurz die Nase hochnehmen, um unter Vlo zu verlangsamen, dann das Fahrwerk ausfahren und wieder in den Sinkflug gehen. Spätestens im Gegenanflug sollten die Räder verriegelt sein.

FahrwerkshebelFahrwerkshebel
Nicht vergessen! Die radähnliche Form des Fahrwerkshebels soll auf seine Funktion verweisen. In der Cess- na 210 zeigt eine grüne Lampe an, dass alle drei Räder ordnungsgemäß ausgefahren sind.

Und was, wenn nicht? Bleiben die Lampen allesamt dunkel, liegt’s vielleicht an der Instrumentenbeleuchtung. Eine durchgebrannte Birne verrät sich, wenn sich auch beim Drücken des Testknopfs für die Anzeigen nichts tut. Ein Austausch mit einer der anderen Lämpchen kann Gewissheit bringen.

Wenn’s klemmt: Checkliste befolgen!

Unangenehmer wird’s, wenn die grünen Lampen dunkel bleiben, die gelbe aber weiter leuchtet. Dann klemmt eines der Fahrwerksbeine womöglich in einem Zwischenstadium. Die Checkliste im Handbuch ist nun unbedingt zu befolgen; wiederholte Einund Ausfahrversuche können das Problem verschlimmern.

Gibt es tatsächlich Schwierigkeiten mit dem Fahrwerk, ist eine Überlegung zentral: Seit dem Zweiten Weltkrieg ist uns kein Fall einer Bauchlandung bekannt, bei der Menschen ums Leben kamen. Wohl aber passierten etliche tödliche Unfälle beim Versuch, das Fahrwerk im Tiefflug von Personen am Boden oder gar im Formationsflug von anderen Flugzeugen inspizieren zu lassen. Ebenso gibt es viele Beispiele für Piloten, die sich von Fahrwerksproblemen so haben ablenken lassen, dass sie ihr Flugzeug zum Absturz brachten.

Auf die Landung ohne Fahrwerk konzentrieren

Gefährlich sind auch Spielereien mit Motor und Anlasser, um kurz vor der Bauchlandung noch den Propeller waagerecht zu stellen – was erheblich von der ohnehin schwierigen Landung ablenkt. Unser Rat: Konzentrieren Sie sich auf die Landung mit (teilweise) eingefahrenem Fahrwerk – es dürfte Ihre erste sein, Sie sind also „ungeübt“. Überlassen Sie etwaige Folgeschäden der Versicherung! Ihre Passagiere und Sie sollen unbeschadet davonkommen – alles andere ist egal.

HydraulikpumpeHydraulikpumpe
Notfall I: Versagt die Hydraulikpumpe des C210-Fahrwerks, zieht der Pilot den Hebel aus und pumpt von Hand Druck aufs System.

Doch vielleicht gibt es ja noch Hoffnung: In aller Ruhe sollte also die Checkliste für ein Fahrwerksversagen abgearbeitet werden. Dazu zählt das Überprüfen der zuständigen Sicherung. Im Handbuch ist beschrieben, wie man das Fahrwerk im Notverfahren aus den Schächten bringt – das jeder Pilot für sein Flugzeug wissen muss.

Notverfahren: Viele Fahrwerke können im Notfall mittels Hebel ausgefahren werden

Bei den elektro-hydraulischen Antrieben wird in der Regel mit einem Hebel der Druck im System abgelassen. Die Räder fallen dann durch die Schwerkraft heraus. Sie verriegeln eventuell erst nach ein wenig „Wackeln“ mit dem Flugzeug oder leicht erhöhter g-Belastung (kein Kunstflug!). Manche Muster haben eine Handpumpe zum Druckaufbau. Bei der Beech Bonanza dagegen sind 50 Umdrehungen mit einer winzigen Handkurbel hinter dem Pilotensitz fällig. Wohl dem, der für diese sportliche Leistung einen Passagier dabei hat – oder zumindest einem Autopiloten das Fliegen überlassen kann, während er die Kurbel dreht.

KurbelKurbel
Notfall II: Geht der Elektromotor des Fahrwerks in der Bonanza kaputt, muss der Pilot die kleine Kurbel hinter seinem Sitz 50-mal drehen.

Wenn das Notverfahren klappt, sollten die grünen Lampen aufleuchten. Einer normalen Landung steht dann nichts im Weg; danach ist aber erstmal ein Besuch in der Werft fällig.

Am Ende wird alles gut

Oft bleibt jedoch der Zustand des Fahrwerks unklar. Vielleicht ist eines der Beine nicht ganz ausgefahren oder nicht verriegelt, sodass es beim Aufsetzen einknickt. Was also tun, wenn die grünen Lampen trotz aller Maßnahmen, die die Checkliste hergibt, nicht alle leuchten wollen? Suchen Sie sich eine befestigte Piste; auf Gras ist nicht vorhersehbar, ob sich der Rumpf eingräbt und abrupt zum Stehen kommt, was zu Verletzungen führen kann. „Weich“ ist Erdboden im Vergleich zu Beton bei den Aufsetzgeschwindigkeiten Ihres Flugzeugs ohnehin nicht. Wenn der Sprit reicht und wetterseitig nichts dagegenspricht, wählen Sie einen Platz mit Feuerwehr, die Sie im Notfall schnell aus dem Wrack holt. Dafür kommen durchaus auch Militärplätze in Frage.

Doch meistens wird ohnehin alles gut gehen: Am Ende des Flugs folgt der Betätigung des Hebels wieder ein sattes Rumpeln und ein Klacken, wenn alles ordnungsgemäß einrastet.

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