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Bedienfehler in sommerlicher Hitze: Unfall mit Robin DR400/180
Ein einmotoriger Tiefdecker vom Typ Robin DR400/180 hebt nicht mit voller Triebwerksleistung ab. Der sommerliche Rundflug wird zum Familiendrama
Die warme Jahreszeit ist für viele Piloten auch die Zeit der Flugplatzfeste und Rundflugtage. Da können an einem Tag bei guten Bedingungen schon mal mehrere Stunden im Cockpit zusammenkommen. Mit zunehmender Flugzeit und sommerlichem Hitzestau in der Kabine schleichen sich unter Umständen Konzentrationsfehler ein. Dann steigt das Risiko für Pilot und Passagiere.
Auch auf dem Flugplatz Radolfzell-Stahringen am Bodensee hat der Pilot einer Robin DR400/180 am 31. August 2008 viel zu tun. Am frühen Nachmittag ist er bereits zu fünf Rundflügen in der näheren Umgebung des Sonderlandeplatzes in der Luft gewesen. Mit 171 Starts und Landungen ist er auf dem Muster routiniert. Verfahren und Handling der Maschine sind ihm vertraut, jeder Handgriff sitzt. Um 14.19 Uhr rollt der Tiefdecker erneut zum Startpunkt der Piste 01, die in 1381 Fuß MSL liegt. An Bord sind drei Passagiere, davon zwei Kinder im Alter von 11 und 14 Jahren. Sie sitzen auf der Rückbank der viersitzigen Robin. Auf dem rechten vorderen Platz sitzt der Vater.
Rundflüge mit Robin DR400/180 ab Radolfzell-Stahringen
Der Startlauf verläuft zunächst unauffällig, am Ende der Piste hat die Maschine nach Zeugenaussagen etwa 60 bis 70 Meter Höhe erreicht. Doch dann ist der Steigflug plötzlich zu Ende, die Maschine gewinnt keine Höhe mehr. Zeugen schätzen die bis dahin erreichte Flughöhe auf etwa das Doppelte der angrenzenden Bäume. Der Pilot dreht jetzt trotz der geringen Höhe stark nach links. Vermutlich reagiert er damit auf die Leistungsprobleme und versucht, zur Startbahn zurückzukehren. Durch das Manöver verliert die Maschine jedoch an Höhe und verschwindet für einige Sekunden hinter einer Baumgruppe.
Als der Tiefdecker wieder auftaucht, ist er auf Baumwipfelniveau und setzt die Linkskurve fort – offensichtlich eine Verzweiflungstat des Piloten, der der Versuchung nicht widerstehen kann, die Piste zu erreichen. Vor einer weiteren Baumgruppe kippt die Robin von der linken in eine rechte Querlage. Sie streift mit der Tragfläche die ersten Bäume so stark, dass diese abgerissen wird und das Flugzeug in Rückenlage dem Boden entgegenstürzt. Dann prallt es knapp 600 Meter in Verlängerung der Piste, nördlich zur Schwelle des Stahringer Flugplatzes auf eine hindernisfreie Wiese.
Die Robin streift mit der Tragfläche die Bäume, dass diese abgerissen wird – und stürzt ab
Die kurz darauf eintreffende Feuerwehr muss die Insassen mit schwerem Gerät aus dem Wrack herausschneiden, während große Mengen Flugbenzin aus dem Tank in die Erde fließen. Einen Brand am Wrack kann die Feuerwehr verhindern. Die Rettungskräfte befreien die beiden schwer verletzten Mädchen aus der zerstörten Kabine. Sie werden in die nächstgelegenen Krankenhäuser in Singen und Villingen-Schwenningen gebracht. Der 43-jährige Pilot und der Vater der beiden Mädchen werden tot aus dem Wrack geborgen.
Unmittelbar an der Unfallstelle beginnen die Experten der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) mit ihren Ermittlungen. Besondere Aufmerksamkeit erregt dabei ein Detail am Instrumentenpanel im Cockpit des Wracks. Es ist kaum zu erkennen und fällt erst bei genauerem Hinsehen auf: Der verbogene Zündschlüssel steht nicht auf der Magnetstellung „both“, sondern auf „L“ für left beziehungsweise links. Durch die Schäden am Panel und den geknickten Zündschlüssel ist die Position tatsächlich zunächst schwer auszumachen. Anhand von Vergleichsbildern aus einem nahezu identischen Muster stellen die Ermittler jedoch fest: Der Pilot war offenbar mit dieser Einstellung gestartet und konnte dadurch nicht die volle Leistung des Motors abrufen.
Sommerhitze: Fehlende Leistung des Triebwerks
Da die Maschine mit drei Passagieren voll beladen und nach den Berechnungen der BFU sogar ein leichtes Übergewicht von drei Prozent nachweisbar war, wirkte sich die fehlende Leistung fatal aus: In Kombination mit den hohen sommerlichen Temperaturen zum Unfallzeitpunkt reichten die 180 PS des Triebwerks nicht aus, um eine sichere Höhe zu erreichen. Das Verzweiflungsmanöver des Piloten, eine Umkehrkurve, hatte in dieser geringen Höhe keine Aussicht auf Erfolg und brachte die Maschine in einen Strömungsabriss.
Immer wieder scheitern Piloten an diesem „impossible turn“: Statt eine Landung auf oft gut geeigneten Flächen in Flugrichtung einzuleiten, versuchen sie die Rückkehr zur Piste, wo eine Landung auch für das Flugzeug folgenlos bliebe. Im Ergebnis ist dann nicht nur die Maschine zerstört – sondern auch Menschenleben. Wie es genau zum Pilotenfehler kam, können die Ermittler nicht rekonstruieren. Möglich scheint, dass die Hitze und die immer gleichen Verfahren bei Start und Landung die Konzentrationsfähigkeit des 43-Jährigen beeinträchtigt haben.
Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 10/2017
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