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Alexander Lippisch – die frühen Jahre des Flugzeugkonstrukteurs

Alexander Lippisch – da denken viele gleich an die Me 163. Zu Recht. Der Weg dorthin verlief allerdings keineswegs kometenhaft. Der eigenwillige Delta-Fanatiker musste erst Erfahrung sammeln

Von Stefan Bartmann
Großer Kontrukteur
Großer Konstrukteur: Ein großer Pilot war Lippisch nie. Foto: Bildsammlung Bartmann

Mit dem gedrungenen Abfangjäger Komet, der mit Raketenantrieb in gut drei Minuten auf 10 000 Meter schoss und 1000 km/h packte, bleibt der Name Alexander Lippisch untrennbar verbunden. Dieser aggressive Design-Geniestreich wird heute oft den „Wunderwaffen“ aus der Spätphase des Krieges zugeschrieben, als dem verzweifelten NS-Staat keine Idee zu absurd erschien, um die alliierten Bomberverbände abzuwehren. Tatsächlich begann die Entwicklung solcher Waffen schon lange vorher.

In den zwanziger und dreißiger Jahren hat Alexander Lippisch einige konventionelle Gleit- und Segelflugzeuge entworfen. Sein ganzes Herz aber gehört den Nurflügeln und schwanzlosen Flugzeugen. Nur dort ist der Konstrukteur und Aerodynamiker, der 1918 für Dornier gearbeitet hatte, voll bei der Sache.

Alexander Lippisch: Vom Storch zum Projekt X

Im August 1941 fliegt die erste Me 163 mit Antrieb. Zu diesem Zeitpunkt ist es genau zwanzig Jahre her, dass sich Lippisch, aus einer Münchner Künstlerfamilie stammend, zur Überwinterung 1921/22 auf der einsamen Wasserkuppe entschloss. Mit dabei: Gottlob Espenlaub, der hemdsärmlige Sohn eines Schäfers von der Schwäbischen Alp. Ungestört wollen sie auf der Wasserkuppe ihre Flugapparate basteln – als die ersten „Rhön-Indianer“ wären sie dort oben beinahe verhungert.

Espenlaub 2Espenlaub 2
Früher Entwurf: Espenlaub 2 von Alexander Lippisch und Gottlob Espenlaub (v. l.). Konzeptionell ähnelt der Hängegleiter bereits modernen Starrflüglern.

Die Espenlaub 2, ein Entwurf von Alexander Lippisch, ist ein schwanzloser Hängegleiter, quasi aus Restmüll entstanden. Der Schwabe geht bald zu den Segelfliegern ins oberschlesische Grunau, Lippisch kehrt auf die Wasserkuppe zurück. Im Frühjahr ’23 nimmt dort eine konventionelle Lippisch-Schöpfung Formen an. Der simple „Hol’s der Teufel“ gerät zum Ur-Modell künftiger Schulgleiter; eine Auftragsarbeit.

Das „Raketenflugproblem“: Storch I wird entwickelt

Mit seinen schulterlangen Haaren hat sich Lippisch den Spitznamen „Rhöngeist“ eingehandelt. Er gilt bereits als schwieriger Charakter mit schnell wechselnden Launen. Doch „Rhönvater“ Oskar Ursinus hält viel von ihm und sorgt im Herbst 1925 dafür, dass der Nonkonformist den Posten des Konstruktionsleiters der Rhön-Rossitten-Gesellschaft (RRG) auf der Wasserkuppe übernimmt.

NervenbündelNervenbündel
„Geniales Nervenbündel“: Alexander Lippisch (1894–1976), hier ein spätes Porträt. Die Charakterisierung stammt von Rhön-Chronist Peter Riedel

Neben dem Tagesgeschäft verfolgt Lippisch freilich seine privaten Ambitionen. Ein gelungenes Modell überzeugt die RRG, den Bau eines Versuchsflugzeugs zu finanzieren: den schwanzlosen Storch. Im Herbst 1927 wird der Segler fertig. Dieser Storch I hat Pfeilflügel und ist für einen Motoreneinbau vorgesehen. Johannes „Bubi“ Nehring, einer der besten Segelflieger jener Jahre, fliegt ihn ein. Das heißt: Er versucht es.

Die Änderungen verursachen auch bei den nachfolgenden Modellen Probleme

Die Querruderwirkung ist mangelhaft und die Richtungsstabilität ungenügend. Man ändert die Endscheiben-Seitenruder, aber auch Storch II und Storch III haben ihre Probleme. Man bastelt weiter. Der Storch IV von 1929 hat immer noch fast den gleichen Flügel wie das Ur-Modell, aber er fliegt jetzt wenigstens ordentlich. Testpilot ist der 21-jährige Günter Groenhoff, ist ein echter Schnellstarter im deutschen Segelflug. Und er kommt prächtig mit Lippisch zurecht!

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Zwischenspiel mit Folgen: die ersten Flüge mit Raketenantrieb, Wasserkuppe, Juni 1928. Die RRG-Ente (die 1927 zuerst als Segler getestet wurde) ist ein Entwurf von Lippisch und Fritz Stamer, dem RRG-Ausbildungsleiter. Die Initiatoren, Fritz von Opel und der Raktenfabrikant Friedrich Sander, haben das Vehikel mit zwei fauchenden Feststoffraketen ausgerüstet.

Starthilfe: Die Ente startet mittels Gummiseil

Stamer fliegt die Ente mit Schub – eine spektakuläre Angelegenheit, bei der das Gummiseil Starthilfe leisten muss. Schon beim zweiten Start explodiert eine der Raketen. Lippisch geht die Sache nicht mehr aus dem Kopf. Er will sich später dem „Raketenflugproblem“ widmen.

Storch VStorch V
Eigenwillig: Nurflügel-Pusher Storch V mit Acht-PS-DKW- Motor. Im Cockpit der 21-jährige Günther Groenhoff, der als Segelflieger zur Legende wird.

Im Spätsommer 1929 macht ein acht PS schwacher DKW-Motorradmotor den Storch IV zum Storch V mit Druckpropeller. Groenhoff übernimmt im September das Einfliegen. Die Ergebnisse sind ermutigend genug, um sich an die Öffentlichkeit zu wagen. Dies geschieht im Oktober in Berlin-Tempelhof. Beherzt fliegt Groenhoff den Neuling vor. Die erhofften öffentlichen Aufträge bleiben zwar aus, aber der Ullstein-Verlag fühlt sich zur Stiftung eines Preises für Nurflügel inspiriert: 3000 Mark für einen 300-Kilometer-Überlandflug.

Überlandflug: Der Storch VII gewinnt den Ullstein-Verlag

Hierfür lässt sich Groenhoff auf eigene Rechnung den Storch VII von Alexander Lippisch konstruieren und bei der RRG bauen. An einem ungemütlichen Dezembertag im Jahr 1931 steht endlich „Hans Huckebein“ abflugbereit auf der Wasserkuppe: ein schwanzloser Motorsegler, dem es entschieden an Eleganz fehlt. Das Gerät hat sich schon den Ruf eines Unglücksraben erworben. Daher der Name.

Entsprechend der Ausschreibung erfolgt der Start auf Kufen; ein Vierfachgummiseil zieht, und 24 PS Motorleistung schieben. Nach 1:55 Flugstunden mit 145 km/h landet der Apparat in Tempelhof. Der Ullstein-
Preis ist gewonnen, aber Groenhoff steigt nie wieder in den fliegerisch miserablen „Hans Huckebein“.

Fliegende Dreieck: Alexander Lippisch konstruiert den Delta I

Dessen ungeachtet geht Lippisch zum Deltaflügel mit gerader Endkante über. Seine Delta I hat erstmals getrennte Höhen- und Querruder. 1930 wird sie als Segler von Groenhoff auf der Wasserkuppe getestet. Pfingsten 1931 steht sie auf drei Rädern und fliegt mit einem 30-PS-Bristol-Cherub; im September bekommen die Berliner das „Fliegende Dreieck“ im Flug zu sehen.

Delta IVDelta IV
Zug- statt Druckmotor: Nach etlichen Modifikationen fliegt erst die C-Version der Delta IV anstandslos. Von der DFS übernommen, passt der Nurflügel 1937 als DFS 39 zum Geheimauftrag eines „Jagdflugzeugs mit Sonderantrieb“ – also Raketentriebwerk.

Gerhard Fieseler, Kunstflugmeister und Besitzer eines eigenen Flugzeugbaus in Kassel, ist davon genug beeindruckt, um bei der RRG ein Delta-Sportflugzeug für den Europa-Rundflug 1932 zu bestellen. Das wird er noch bereuen, denn die zweimotorige Delta IV (die offiziell als Fieseler F3 Wespe firmiert) erweist sich als allzu eilig konstruiertes Experimental-Objekt mit vielen Kinderkrankheiten.

Projekt X: Bei Messerschmitt löst der Flugzeugkonstrukteur das Raketenproblem

Finanziert wird die Sache von der Dresdner Zigarettenmarke Haus Bergmann, zwecks Reklame. Zuerst sind drei Maschinen geplant, doch es bleibt beim haarsträubenden Prototypen. Im Herbst 1932 bricht der genervte Fieseler – nach viel Bruch und Ärger – die Erprobung der originellen Push-pull-Zweimot ab.

Die DFS kauft die Reste und modelt bis 1936 daran herum, bis der Ur-Entwurf kaum mehr zu erkennen ist. Diese Delta IVc (beziehungsweise DFS 39) passt 1937 perfekt zu einem streng geheimen Auftrag aus Berlin zur Schaffung eines „Jagdflugzeugs mit Sonderantrieb“. Gemeint sind Walter-Flüssigkeitsraketen.

KrafteiKraftei
„Kraftei“: Lippischs Nurflügel-Ambitionen führen zur Me 163, die oft den späten »Wunder- waffen« der Nazis zugerechnet wird. Tatsächlich reicht ihre Entwicklung aber weit zurück.

Im Januar 1939 geht Lippisch mit dem Team seines Konstruktionsbüros zur Messerschmitt AG nach Augsburg. Seinen besten Piloten, Heini Dittmar, bringt er mit. Dort endlich löst Lippisch das „Raketenflugproblem“ unter dem Arbeitstitel Projekt X. Besser bekannt als Me 163 Komet.

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Stefan Bartmann

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