Unfallakte

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Baumkollision mit dem Tragschrauber: Unfall beim Abendflug mit MTOsport

Mit den letzten Sonnenstrahlen nochmals im Tiefflug über Wald und Wiesen rauschen – wer hat nicht schon mal davon geträumt. Vom romantischen Genussflug zum unkalkulierbaren Risikotrip ist es aber nur ein schmaler Grat

Von Redaktion

Es ist vermutlich das milde, goldene Abendlicht, das einen Tragschrauberpiloten am 7. August 2009 mit seinem MTOsport in die klare Luft über dem Flugplatz Northeim lockt. Die Bedingungen sind hervorragend: ein leichter Wind auf der Bahn, über zehn Kilometer Bodensicht, am Himmel keine Wolke. Zwei Rundflüge will der Gyro-Pilot an diesem Tag noch unternehmen. Die nahe gelegene Burgruine Plesse soll das Ziel einer kleinen Sightseeing-Tour sein. Die beiden Fluggäste, ein Ehepaar, können den Flug nicht zusammen, sondern nur nacheinander antreten, der Tragschrauber hat wie alle in Deutschland zugelassenen ULs höchstens Platz für den Piloten und einen Passagier. Als erstes setzt sich deshalb die Frau ins Cockpit des MTOsport.

Die Route führt nach Süden über die Ausläufer des Harzes bis zur Burgruine Plesse, die der Pilot einmal umrundet. Es ist vielleicht die schönste Tageszeit für einen Flug im offenen Cockpit. Bei 28 Grad Celsius bietet er Genuss pur, die bereits tief stehende Sonne setzt die waldreichen Hügel stimmungsvoll in Szene. Alles läuft nach Plan. Nach etwa einer halben Stunde kehrt der Drehflügler wieder zum Flugplatz zurück. Jetzt macht sich der Ehemann bereit für den zweiten Rundflug. Nachdem der Pilot aufgetankt hat, rollt er um 19.32 Uhr los und hebt nach wenigen Metern von der Piste ab. Wieder führt die Tour zunächst nach Süden, immer noch leuchtet die Landschaft in mildem Abendlicht. Die Sonne steht jedoch schon deutlich tiefer als beim ersten Rundflug.

Zwei Rundflüge mit dem Tragschrauber MTOsport

Als der Tragschrauber das Ziel erreicht, dringen gerade die letzten Sonnenstrahlen flach über die Kuppe des Wittenbergs oberhalb der Burgruine. Auch diesmal umrundet der Pilot im Tiefflug von Westen nach Osten das alte Gemäuer. Von einer Position südöstlich der Ruine dreht der 56-Jährige in einer Linkskurve wieder nach Westen in Richtung des ansteigenden Bergwalds. Zeugen beobachten den tieffliegenden Gyrokopter und berichten später, während dieser Flugphase ein Motorstottern gehört zu haben. Kurz darauf, um 19.44 Uhr, gerade mal zwölf Minuten nach dem Start, kracht der Tragschrauber unvermittelt gegen einen Baum, dann stürzt die Maschine in das abfallende Gelände am Wittenberg. Durch die Gewalt der Kollision sind Pilot und Passagier vermutlich schon tot, bevor der Gyrocopter auf dem Waldboden aufschlägt.

Nach der kollision: ein Rotorblatt ist abgetrennt, das andere deformiert (Foto: BFU)

Die Rettungskräfte können im unwegsamen Gelände oberhalb der Burgruine nur noch das zerissene Wrack bergen. Die Ermittlungen der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung ergeben zunächst, dass der Tragschrauber mit einer Abflugmasse von 504 Kilogramm deutlich überladen war. Für das Gerät wären maximal 450 Kilo zulässig gewesen. Dadurch war der MTOsport kopflastig. Die Steuerbarkeit sei nach Herstellerangaben aber nicht beeinflusst worden. Dagegen sei unter diesen Bedingungen jedoch eine Verschlechterung der Flugleistungen, die im Betriebshandbuch angegeben sind, zu erwarten gewesen, so der BFU-Bericht. Unklar bleibt dagegen, woher das von Zeugen beschriebene Motorstottern vor dem Unfall gekommen sein könnte. An Triebwerk und Rotorkopf finden die BFU-Experten keine relevanten Hinweise auf technische Mängel. Auch weitere Nachfragen bringen keinen Anhaltspunkt für eine Triebwerksstörung.

Der UL-Tragschrauber ist überladen

Die Zeugen beschreiben aus ihrer Erinnerung „zwei laute, hintereinander schwer klassifizierbare Geräusche, als wenn Holz bricht“ beziehungsweise „wie das Geräusch eines überdimensionalen großen Holzhäckslers“. Im Untersuchungsbericht der BFU heißt es dazu: „Grundsätzlich könnten gefundene Verunreinigungen in den Vergasern zu einer Beeinträchtigung der Kraftstoffversorgung und folgend zu einem Leistungsverlust geführt haben. Jedoch gab es weder aufgrund der Auswertung der technischen Befunde, der Flughöhe, der Flugspur und der Zeugenaussagen Hinweise auf eine Triebwerksstörung.“ Dagegen ist der im GPS-Gerät des Tragschraubers gespeicherte Flugweg aufschlussreicher: Während der letzten vier Minuten der Aufzeichnung war der Gyro demnach in einem leichten Steigflug mit nur 65 km/h Geschwindigkeit über Grund unterwegs, im Verhältnis zum ansteigenden Gelände, über dem er sich bewegte, verlor er jedoch an Höhe über Grund.

Bis zum Waldhang verlief der Flugweg über hindernisfreiem Gelände, das im Falle einer Triebwerksstörung als Notlandefläche durchaus geeignet gewesen wären. Der Parkplatz an der Burgruine schied dagegen wegen der umgebenden Bäume aus. Darüber hinaus wären auch im Tal geeignete Notlandeflächen in Reichweite gewesen. Viel entscheidender und zugleich verhängnisvoller scheint aber die niedrige Flughöhe gewesen zu sein in Kombination mit der Flugrichtung und dem Sonnenstand zur Zeit des Unfalls: Der Tragschrauber drehte kurz vor der Kollision mit dem Baum eine Kurve in Richtung 240 Grad. Die letzten Sonnenstrahlen am wolkenlosen Himmel kamen genau aus dieser Richtung. Außerdem musste der Pilot wegen des ansteigenden Geländes rasch Höhe gewinnen.

Harter Aufschlag: das auseinandergerissene Wrack am Wittenberg (Foto: BFU)

Durch die Schräglage im Kurvenflug, die sehr geringe Geschwindigkeit über Grund und die Überladung der Maschine war die Triebwerksleistung sehr wahrscheinlich nicht ausreichend, um schnell genug zu steigen. Ein unglücklicher Umstand wurde dem Piloten und seinem Passagier dann zum Verhängnis: Der Gyro steuerte geradewegs auf einen Baum zu, der die umgebenden Wipfel um über drei Meter überragte. Durch das Gegenlicht hatte der Pilot ihn vermutlich zu spät oder überhaupt nicht bemerkt. Kurz nachdem der Tragschrauber in den Bergwald gestürzt war, fiel auch die vom Stamm geborstene, mächtige Baumkrone in die Tiefe.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 12/2010

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