Unfallakte

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Motorausfall im Reiseflug: Robin DR 400/180 in Österreich

Irrtümer oder Nachlässigkeiten beim Tanken passieren in der Luftfahrt immer wieder. Besonders unangenehm wurde es für einen Piloten, der trotz ausreichend Benzin und tadelloser Technik antriebslos in den Sinkflug gehen musste – ohne Chance, eine Piste zu erreichen

Von Redaktion

Je komplexer ein System, desto größer die Anfälligkeit für Schwachstellen – das gilt für die Technik ebenso wie für den Mensch, der sie bedient. Hat er ein einfaches System zu kontrollieren, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, den falschen Knopf zu drücken oder einen Punkt auf der Checkliste zu vergessen. Beim Spritmanagement heißt das: Wer nur einen Rumpftank hat, gerät nicht in die Notlage, den falschen Flächentank anzu- wählen – oder den Benzinhahn beim Umschalten aus Versehen gleich ganz abzudrehen. Die Robin DR 400/180, die am 24. Juli 2005 vom österreichischen Flugplatz Gmunden aus zu einem Rundflug startet, gehört unter dem Aspekt Spritmanagement zu den vergleichsweise komplexen Typen: Sie hat zwei Flächen- und einen Rumpftank. Am Morgen ist das Flugzeug zum letzten Mal mit Sprit befüllt worden und danach noch zu mehreren Flügen gestartet. Um 15.10 Uhr hebt der Tiefdecker erneut ab.

Der Pilot hat nur geringe Erfahrung auf diesem Muster. Insgesamt wurde er eine Stunde und 45 Minuten auf die Einmot umgeschult. An Bord sind außer ihm noch drei Passagiere. Bei guten Sichtflugbedingungen führt der Flug zunächst über den nahen Schafberg, vorbei am Wolfgangsee und weiter über den Gosaukamm zur Dachstein-Südwand. Dort erreicht die Maschine eine Flughöhe von etwa 7500 Fuß. In dieser Phase beschließt der Pilot, von einem der Flächentanks, der bis dahin geschaltet war, auf den seiner Ansicht nach „vorderen Tank“ zu wechseln. Welchen Tank genau er zu rasten glaubt und – nicht weniger interessant – welcher überhaupt bis dahin gerastet war, kann auch später nicht mehr mit Sicherheit geklärt werden. Tatsache ist: Die Robin hat im Rumpf nur einen hinteren Tank.

Die Robin DR 400/180 startet vom österreichischen Flugplatz Gmunden aus zu einem Rundflug

Unmittelbar nachdem der Pilot die Schalterstellung verändert hat, leuchtet die Warnlampe für den Treibstoffdruck auf. Im Cockpit wird es hektisch. Auch die Passagiere haben das rote Licht bemerkt. Wenige Sekunden später lässt die Triebwerksleistung spürbar nach, und die Maschine muss in den Sinkflug gehen. Daraufhin schaltet der Pilot Treibstoffpumpe und Vergaservorwärmung ein, das Warnlicht erlischt dadurch aber nicht. Jetzt bittet der 55- Jährige beim nahe gelegenen Flugplatz Niederöblarn um Landeinformationen. Das Triebwerk ist inzwischen komplett ausgefallen. In steilem Sinkflug nähert sich die Robin dem Flugplatz, aber die Piste ist unerreichbar.

Der Pilot entschließt sich deshalb für eine Notlandung im Gelände. In niedriger Höhe überfliegt er die Ortschaft Pruggern. Nur noch wenige Meter schwebt der antriebslose Tiefdecker über dem Boden, als er den Fluss Enns am Ortsrand erreicht. Die 20 Meter hohen Bäume am Ufer schafft die Robin nicht mehr. Mit Geschick überfliegt der Pilot das Gewässer an einer Stelle mit niedrigerem Bewuchs.

Auf der gegenüberliegenden Uferseite setzt die Einmot schließlich auf einer Wiese auf und kracht nach etwa 18 Metern in eine Böschung längs eines quer verlaufenden Feldwegs. Einer der Passagiere wird durch den Aufprall schwer verletzt. Der Pilot und die anderen beiden Mitflieger können das Wrack mit leichten Blessuren verlassen. Die Robin wird bei der Notlandung zerstört: Alle drei Fahrwerksbeine sind vom Flugzeug abgerissen und beim Aufsetzen in Rumpf und Flügel eingedrungen. Das Triebwerk ist durch die Kollision mit den Büschen samt Verkleidung, Motorträger und Brandschott wie eine Ziehharmonika nach hinten in Richtung Cockpit gedrückt worden.

Die Robin wird bei der Notlandung zerstört

Die Ermittler der österreichischen Flugunfall-Untersuchungsstelle (FUS) finden am Triebwerk keinen Hinweis auf eine technische Ursache für den Motorausfall. Der Tankwahlschalter zeigt noch nach vorne (in Flugrichtung), gerastet auf Stellung „Benzin zu“. Die Schalterposition ist wie eingefroren. Durch die Verformungen infolge des Aufpralls ist eine Änderung der Rastung nicht mehr möglich. Der Pilot gibt bei einer ersten Befragung am Unfallort an, er habe erst nach Aufleuchten des Warnlichts für den Treibstoffdruck am Tankwahlschalter gedreht. Auch am Tag nach dem Unfall sind seine Angaben bruchstückhaft und widersprüchlich: Er sei der Meinung gewesen, einen anderen Tank zu aktivieren, als er den Schalter irrtümlich in die vordere Position („Zu“) rastete. Erst danach habe die Warnanzeige aufgeleuchtet.

Unklar bleibt, auf welchem Tank der Schalter davor gerastet war. Am wahrscheinlichsten scheint der linke Flächentank, dessen Position eine Rastung vor (im Uhrzeigersinn) der „Zu“-Stellung liegt. Dieser Tank weist nach dem Unfall noch ein Viertel der maximalen Füllmenge auf. Der rechte Flächentank ist noch zu einem Drittel, der Rumpftank sogar noch halb gefüllt. Die unübliche Schaltersystematik der Robin dürfte den Fehlgriff des Piloten wesentlich begünstigt haben, so die Experten: In der Regel sind Tankwahlschalter so ausgelegt, dass der Schalter in der „Auf“-Stellung nach vorne zeigt. Dagegen ist die „Zu“-Position meist nach hinten, also gegen die Flugrichtung, zu rasten. Teilweise, wie im Fall der Robin, sind die Schalter aber auch optisch, das heißt in Richtung des jeweils im Betrieb befindlichen Tanks zu schalten. Der Rumpftank der Robin liegt aber hinter dem Cockpit, die „Zu“-Position muss nach dieser Systematik also in Flugrichtung zeigen, die Flächentanks sind seitlich zu rasten.

Die unübliche Schaltersystematik der Robin dürfte den Fehlgriff des Piloten wesentlich begünstigt haben

Außerdem bleibt zugunsten des Piloten festzustellen, dass die „Zu“-Stellung in großen Buchstaben mit „Benzin“ beschriftet ist. Das Wort „Zu“ oberhalb dieses Schriftzuges ist deutlich kleiner dargestellt, daher schlechter lesbar und teilweise durch den Tankwahlschalter verdeckt. Dem Piloten wird dadurch auf den ersten Blick suggeriert, auf dieser Schalterposition sei Treibstoff verfug̈bar, was gerade nicht der Fall ist. Schon durch einfache Hilfsmittel wie farbliches Abheben der „Off“-Position wären die Schalterstellungen deutlich besser voneinander zu unterscheiden.

Die beschriebenen Umstände in Verbindung mit der geringen Erfahrung des Piloten auf der Robin sind nach Einschätzung der Experten die wesentlichen Ursachen für dessen falsche Bedienung des Treibstoffsystems. Zudem war er bis zu dem Unfall hauptsächlich auf den Typen SF 25 Falke und DV-20 Katana geflogen. Beide Muster haben nur einen einzigen Tank im Rumpf, der mit einem Brandhahn geschlossen beziehungsweise geöffnet wird. Für die offene Stellung wird der Schalter jeweils nach vorne, in Flugrichtung gerastet. Kurios und zugleich bemerkenswert bei dem Unglücksflug aber ist die Tatsache, dass der Pilot und seine drei Passagiere trotz der offensichtlich enormen Stress-Situation nach dem Motorausfall ein anspruchsvolles Notlandemanöver überlebten: Immerhin hatte der Tiefdecker im Gleitflug kurz vor dem Aufsetzen sogar noch eine zwölf Meter hohe Stromleitung unterflogen.

Sicherheitsempfehlung

In den Bauvorschriften sollten umfassende und einheitliche Regelungen über Stellungen von Brandhähnen und Tankwahlschaltern sowie gegebenenfalls über deren bauliche Trennung aufgenommen werden. Außerdem wird empfohlen, eine Regelung zu entwickeln, die eine unbeabsichtigte Rastung der „OFF“-Stellung verhindert. Einheitliche farbliche Kennzeichnung der Bedienelemente sowie möglicher Schaltstellungen sollten ergänzt werden. Darüber hinaus wird empfohlen, im Rahmen von Einweisungs- und Überprüfungsflügen auch Systemkenntnisse und die Funktionsweise von Bedienelementen des verwendeten Musters zu prüfen.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 2/2008

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