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Auto-Kollision im Helikopter: Eigenbau Rotorway Heli Exec 162F
Viele Piloten reizt die hohe Komplexität von Hubschraubern. Einem Selbstbauer werden die Tücken seines Helis zum Verhängnis

Flugmaschinen, die durch eine Unfallserie in die Schlagzeilen geraten, haben auf dem Markt ein naheliegendes Problem: Sie werden zu Ladenhütern. Einen niederländischen Hubschrauberpiloten schreckt das nicht ab, weder bei seinen unternehmerischen Ambitionen noch in Sachen Sicherheit. Dem 45-Jährigen hat es der Kolbenmotor-getriebene Selbstbau-Heli Exec 162F von Rotorway angetan. Über mehrere Jahre baut er sich in ungezählten Arbeitsstunden den Zweisitzer zusammen. Am 21. Februar 2007 erhält er schließlich von der niederländischen Luftfahrtbehörde das Lufttüchtigkeitszeugnis (Certificate of Airworthiness). Damit ist er aber noch nicht am Ziel seiner Pläne: Obwohl es mit den Mustern Exec 162 und Exec 90 schon mehrere schwere Unfälle gab, ist der Niederländer von der Konstruktion überzeugt und will sogar einen Vertriebsservice für den Leichthubschrauber aufbauen.
Dafür fliegt er am 16. November 2008 vom niederländischen Flugplatz Teuge nach Nordhorn-Lingen in Niedersachsen. Dort will er seinem ehemaligen Fluglehrer den Selbstbau-Heli vorführen. Bei einem gemeinsamen Formationsflug noch am selben Tag sollen dann zu Werbezwecken Luftaufnahmen gemacht werden. Um 12.44 Uhr startet die Heli-Formation in Nordhorn-Lingen, ein Robinson R44 und der Exec 162. An Bord des viersitzigen Robinson sind außer dem erfahrenen Fluglehrer ein Schüler, der die Maschine steuert, und die Ehefrau des Exec-Piloten. Der Viersitzer fliegt voraus, hinter ihm folgt links versetzt der kleinere Exec, in dem nur der Selbstbauer sitzt. Die Formation verlässt die Platzrunde in südwestlicher Richtung und steigt auf eine Reiseflughöhe von 1000 Fuß über Grund. Die Maschinen fliegen in einem Abstand von 60 bis 100 Metern mit etwa 75 Knoten.
Heli-Formation: Notruf nach zwei Minuten
Über Funk schlägt der Fluglehrer dann einen Frequenzwechsel auf 123,45 MHz vor. Während der Fluglehrer im vorausfliegenden R44 die neue Frequenz rastet und die Frau des Exec-Piloten auf dem Rücksitz bereits mit dem Filmen des Helis begonnen hat, verschwindet dieser plötzlich aus dem Sichtfeld der Kamera. Der Fluglehrer sieht den Exec aus dem Augenwinkel in einen abrupten Steigflug übergehen und verliert schließlich den Blickkontakt. Der Versuch, den Piloten auf der neuen Frequenz zu erreichen, scheitert. Auch auf der Flugplatzfrequenz ist nichts von ihm zu hören. Schließlich dreht der Robinson in einer flachen Linkskurve ab und kehrt zum Platz zurück.
Ein Förster, der etwa zur selben Zeit in seinem Revier am Boden unterwegs ist, hört zwei metallische Knallgeräusche und sieht wenige Augenblicke später, wie der Exec in der Luft Teile verliert. Dann stürzt die Maschine mit stehendem Rotor nur etwa 100 Meter von ihm entfernt auf ein Feld. Um 12.46 Uhr, nur zwei Minuten nach dem Start der Heli-Formation, geht bei den Rettungskräften ein Notruf ein. Als die ersten Helfer an der Unglückstelle eintreffen, ist der Hubschrauber bereits vollständig ausgebrannt. Der Pilot hatte keine Chance, den Absturz zu überleben.
Selbstbau-Heli Exec 162F: Gefahr durch negative g
Bei den Untersuchungen bestätigt sich die Beobachtung des Försters: Der Heckausleger des Exec wurde im Flug vollständig von der Maschine abgerissen und liegt über 70 Meter vom Hauptwrack entfernt. Den Ermittlern der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) gelingt es durch ihre akribische Spurensuche an der Unfallstelle schon bald zu rekonstruieren, warum der Selbstbau-Heli bereits in der Luft auseinander gebrochen war. Ein orangefarbenes Stück der Rotorbeplankung und dazu passende Farbspuren an der abgetrennten Stelle des Heckauslegers sowie der durchtrennte Antriebsriemen des Heckrotors lassen nur einen Schluss zu: Der Hauptrotor muss sich im Flug so weit nach hinten geneigt haben, dass er in den Ausleger einschlug und das Heck abtrennte – die Maschine war nicht mehr steuerbar. Was aber war der Grund für diese extreme Neigung des Rotors?
Dieses Problem tritt ausschließlich bei halbstarren Zweiblatt-Rotorsystemen wie dem des Exec 162F auf. In Großbritannien und den USA haben sich in den vergangenen Jahren mehrere ähnliche Unfälle ereignet. Einmal hatte sich ebenfalls ein Teil der Rotorbeplankung gelöst, in den anderen Fällen hatte man Steuerfehler der Piloten als Ursache vermutet. Auslöser können vor allem plötzliche negative Beschleunigungen sein.
Heck abgerissen: Auto-Kollision des Selbstbau-Heli
Aber auch andere abrupte Steuerimpulse oder das Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit mit anschließendem Strömungsabriss am rücklaufenden Blatt können dazu führen, dass der Rotor ins Heck oder in die Kanzel der Maschine einschlägt. Als technische Ursachen kommen außer Schäden an den Rotorblättern der Verlust von Teilen ihrer Beplankung oder eines ganzen Rotorblatts in Frage. Auch ein loses Steuergestänge, Schäden am Rotormast oder starke Turbulenzen können den Rotor derart aus der Bahn bringen, dass er den Hubschrauber in der Luft zerlegt. Die Vermutung, der Pilot könnte in Nordhorn-Lingen beim Rasten der neuen Frequenz durch das Umgreifen eine abrupte negative Beschleunigung ausgelöst haben, wurde von den BFU-Experten schnell wieder verworfen.
Die Absturzstelle und die Position, wo der R44 die Frequenz 123,45 MHz gerastet hatte, liegen mehrere Kilometer auseinander. Diese Distanz hätte der Heli mit abgerissenem Heck wohl kaum zurücklegen können. Dagegen scheinen die geringe Erfahrung des Piloten, der fliegerisch anspruchsvolle Exec 162F und die Eigenheiten des Zweiblattrotorsystems einen gefährlichen Mix ergeben zu haben. Der Selbstbauer hatte eine Gesamtflugerfahrung von gerade mal 54 Stunden; nur zwei Stunden davon war er nach Erhalt der Musterberechtigung für den Exec als verantwortlicher Pilot auf dem Muster geflogen. Tragisches Detail: Die Zulassung des Exec galt lediglich für den Luftraum der Niederlande. Nach Nordhorn-Lingen hätte er gar nicht erst einfliegen dürfen.
Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 4/2011
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