Beruf Fluglehrer: Ein Flight Instructor gibt Einblicke
Gleich von Beginn an hat jeder Pilot mit ihnen zu tun: Fluglehrer. Unser Autor ist einer – und macht sich ein paar sehr persönliche Gedanken zu einer wichtigen Berufsgruppe.
Es gibt sehr unterschiedliche Arten der Spezies Fluglehrer, etwa Vereinsfluglehrer, Lehrer in einer kommerziellen ATO, Ausbilder, die IFR sowie Klassen- und Musterberechtigungen auf anspruchsvollen Geräten im Simulator und im Flugzeug schulen oder Instruktoren bei Airlines. Die für die PPL-Grundausbildung sind entweder arme Schweine, weil sie für ein Butterbrot – PPL Lehrer sind notorisch unterbezahlt, sie verdienen teils weniger als eine Supermarkt-Kassiererin – oft eher betagten Damen und Herren so etwas Komplexes wie das Fliegen beibringen müssen und dabei schon mal locker 30 Platzrunden am Tag dreschen. Oder es sind die wirklichen Enthusiasten, erfüllt von ihrer Leidenschaft, anderen die Freude an einer der schönsten Freizeitbeschäftigungen zu vermitteln, die es gibt.
Doch eins haben alle Kategorien von Fluglehrern gemein: Sie können einem die Ausbildung zur reinen Freude machen und erreichen, dass ihre Schüler ausgezeichnete Piloten werden, was den Himmel ein Stück sicherer macht. Aber wie geht das? Dafür möchte ich hier nicht auf die pädagogische Werkzeugkiste der Fluglehrerausbildung zurückgreifen, von der frischgebackene Lehrer vielleicht bereits nach den ersten 100 Platzrunden das meiste vergessen haben. Ich möchte stattdessen einige persönliche Erkenntnisse aus fast 40 Jahren begeisterter Tätigkeit als Flight Instructor teilen.
Beruf Fluglehrer: Emotionale und berufliche Beziehungen aufbauen
Wenn man mit einem Schüler viele spannende Stunden Seite an Seite im engen Cockpit verbringt, geht das nicht, ohne eine Beziehung aufzubauen. Zwar eine professionelle, aber dennoch durch eine Menge an Emotionen geprägt. Zwei Individuen treffen aufeinander und man kann von Glück sprechen, wenn die Chemie stimmt. Ist das der Fall, hat man ein gutes Fundament für ein erfolgreiches Training gelegt. Denn dafür ist das „Wir-Gefühl“ ganz wichtig. Wenn der Lehrer es wirklich schafft, die Ausbildung als eine gemeinsame Herausforderung empfinden zu lassen, hat er bereits viel erreicht.
Dazu gehört auch persönliches Interesse am Schüler; etwa, indem man ihn nach seinem privaten Background befragt. Und natürlich: „Was motiviert Dich eigentlich, Fliegen zu lernen?“ Und da auch ein Fluglehrer in der täglichen Praxis mal Fehler macht, ist es sinnvoll, das direkt zuzugeben, was die persönliche Authentizität erhöht und die Teambildung verstärken kann.
Zwei Extreme: Lehrerwechsel oft kontraproduktiv
Interessant ist, dass es zwei Extreme von Schülern gibt: Der eine legt sich relativ schnell auf einen Ausbilder fest und will dann das gesamte Training nur mit diesem durchziehen. Dem anderen ist völlig egal, wer von der Flugschule rechts neben ihn gesetzt wurde, er äußert keinerlei persönliche Präferenzen. Das und der damit verbundene häufige Lehrerwechsel ist aber absolut kontraproduktiv für die wichtige Teambildung. Obwohl ein Lehrerwechsel in vernünftigem Maß auch mal von Vorteil ist, um andere Perspektiven kennenzulernen.
Bei der Vermittlung von Inhalten und Fähigkeiten ist nicht derjenige Instruktor der Beste, der am meisten weiß oder kann, sondern der, der sie am besten rüberbringen kann. Hier läuft in der Praxis eine Menge schief: Komplexe Inhalte werden nicht in der Sprache des Schülers einfach auf den Punkt gebracht. Viele Lehrer ergehen sich in selbstdarstellerischen Monologen, anstatt den Schüler per Dialog einzubeziehen und zur Hauptperson zu machen. Es wird vorgeflogen, nach dem Motto „Guck mal, was ich alles kann!“, nicht nach der Devise „Ich zeig Dir mal, wie Du das schaffen kannst“.
Skizzen helfen bei der Veranschaulichung
Es hilft immer, mal eine anschauliche Skizze zu machen. In der heutigen Zeit können wir das Training sehr stark mit Tablet-Apps unterstützen, wo man etwa den geplanten Flug vorher dreidimensional ablaufen lassen und danach Abweichungen klar demonstrieren kann.
Zentral wichtig für den Lernprozess ist auch, dem Schüler Konzepte zu vermitteln. Damit meine ich, für möglichst alle Aufgaben klar strukturierte Prozesse mit auf den Weg zu geben. Zum Beispiel, dass man erst ein COM/NAV-Setup durchführt, und danach ein entsprechendes Briefing erfolgt. Oder dass man den Check der Fluginstrumente beim Rollen am Boden nach einem bestimmten, standardisierten „Flow“ macht. So bilden wir Strukturen im Kopf des Schülers, die vielleicht ein Fliegerleben halten.
Motivation motiviert am besten: Pädagogik in der Lehrer-Ausbildung
Das Thema Pädagogik in der Lehrer-Ausbildung ist an vielen Fluglehrern vorbeigezogen wie ein Schiff in der Nacht. Und ich behaupte mal, dass den meisten Ausbildern nicht bewusst ist, welch goldenen Schlüssel sie mit dem Thema Motivation in der Hand halten. Wenn wir uns an die Schulzeit erinnern, wissen wir alle, dass uns ein Fach, für das wir nicht motiviert waren, zum Greul wurde. Während wir ein anderes Fach inständig liebten. Nicht selten war dafür die Fähigkeit eines Lehrers ausschlaggebend, für ein Thema zu motivieren – oder eben nicht.
Ich möchte es mal vereinfachend auf den Punkt bringen: Als angehender junger Fluglehrer setzte ich mich neben meinen Schüler und wartete, bis er etwas falsch machte. Das teilte ich ihm dann mit – Eindringlichkeit und Lautstärke meiner Bemerkung abhängig von der Schwere des Delikts. Heute mache ich das ganz anders. Ich warte darauf, dass er etwas gut macht und lobe ihn dafür. Ich suche also in erster Linie nach dem Guten, Positiven. Und das gilt für jeden Flug, sei er auch noch so diskutabel, was die Leistung des Schülers anbelangt.
Das positive sehen
Hier gelten für mich zwei Gesetze: Kein Schüler macht alles falsch. Und man kann auch dem schlechtesten Flug noch etwas Positives abgewinnen. Selbst bei einem Schüler, der unmotiviert, unvorbereitet und mit einer überlaxen Auffassung zur Stunde kommt und bei dem ein aufmunternder fachlicher Kommentar am Anfang unmöglich ist, versuche ich eine kleine Wendung zum Positiven. Auf dem Weg zur Maschine schenke ich ihm eine kleine Nettigkeit wie etwa „Du hast aber schöne Schuhe an“. Und schon ist das Eis gebrochen und vielleicht ein winziger Silberstreif am Motivationshorizont erkennbar.
Neben der Motivation als Mutter allen Antriebs sehe ich eine kleine Schwester, die uns gut bei der Arbeit helfen kann: die Inspiration. Es bedeutet das „Einhauchen einer Seele“ in Menschen oder Dinge. Ich meine damit, einer Trainingssession einen besonderen Wert mit auf den Weg zu geben, und sie damit für den Schüler interessanter zu machen. So sind Ziellandeübungen nicht nur die hohe Schule in einer Pilotenausbildung, sie können bei einem Motorausfall dazu dienen, das eigene und das Leben der Passagiere zu retten.
Mit dem Lesen von Checklisten und dem Befolgen von Prozeduren kann man sich als Profi beweisen. So kann man jedem Ausbildungsinhalt ein kleines interessantes Narrativ zuordnen, und der motivierte Schüler wird es einem danken.
Das geht aber gar nicht: No-Gos bei Fluglehrern
Aus meiner Sicht gibt es ein paar No-gos, die mir bei einigen Kollegen aufgefallen sind, und die ich strikt vermeide. Professionelle Flugschulen sind inzwischen dazu übergegangen, bei jeder Session Schulnoten für die Leistung des Schülers zu vergeben. Das kann man machen, aber es sollte nicht dazu führen, dass man jede Flugstunde als eine Art Prüfung sieht – erkenntlich an der Wortwahl und dem bewertend ernsten Ton des Lehrers in der Nachbesprechung. Eine Ausbildung ist keine Prüfung. Die sollte erfolgreich sein, aber vorher soll es vor allem Spaß machen.
Was auch gar nicht geht, ist ein Debriefing mit anderen im Raum so laut zu führen, dass diese mithören können. Egal ob positiv oder negativ: Dieses Gespräch geht nur zwei Personen etwas an. So wie sich jegliches Schimpfen, Schreien und persönliches Kritisieren in und außerhalb des Cockpits verbietet. Und gar kein Debriefing – auch das soll es geben – ist vollkommen unmöglich.
Königsdisziplin: Schwache Schüler sind eine Herausforderung für den Fluglehrer
Jeder Fluglehrer wünscht sich einen hellwachen, talentierten Schüler, der gut vorbereitet kommt, in kurzer Zeit lernt und die Dinge dann zuverlässig und professionell beherrscht. Doch diese seltenen „Top-Gun“-Kandidaten kann jeder ausbilden. Die Königsdisziplin eines Fluglehrers ist der schwache Schüler. Dabei ist es ganz gleich, ob Defizite altersbedingt oder eine Frage fehlenden Talents sind, oder von der schlechten Vorbereitung des Schülers herrühren.
Ist es nicht ein wenig dumm, wenn sich ein Fluglehrer darüber aufregt, dass ein Kandidat auch nach längerem Versuch noch nicht reüssiert? Dabei ist es doch das Nichtkönnen des Schülers, womit wir unser Geld verdienen. Deshalb gilt es, diese besondere Herausforderung immer wieder gut gelaunt anzunehmen. Auch wenn es schon die 30. Flugstunde ist und der Kandidat immer noch nicht alleine landen kann. Wenn wir uns Mühe geben, wird er es schon schaffen. Aber auch mal ganz ehrlich: Voraussetzung dafür sind Geduldsfäden so dick wie Ankertaue. Die hat nicht jeder Fluglehrer in den Genen – muss er sich aber antrainieren, wenn er ein guter sein will.
Den Schüler abregen
Eine Sache wird von uns Lehrern ganz oft vergessen: Dass besonders die ersten Flugstunden für den Schüler meist sehr aufregend sind. Das merkt man am feuchten Händedruck, aber auch an Nachlässigkeiten wie einem nicht geschlossenen Tankoder Ölverschluss. In solchen Fällen gilt das, was auch für jede Prüfung gilt: Dem Schüler muss die Anspannung genommen werden. Und dafür gibt es mehrere Wege: etwa, absolute Ruhe in das Geschehen zu bringen oder ein aufmunterndes humorvolles Wort an der richtigen Stelle zu finden.
Fluglehrer sind natürlich geübte, gute Piloten, die Abweichungen vom Gewollten sehr schnell feststellen und fix Korrekturen vornehmen können. Vielleicht fünfmal so schnell wie der Schüler, wenn der ein Problem überhaupt erkennt. Das kann zu einem schlechten Fluglehrerverhalten führen, wenn dieser den Schüler sofort nach Erkennen auf die Abweichung hinweist. Dem Anfänger muss unbedingt die Zeit gegeben werden, selbst den Fehler zu erkennen und zu korrigieren. Um gut zu lernen, müssen also auch größere Fehler in einem bestimmten Rahmen zugelassen werden.
Rote Linien: Hier sollte der Fluglehrer durchgreifen
Doch es gibt rote Linien, die wegen ihres Gefahrenpotenzials nicht überschritten werden dürfen. Typisch gilt das bei der Landung, wo ein Eingreifen des Lehrers besonders am Anfang nicht zu vermeiden ist. Oder aber beim Nichtlesen von Checklisten im Hinblick auf sicherheitsrelevante Punkte. Trotz aller Motivationsbestrebung ist hier eine ernste Ansage des Lehrers angebracht. Auch für die peinliche Situation, wenn etwa eine Checkliste nur gelesen wird, ohne den Status der zu überprüfenden Punkte überhaupt zu checken. Ziemlich nervig im engen Cockpit kann
fehlende Hygiene sein. Eine leichte Knoblauchfahne vom Italiener ist vielleicht bei uns schon akzeptiertes Kulturgut, aber ständiger Schweißoder Mundgeruch kann das Verhältnis von Lehrer und Schüler ziemlich zerrütten. Die ironische Frage „Welches Deo hast Du eigentlich früher benutzt?“ trifft nicht immer auf Verständnis beim hier persönlich kritisierten Schüler.
Der intime Moment
Wenn der Motor abgestellt wurde, die Avionik aus ist und die Headsets abgenommen werden, ist ein ganz besonderer Moment gekommen. Es ist ganz ruhig, aber das Abfallen der Anspannung kann man fast hören. Es entsteht ein intimer Moment zwischen Lehrer und Schüler. Diesen emotionalen Augenblick nutze ich, um dem Schüler ein kurzes, möglichst positives Resümee des Flugs zu geben. Später, beim ausführlichen Debriefing, wird man dann die Methode des „Reframing“ anwenden. Damit ist gemeint, eine Sache in einen anderen Zusammenhang zu stellen. Schlechte Leistungen und Fehler werden umformuliert in kommende Aufgaben und Herausforderungen. Und diese tolle pädagogische Technik funktioniert signifikant besser als jedes modische Kompliment, was die Schuhe angeht.
Text: Michael Fröhling, Zeichnungen: Helmut Mauch, Illustrationen: Eric Kutschke
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