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Doppeldecker mit Kontrollverlust: Startlauf einer De Havilland DH.82 Tiger Moth endet in Crash
Auf einem Flugtag ist eine Oldtimer-Formation als ein Höhepunkt der Show angekündigt. Doch beim Startlauf bricht einer der Doppeldecker aus – mit katastrophalen Folgen
Showpiloten werden oft beneidet. Sie fliegen nicht nur die schönsten und exotischsten Maschinen, sondern dürfen ihre Prachtstücke auch noch vor begeistertem Publikum vorführen – gerne mit Lammfelljacke, Lederhaube und Fliegerschal bekleidet. Außerdem gelten Showflieger als besonders erfahren und gut vorbereitet, und die Flugvorführungen sind ja (vermutlich) bis ins Detail geplant. Für viele Zuschauer gilt: Wenn jemand fliegen kann, dann doch wohl so ein Showpilot!
Vermutlich ist das in der Regel tatsächlich so. Am 5. September 2010 aber läuft beim Flugtag in Lauf-Lillinghof ganz und gar nicht alles nach Plan. Als ein Highlight des Programms wird die Formation einer Bücker Jungmann mit zwei DH 82A Tiger Moth angekündigt. Hinter dem Absperrgitter, das Flightline und Startbahn sichern soll, bestaunen hunderte Zuschauer die Flugvorführungen. Einige VIP-Gäste und Piloten halten sich jedoch auch in der Flugbetriebszone auf. Am Rand der Piste lässt der Pilot einer eben gelandeten Sukhoi Su-29 sein Triebwerk auslaufen. Zur selben Zeit, um 14.49 Uhr, rollen die drei Oldtimer-Doppeldecker zum Startpunkt. Auf der asphaltierten Bahn geht die Bücker in der Mitte auf Position, auf den Grasstreifen rechts und links die beiden de Havilland. Dann beginnen alle drei Maschinen auf gleicher Höhe mit dem Startlauf. Bereits beim Anrollen neigt sich die rechts startende Tiger Moth Richtung Flightline nach rechts und berührt dabei mit dem unteren Flügelende fast den Boden.
Tiger Moth: Der Oldtimer-Doppeldecker berührt schon beim Start mit dem Flügel den Boden
Während die Bücker Jungmann und die zweite, links startende Tiger Moth nach wenigen Augenblicken das Heck vom Boden nehmen und in Zweipunktlage abheben, bleibt die andere Tiger Moth mit dem Sporn auf der Piste. Selbst beim Abheben der Haupträder schleift ihr Heck noch immer über den Grasstreifen. In diesem Moment beginnt die Maschine erneut, sich nach rechts zu neigen. Als der Pilot den Sporn von der Piste nimmt, kippt der Doppeldecker hart nach rechts ab, die untere Tragfläche berührt dabei den Boden. Dann kracht das Flugzeug durch den Absperrzaun in die Zuschauermenge hinein. Eine Zuschauerin, die sich in diesem Moment vor dem Zaun auf der Flightline aufhält, wird von der Maschine erfasst. Sie überlebt die Kollision nicht. Fünf weitere Personen werden bei dem Crash schwer, 33 leicht verletzt.
Die Bundestelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) nimmt noch am selben Tag die Ermittlungen auf. Dabei gibt der 68-jährige Pilot zu Protokoll, er habe den Anrollvorgang verzögert, um etwas mehr Abstand innerhalb der Formation zu bekommen. Dann habe er zügig Vollgas gegeben. Der folgende Rechtsdrall nach dem Abheben sei durch Gegenquer- und Seitenruder nicht auszugleichen gewesen. Dann habe er das Gas weggenommen.
Doppeldecker Tiger Moth: Außer Kontrolle geraten
Die mangelhafte Wirkung der Querruder, so die Unfallermittler, ist in dieser Fluglage nicht untypisch für die DH 82A. Wie bei vielen Doppeldeckern insbesonders älterer Bauart, die nur an der unteren Tragfläche Querruder haben, lässt deren Wirkung bei einem großen Anstellwinkel, also wenig Fahrt, stark nach, und sie sind dann nur noch sehr eingeschränkt wirksam. Der Rechtsdrall tritt bei der Tiger Moth durch das Gegendrehmoment und den Slipstream des linksdrehenden Gipsy-Major-Triebwerks auf. Gefährlich wird er dann, wenn man diesen Effekt nicht ausgleichen kann.
Der Unfallpilot von Lillinghof brachte seine Maschine offenbar in eine solche Fluglage, als er den Doppeldecker aus der Dreipunktlage steil von der Piste zog. Der Propellerstrahl der auf der Flightline parkenden Sukhoi hatte indes keinen wesentlichen Einfluss auf den Rechtsdrall der Tiger Moth. Das zeigten zumindest mehrere Testläufe der BFU unter vergleichbaren Bedingungen. Zudem ergab die Analyse von Video-Aufnahmen, die ein Zuschauer von dem Unfall machte, dass der Oldtimer bereits nach rechts ausgebrochen war, bevor er die Sukhoi passierte.
Formationsflug der Oldtimer: Nicht gut genug geplant?
Mangelhafte Verfahren finden die Ermittler aber auch bei der Vorbereitung des Formationsflugs: Zwar haben die Beteiligten nach Angaben des Unfallpiloten den Ablauf der Vorführung vor dem Start durchgesprochen, jedoch unzureichend, so die BFU-Experten. Dafür spreche die Reaktion des Piloten auf die Probleme beim Startlauf. Wäre er darauf angemessen und sorgfältig vorbereitet gewesen, so die Argumentation, dann hätte er den Start sofort abbrechen müssen. Möglicherweise sei zudem ein gewisser Erfolgsdruck durch die Zuschauer entstanden. Der Startabbruch wäre demnach nur „die letzte Option“ gewesen. Ein Briefing aller am Flugbetrieb beteiligten Personen, wie in der Luftverkehrsordnung, Paragraf 12 geregelt, fand dagegen überhaupt nicht statt.
Zu wenig Sorgfalt lasten die Unfallermittler auch dem Veranstalter an; die Vorwürfe wiegen schwer: Für die Genehmigung der Veranstaltung bestand unter anderem die Auflage, zwischen Startbahn und Zuschauerabsperrung mindestens 50 Meter Abstand zu halten. Tatsächlich betrug der Abstand zur Asphaltpiste zwar mehr als 54 Meter. Die rechte Graspiste allerdings, von der aus die Unfallmaschine gestartet war, bot dem Piloten seitlich keine 40 Meter Platz, um das Flugzeug abzubremsen. Die im Antrag zur Genehmigung der Veranstaltung angegebenen 56 Meter Distanz wären für einen Startabbruch dagegen wohl ausreichend gewesen. Der Formationsflug selbst war in diesem Antrag überhaupt nicht zu finden. Den Programmpunkt „Oldtimerkorso“ hatten die Veranstalter erst am Unfalltag auf die Ablaufliste gesetzt.
Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 4/2014
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