Unfallakte

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Notlandung nach Triebwerksausfall: Diamond DA-42 Twin Star

Eine Zweimot hat wiederholt Triebwerksprobleme und wird repariert. Beim ersten Start danach zeigt sich, dass der Fehler keineswegs behoben ist. Die Notlandung des überforderten Pilots misslingt

Von Redaktion

Auf den ersten Blick sind zwei Triebwerke eine gute Risikoversicherung: Der Pilot hat für ein unverzichtbares System, nämlich den Antrieb, eine Reserve. Eigentlich müssten alle Piloten einmotoriger Maschinen neidisch werden. Doch ein Luftfahrzeug mit zwei Motoren ist komplexer und schwieriger zu bedienen als ein einmotoriges, und das gilt auch für die Verfahren im Notfall. Der Pilot in Command (PIC) einer Twin muss sie beherrschen, will er das Plus an Sicherheit, das der zweite Motor ja durchaus bietet, auch ausnutzen.

Am 24. Mai 2012 startet der Pilot einer Diamond DA42 Twin Star mit seiner Frau und zwei Bekannten von Basel zu einem mehrtägigen Ausflug nach Westerland auf der nordfriesischen Insel Sylt. Seine Fluggäste wollen dort einen Kurzurlaub verbringen, während er selbst zu einem Geschäftstermin nach Dänemark weiterfliegen und die drei Passagiere am folgenden Tag wieder abholen möchte. Auf dem Flug nach Sylt bemerkt er am rechten Triebwerk vom Typ Thielert Centurion 2.0 einen Leistungsabfall von fünf bis zehn Prozent. Durch Leistungszufuhr gleicht er den Verlust aus, damit ist das Problem für ihn erledigt.

Diamond DA42 Twin Star: Erneut fällt ein Motor aus

Nachdem die Fluggäste die Maschine in Westerland verlassen haben, startet die Twin Star zum Weiterflug, doch die Probleme sind keineswegs verschwunden, im Gegenteil: Der rechte Antrieb versagt den Dienst, der Pilot bricht den Startlauf ab. Ob tatsächlich das Triebwerk ausgefallen oder am Prop keine Leistung angekommen ist, lässt sich später nicht mehr eindeutig klären. Um den Defekt zu beseitigen, reisen am folgenden Tag zwei Mechaniker an. Sie tauschen das Propellerregelventil aus und geben dem Piloten telefonisch Bescheid, dass die Maschine wieder in Ordnung sei. Am nächsten Tag startet er mit seinen Passagieren ohne Zwischenfälle nach Parchim.

Freies Feld: Mit mehr Abstand zur Waldkante wäre die Notlandung glimpflicher verlaufen (Foto: BFU)

Am Vormittag des 28. Mai betankt der 58-Jährige die Twin Star für den fünfstündigen Rückflug nach Basel. Es ist 13.40 Uhr, als der Platzverkehrslotse die Startfreigabe für die Piste 24 erteilt. Dann startet die mit vier Personen besetzte Maschine und geht in den Steigflug. Doch bereits eine Nautische Meile westlich der Piste, in 650 Fuß über dem Boden, meldet der Pilot über Funk: „I need to return to the field. I have an engine failure on the right engine.“ Der Lotse gibt ihm daraufhin die Freigabe: „Cleared to land all runways.“ Die Twin Star fliegt nun von Nordwesten in einer Rechtskurve über die Piste nach Süden und verliert rasch Höhe.

Kurz nach dem Start: Triebwerksausfall der Twin Star

Über Funk ist der PIC nur noch in Bruchstücken zu verstehen: »All runways … to the field …« Dann kracht die Zweimot etwa 600 Meter südlich der Runway auf eine Wiese. An einem quer liegenden Baumstamm überschlägt sie sich und landet schließlich in Rückenlage in einem an die Wiese angrenzenden Waldstück. Für die beiden rechts vorn und rechts hinten sitzenden Passagiere kommt jede Hilfe zu spät, ihre Kopfverletzungen sind zu schwer. Die beiden anderen Insassen überleben die Notlandung nur knapp.

Die Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung nehmen die Arbeit auf. Beim Auslesen der Motordaten stellen sie fest, dass es im rechten Triebwerk etwa 40 Sekunden nach Setzen der Startleistung zu einer Überdrehzahl gekommen ist. Grund ist eine Verschmutzung der Kupplung mit Öl, ausgelöst durch einen beschädigten Dichtring. Beim Öffnen des Getriebes finden die Untersucher faserähnliches Material im Gehäuse, die Reibscheibe ist fast vollständig verschlissen und hat Risse an den Rändern. Im Hinblick auf die Probleme der vorherigen Flüge vermuten sie, dass auch beim Unfallflug ein Rutschen der Kupplung zur Überdrehzahl und zum Ausfall des Triebwerks führte.

Ursache Verschleiß: Motorausfall an der Diamond DA-42

In ihrem Bericht kritisieren die Ermittler die mangelhafte beziehungsweise fehlende Dokumentation der bereits vorher aufgetretenen Probleme im Bordbuch. Auch die Kommunikation der Beteiligten untereinander war schlecht: So berichtete der Pilot dem Halter telefonisch von Drehzahlschwankungen und einem Triebwerksausfall, der beauftragte Wartungsbetrieb ging nach dem Gespräch mit dem Halter von Drehzahlschwankungen während des Flugs aus.

Baumkontakt: Die Notlandung missglückt, die zweimotorige Maschine überschlägt sich und rutscht in einen Wald. Zwei Personen sterben, zwei überleben (Foto: BFU)

Die technische Hotline des Triebwerksherstellers wiederum kam zum Schluss, dass es sich bei dem Problem um eine Überdrehzahl mit anschließendem Motorausfall handeln müsse und vermutete die Ursache des Problems in einem defekten Propeller-Regelventil. So verließen sich die Mechaniker auf die unverbindliche Aussage der Hotline und tauschten das Ventil aus. Als danach kein Fehler auftrat, stellten sie die Suche nach weiteren möglichen Fehlerquellen ein.

Faktor Mensch: Fehler bei der Notlandung

Defizite sehen die Ermittler auch beim Piloten. Es sei nicht erkennbar, dass er beim Unfallflug irgendein Notverfahren abgearbeitet hätte, um der kritischen Situation zu begegnen. So lief der rechte Prop bis zuletzt im Fahrtwind mit und war nicht, wie im Notfallverfahren gefordert, in Segelflugstellung gerastet. Daraus ergab sich ein wesentlich höherer Luftwiderstand und damit ein schnellerer Höhenverlust.

Zudem war die Einteilung des Anflugs bei der Notlandung sehr unglücklich. Das Areal, in dem der Pilot aufsetzen wollte, hätte eine ausreichende hindernisfreie Fläche geboten. Die Twin aber setzte nur wenige Meter neben einem angrenzenden Wald auf und krachte in die Bäume. Auf freiem Feld hätten möglicherweise alle Insassen überlebt.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 2/2017

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