Auf Kollisionskurs in der Kontrollzone
Zu viel Verlass auf deen Lotsen führt zum Near-miss in der Kontrollzone. Dabei sollte klar sein: VFR-Verkehr wird dort nicht gestaffelt
Nicht wenige Privatpiloten, die nach VFR unterwegs sind, machen um Kontrollzonen einen großen Bogen. Manche, die sich ins Airbus- und Boeing-Revier trauen, glauben völlig zu Unrecht, dass hier eigene Benimmregeln gelten: Lotsenanweisungen unterwirft man sich sklavisch. Eigeninitiative und Verantwortung? Bitte am Pflichtmeldepunkt abgeben! Das ist leider eine grundfalsche Einstellung.
Dresden ist ein beliebtes Ziel, auch von VFR-Flügen. Über ein Drittel aller Flugbewegungen innerhalb der Kontrollzone der Elbstadt in den ersten sieben Monaten des Jahres 2003 waren Sichtflüge. Die Hälfte der Maschinen wollte dort gar nicht landen, sondern das Stadtgebiet entlang der Elbe aus der Luft genießen.
So auch am 11. Juli 2003. Gegen Mittag meldeten sich die Piloten eines Motorseglers („Position NOVEMBER“) und einer DV 20 Katana („Position WHISKEY“) auf der Frequenz des Platzlotsen (PL). Der ist unter anderem für die Durchführung der Flugverkehrskontrolle innerhalb der Kontrollzone und auf dem Rollfeld zuständig, dazu insbesondere verantwortlich für VFR-Ein- und -Ausflüge sowie Sichtflugverkehr in der Kontrollzone. Zudem obliegt ihm die Kontrolle startender und landender Maschinen. Eine davon: eine Canadair CL-600-2B19 mit Platz für 50 Passagiere, der auf einem Rollweg des Verkehrsflughafens wartete, um auf die Piste 22 zu rollen.
DV 20 Katana auf der Frequenz des Platzlotsen
Dort sollte gleich ein Verkehrsflugzeug landen, das bereits im kurzen Endanflug war. Zu diesem Zeitpunkt schien die Aufmerksamkeit des PL längst eine Schieflage gehabt zu haben: Als die Maschine schon über die Schwelle rauschte, musste die Crew nachhaken, was denn nun mit der Landeerlaubnis sei. Der Lotse erteilte sie unmittelbar. Der Mann war durch ein Gespräch abgelenkt. Als der Katana-Pilot „WHISKEY“ meldete, fragte ihn der PL, ob seine Maschine Transponder-ausgerüstet sei, und ließ ihn den damaligen VFR-Code 0021 schalten. Kein Wort aber zum weiteren Flugverlauf. So machte sich der Privatpilot daran, die Kontrollzone auf der ursprünglich beantragten und durch niemanden eingeschränkte Flugroute Richtung „SIERRA“ zu durchqueren.
Inzwischen hatte der Regional-Jet von der „22“ abgehoben. Der Motorsegler, der sich durch einen Vollkreis vom Jet fernhielt, durfte, nachdem er „Verkehr in Sicht“ gemeldet hatte, Richtung Elbe weiterfliegen. Ach ja, da war ja noch die Katana! Ihrem Piloten verordnete der PL einen Vollkreis nach rechts, mit dem Hinweis, auf den Canadair-Jet zu achten. Dieser Zusatz war mehr als angebracht: Der Lotse unterschätzte die Speed der Einmot, die schon unmittelbar vor der Abfluggrundlinie war. Eine Meile nach Ende der Bahn krächzte plötzlich im Cockpit des Jets die synthetische Stimme des Kollisionswarngeräts los: „Traffic, Traffic!“ Da sah die Crew auch schon die Katana mit extremer Schräglage nach rechts kurven. Der Airliner schaffte mit einem kleinen Ausweichmanöver Platz zu dem Eindringling – dennoch: Die beiden Flugzeuge kamen sich mit 0,3 Meilen horizontal und 400 Fuß vertikal gefährlich nahe.
Airliner muss Ausweichmanöver machen
In ihrem Abschlussbericht bemängeln die Unfalluntersucher, dass keine Verkehrsinformationen erteilt wurden, obwohl der Katana-Pilot und die Canadair-Crew bereits minutenlang in Funkkontakt mit dem PL standen. Ebensowenig nachvollziehbar: Warum nutzte der Mann auf dem Turm nicht das Radargerät, das ihm zur Verfügung stand und Klarheit über die Positionen aller Maschinen verschafft hätte? Der Katana-Pilot sagte aus, dass er den Funk mitgehört hatte und den Jet starten sah. „Aus Respekt vor den Anweisungen eines Lotsen …“ wartete er auf Anleitung. Dass er zwar eine Durchflugfreigabe hatte, aber VFR unterwegs war und somit nicht gestaffelt wurde, kam ihm jedoch nicht in den Sinn. Denn das ist die entscheidende Botschaft für Piloten: Eine Staffelung von VFR-Verkehr in der Kontrollzone findet nicht statt! Für die Einhaltung von Abstand zu anderen im kontrollierten Luftraum ist der VFR-Pilot immer noch selbst verantwortlich – nach dem Prinzip „Sehen und gesehen werden“.
Text: Markus Wunderlich, fliegermagazin 4/2005
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