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Absturz im Landeanflug: Ohne Medical im Cockpit der Eurofox
Wer in die Luft will, sollte fit sein – doch nicht alle Piloten halten die regelmäßige Tauglichkeitsuntersuchung für sinnvoll. Dennoch können medizinische Probleme zu Unfällen führen
Die regelmäßig wiederkehrende Prozedur beim Fliegerarzt ist manchem Piloten lästig. Jeder Pkw-Fahrer darf schließlich mit 200 Sachen oder mehr über die Autobahn fegen, ohne dass jemand auch nur auf die Idee käme, nach seinem Belastungs-EKG zu fragen. Dagegen müssen sogar UL-Flieger immer ein fliegerärztliches Tauglichkeitszeugnis bei sich haben – selbst wenn sie nur in einem „Luftmoped“ fernab der Großstädte zwischen einsam gelegenen Flugplätzen hin- und herschaukeln. Dass medizinische Probleme aber durchaus ernst zu nehmen sind, zeigt ein Unfall im baden-württembergischen Tannheim – ein Ort, der eigentlich für große, unbeschwerte Fliegerfeste bekannt ist.
Es ist der Nachmittag des 29. Mai 2011, an dem ein UL vom Typ Eurofox Richtung Piste 27 rollt. Der Pilot hat bereits mehrere Platzrunden mit seinem Fluglehrer gedreht und will nun allein starten. In der fünften Soloplatzrunde meldet der Eurofox routinemäßig den Queranflug, dann kurvt er in den Endanflug ein. Obwohl der Hochdecker zu diesem Zeitpunkt das einzige Luftfahrzeug in der Platzrunde ist, dreht der Pilot kurz vor der Landung plötzlich in eine Rechtskurve. Nach zwei Vollkreisen in etwa 30 bis 50 Metern über dem Boden kippt die Maschine ohne erkennbaren Grund ab und kracht fast senkrecht in ein Feld nahe der Schwelle. Der Rumpf des Zweisitzers bleibt dabei im Boden stecken und wird stark gestaucht. Antrieb und Kabine sind kaum noch als das zu erkennen, was sie einmal waren. Der 66-jährige Pilot ist sofort tot.
Aeropro Eurofox: Abkippen ohne erkennbaren Grund
Für die Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) ist es einer dieser Fälle, bei denen viele Fragen offen bleiben, was zu Spekulationen anregt – an denen man sich tunlichst nicht beteiligt. Die Untersuchung, so der BFU-Bericht, habe keine Anzeichen für technische Mängel ergeben. Sollten jemals Hinweise etwa auf einen defekten Motor existiert haben, so sind sie durch den enormen Zerstörungsgrad am Triebwerk und im vorderen Teil der Maschine vollständig vernichtet worden.
Auch die Untersuchung des hinteren Rumpfsegments und des Hecks mit Seiten- und Höhenruder, die weitgehend intakt geblieben sind, ergibt keinen Hinweis auf ein technisches Versagen beispielsweise der Steuerflächen. Warum aber drehte der Pilot ohne ersichtlichen Grund wenige Sekunden vor der sicher scheinenden Landung zwei Vollkreise und stürzte dann senkrecht dem Boden entgegen? Hatte er wegen eines medizinischen Notfalls die Kontrolle verloren?
Der Flugzeug ist zerstört – alle Spuren sind vernichtet
Ein auffälliger Befund an der Leiche des Piloten nährt zunächst solche Vermutungen: Die chemisch-toxikologischen Untersuchung bei der Obduktion ergibt eine CO-Hämoglobinkonzentration von 15 Prozent – eine beginnende Kohlenmonoxidvergiftung, möglicherweise hervorgerufen durch giftige Abgase aus dem Motorraum. Zwar ist diese Menge nicht ausreichend, um den Piloten vollständig außer Gefecht zu setzen; erste Anzeichen einer Vergiftung dürften aber bereits zu spüren gewesen sein. Bei einer Konzentration von 50 Prozent führt die Vergiftung zum Atemstillstand. Bei einer Beeinträchtigung der Lungenfunktion oder des Herz-Kreislaufsystems hätte aber vermutlich schon eine geringere CO-Konzentration im Blut genügt, um einen medizinischen Notfall auszulösen. Tatsächlich ist das Einströmen von Kohlenmonoxid durch die Heizungsklappe bei vielen Flugmotoren eine Gefahr, da die Außenluft durch einen Wärmetauscher am Auspuff erhitzt wird. Wird der Auspuff undicht, kann Abgas in die Kabine dringen.
Die Unfallmaschine hatte einen Austauschmotor mit 234 Stunden Betriebszeit. Ob dessen Auspuff aber wirklich defekt oder fehlerhaft montiert war und ob dadurch tatsächlich Kohlenmonoxid ins Cockpit eingedrungen war – all das bleibt wegen der starken Zerstörung nach dem Absturz offen. Bei der BFU jedoch will man sich an die Fakten halten, und die liefern für ein solches Szenario keine eindeutigen Hinweise. Genauso offen bleibt damit auch die Frage, wie sich der Verstorbene die CO-Vergiftung eigentlich zugezogen hat.
Pilot der Eurofox: kein gültiges Tauglichkeitszeugnis
Ob es wirklich beim Flug im UL passiert ist? Oder bereits vorher und in einem ganz anderen Zusammenhang? Für einen medizinischen Notfall finden sich jedenfalls nicht nur bei der Obduktion der Leiche Indizien: Offenbar hatte der 66-Jährige mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, denn bereits zwei Jahre vor dem Unfall, am 3. Juli 2009, entzog ihm ein Fliegerarzt das Tauglichkeitszeugnis Klasse 2.
Es war erst wenige Wochen vorher, am 20. Mai 2009, ausgestellt worden. Und ein halbes Jahr zuvor, im November 2008, hatte eine andere Untersuchungsstelle dem Piloten die Ausstellung eines Tauglichkeitszeugnisses gleich nach der Untersuchung verweigert. Demnach waren zwei Ärzte unabhängig voneinander bei dem Patienten zu einem auffälligen Befund gekommen – ab da hätten für ihn jegliche fliegerischen Aktivitäten tabu sein müssen. An jenem 29. Mai riskierte er das Spiel mit seinem Leben trotzdem – und verlor. Es war vermutlich der einzige Tag, an dem der Pilot ohne gültiges Tauglichkeitszeugnis in die Luft gegangen war. Den letzten dokumentierten Flug davor hatte er am 13. Juni 2009 unternommen. Nur wenige Wochen später wurde ihm gesundheitsbedingt auch seine Lizenz als Luftsportgeräteführer entzogen.
Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 1/2012
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