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Absturz im Gebirge: Piper PA-28 beim Alpen-Sightseeing
Hohe Außentemperaturen, große Zuladung, ansteigendes Gelände und Abwindfelder – da klingeln bei erfahrenen Gebirgspiloten alle Alarmglocken. Wer dann noch die Mindestfahrt unterschreitet, braucht gleich mehrere Schutzengel – im Fall eines jungen PA-28-Piloten für sich selbst und für seine drei Passagiere
Die Heimatstadt aus der Vogelperspektive sehen, Freunden ihr Zuhause von oben zeigen oder über einem besonders schönen Ort ein paar Kreise ziehen – schon dafür lohnt es sich, fliegen zu lernen. Gerade in solchen Momenten ist aber auch die Gefahr für den Piloten groß, sich ablenken zu lassen, den Blick auf Fahrtmesser und Libelle zu vernachlässigen. Beim Sichtflug sind die Augen zwar nicht ständig auf die Bordinstrumente fixiert und sollen es ja auch nicht sein, schließlich steht dem Verkehr in der Platzrunde und der Navigation ein guter Teil der Aufmerksamkeit zu. Gefährlich wird es aber dann, wenn die Konzentration zur falschen Zeit bei der falschen Sache ist. Der Pilot einer Piper PA-28 brachte sich und seine drei Passagiere vermutlich dadurch in eine buchstäblich ausweglose Situation.
Am 7. September 2004 will der 26-Jährige von Friedrichshafen aus in Richtung Österreich aufbrechen. Zu dem Rundflug hat er drei Freunde eingeladen. In seinem fliegerischen Umfeld gilt der junge Pilot als sehr sorgfältig und gewissenhaft. Die PPL-A-Ausbildung absolvierte er im Jahr 2001. Insgesamt hat er in den drei Jahren nach Erwerb der Lizenz erst rund 25 Flugstunden als PIC gesammelt, auf der Piper sind 21 Stunden in seinem Flughandbuch eingetragen. Trotz seiner geringen Erfahrung findet sich in seinen Unterlagen aber die Bestätigung für eine Alpeneinweisung. Die ist in Deutschland nicht verpflichtend – ein weiterer Beleg für durchaus vorausschauendes und verantwortungsbewusstes Verhalten.
Am 7. September 2004 will der 26-Jährige von Friedrichshafen aus in Richtung Österreich aufbrechen
Bei besten Sichtflugbedingungen und 24 Grad Celsius startet die Piper um 17.07 Uhr von Friedrichshafen. Der Flug entlang dem Bodenseeufer verläuft zunächst unspektakulär. Anhand von Zeugenaussagen, Radardaten und Erhebungen der Gendarmerie sowie der österreichischen Flugunfalluntersucher ist der Flugverlauf später gut rekonstruierbar. Die Piper passiert im Steigflug die Insel Lindau und kurvt dann um das östliche Ufer des Sees vorbei an Bregenz in Richtung Süden. Bei Dornbirn geht der Tiefdecker – immer noch im Steigflug – auf Ostkurs. In den Bergen des Bregenzer Waldes, unweit von Bezau, erreicht die Maschine schließlich ihre größte Höhe von etwa 7100 Fuß MSL.
Hier will der Pilot seinen Fluggästen eine von Freunden bewohnte Hütte zeigen – und macht einen folgenschweren Fehler: Er nimmt Fahrt auf und bringt die Piper in einen Sinkflug – vermutlich, um seinen Passagieren einen besseren Blick auf das kleine Haus in den Bergen zu bieten. Um 17.32 Uhr fliegt die Einmot nur noch in 5200 Fuß Höhe. Erst jetzt leitet der Pilot wieder einen Steigflug ein – über ansteigendem Gelände. Kurze Zeit später wird der Viersitzer zum letzten Mal vom Radar erfasst: in 5800 Fuß MSL bei einer Geschwindigkeit von 70 Knoten. Von dieser Position aus versucht der Pilot, in einer Linkskurve das vor ihm liegende Hindernis, die 6300 Fuß hoch gelegene Neuhornbachalpe, zu überfliegen. Ein anderer Ausweg aus dem Tal ist nicht in Sicht.
Ein folgenschwerer Fehler: Der Pilot nimmt Fahrt auf und bringt die Piper in einen Sinkflug
Nicht nur die dünne Höhenluft, auch leichte Abwindfelder bremsen den Steigflug. Im Folgenden verliert die Maschine weiter an Fahrt und gerät in einen überzogenen Flugzustand. Aus niedriger Höhe über Grund sürzt der Tiefdecker schließlich in den Berghang. Einer der drei Passagiere wird durch die Wucht des Aufschlags getötet. Die zwei anderen sowie der Pilot überleben schwerverletzt, können sich jedoch gegenseitig aus dem Wrack befreien. Trotz der beginnenden Dämmerung treffen die ersten Helfer sehr schnell an der Unfallstelle ein. Bei der Kollision mit dem Hang hat sich der Rumpf auf die rechte Seite gedreht. Das Kabinendach ist zum Teil vom Rest des Wracks abgetrennt, die Mittelstrebe der Frontscheibe geborsten. Die Wucht des Aufschlags zeigt sich aber auch einige Meter vom Wrack entfernt: Teile des Tragflächenrandbogens haben sich bis zu zehn Zentimeter in den Boden eingegraben.
Die Experten der österreichischen Flugunfall-Untersuchungsbehörde können keinen Hinweis auf einen technischen Defekt am Wrack feststellen. Auch eine zu hohe Abflugmasse, verursacht durch die drei Passagiere, ist nach den Ergebnissen ihres Berichts auszuschließen. Zwar ergibt sich bei den Ermittlungen, dass die aktuelle Leermasse in dem vorgelegten Flug- und Betriebshandbuch nicht korrekt eingetragen und zirka 20 Kilogramm höher war als in den Unterlagen angegeben. Das tatsächliche Gesamtgewicht lag zum Zeitpunkt des Unfalls aber immer noch 30 Kilogramm unter der höchstzulässigen maximalen Abflugmasse.
Fataler Fehler: der Abstieg aus sicherer Höhe unter die umgebenden Berggipfel
Auch die Schwerpunktlage schließen die Experten als Unfallursache aus: Sie lag ebenfalls innerhalb der zulässigen Grenzen. Als Hauptursache für den Absturz befinden die Ermittler schlicht die mangelnde Erfahrung des Piloten bei Flügen im Hochgebirge. Trotz einer Alpeneinweisung wurde ihm und seinen Passagieren offenbar die Wahl des Flugwegs und der Flughöhe zum Verhängnis: Das Überfliegen der Neuhornbachalpe war für die vollbesetzte Piper aus dem Tal heraus nicht zu schaffen, in der Folge unterschritt der Pilot im Steigflug die Mindestfahrt. Dem vorausgegangen war der eigentliche, fatale Fehler: der Abstieg aus sicherer Höhe unter die umgebenden Berggipfel – ohne Not, anscheinend einzig zu dem Zweck, eine bessere Sightseeing-Perspektive für die Passagiere einzunehmen. Zusätzlich negativ ausgewirkt haben sich nach dem Bericht der Unfallermittler die hohen Temperaturen und die damit verbundene geringe Luftdichte, durch die die Motorleistung deutlich reduziert war. Leichte Abwindfelder sorgten außerdem für erschwerte Bedingungen während des Steigflugs.
Fast hätte die Überlebenden des Unglücks durch eine Schlamperei in der Flugzeugwerkstatt ein noch schlimmeres Schicksal getroffen: Vermutlich bei Instandhaltungsarbeiten an der Piper hatte jemand den Notsender von „Armed“ in die „Off-Position“ geschaltet, eine Ortung der Unglücksmaschine per ELT wäre also nicht möglich gewesen. Aus purem Zufall hielt sich eine Rettungsmannschaft in unmittelbarer Nähe zur Unfallstelle auf, ein Hubschrauberpilot hatte die genaue Absturzstelle dann aus der Luft schnell ausgemacht. Die Helfer waren durch diesen glücklichen Umstand schon nach wenigen Minuten am Wrack und konnten die Opfer rasch versorgen. Andernfalls hätte die Suche vielleicht Tage gedauert – für die Schwerverletzten wohl kaum zu überleben.
Sicherheitsempfehlung
Die österreichische Flugunfall-Untersuchensbehörde empfiehlt allen Wartungsbetrieben, ein neues Verfahren im Umgang mit dem ELT zu entwickeln. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Flugzeuge, deren Notsender während der Instandhaltungsarbeiten aus technischen Gründen abgeschaltet sind, nicht mit deaktiviertem ELT wieder in Betrieb genommen werden können.
fliegermagazin 1/2008
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