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Absturz bei einer Notfallübung: Unfall des Oldtimers Wilga 35
Zusammen mit einem erfahrenen Begleiter übt ein Berufspilot einen simulierten Motorausfall in geringer Höhe. Der polnische Oldtimer Wilga 35 ist dafür aber denkbar schlecht geeignet
Vereine verlangen für Piloten mit mangelnder Flugerfahrung häufig den Einsatz eines intern so genannten Sicherheitspiloten. Leider ist aber meist nicht klar definiert, welche Qualifikationen ein solcher Begleiter haben muss und welche Kompetenzen und Verantwortung er bei einem Trainingsflug hat.
Ein Sicherheitstraining dieser Art hat der Pilot einer PLZ-104 Wilga am 10. April 2009 auf dem Sonderlandeplatz Schmoldow in Mecklenburg-Vorpommern geplant. Der 52-Jährige ist ein erfahrener Berufspilot mit über 2500 Flugstunden auf verschiedenen Mustern. Unter anderem hat er auch den Luftfahrerschein für Segelflugzeuge. Er ist beruflich in verantwortlicher Position mit Aspekten der Flugsicherheit betraut. Mit an Bord ist an diesem Frühlingstag ein 45-jähriger Begleitpilot, der viel Erfahrung mit dem polnischen Oldtimer hat. Darüber hinaus ist er Segelfluglehrer; die Lehrlizenz für Motorflugzeuge besitzt er jedoch nicht.
Oldtimer vom Typ PLZ-104 Wilga 35 in Schmoldow
Um 10.54 Uhr hebt die Wilga von der 900 Meter langen Graspiste in Schmoldow ab. Sechsmal steigen die beiden Piloten in den folgenden 45 Minuten auf eine Höhe von etwa 2000 Fuß, um einen simulierten Triebwerksausfall zu üben. Um 11.43 Uhr treffen sie dann eine fatale Entscheidung. Über Funk meldet der Pilot nach der sechsten Landung „Startbereit, Notfallübung.“ Ein anderer Zeuge erinnert sich an eine ähnliche Meldung: „Abflugbereit, Training, Übung, Notverfahren.“
Kurz nach dem Abheben zieht einer der Piloten den Gashebel zurück, die Drehzahl fällt deutlich hörbar ab. Offenbar wird kurz darauf das Steuer rasch und stark nach vorn gedrückt, denn der Hochdecker kippt nach vorne ab und geht in einen steilen Sinkflug. Doch der Pilot und auch sein Sicherheitstrainer können die Maschine nicht mehr rechtzeitig abfangen: Mit einer großen Längsneigung kracht das Fahrwerk zunächst auf den Boden, das Flugzeug springt wieder in die Luft. Etwa 43 Meter weiter fällt die Wilga ein zweites Mal auf den Boden, wobei jetzt auch der Propeller den Grund berührt. Dann springt sie nochmals 18 Meter weiter, um sich beim letzten Aufprall zu überschlagen und in Rückenlage zum Stillstand zu kommen.
Wilga 35 in geringer Höhe: die Notfallübung misslingt
Erste Helfer sind rasch an der Unfallstelle, doch ihnen fehlt das geeignete Gerät, um die Verunglückten sofort zu bergen. Erst der Rettungsmannschaft der Freiwilligen Feuerwehr Bandelin, die nach zehn Minuten eintrifft, gelingt es, die Insassen aus der zerstörten Kabine zu holen. Der Begleitpilot überlebt den Crash schwer verletzt nur fünf Tage, der Pilot verstirbt an der Unfallstelle. Die Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) stoßen auf Ungereimtheiten in Bezug auf das im Aircraft Flight Manual (AFM) des Herstellers beschriebene Notverfahren bei Motorausfall.
So teilte PZL den Untersuchern der BFU auf Anfrage mit, dass beim Üben eines Motorausfalls in einer Höhe von unter 100 Metern „mit der Zerstörung des Flugzeugs“ zu rechnen und dies ähnlich einer Kunstflugübung verboten sei. Doch dieser Hinweis fehlt sowohl im AFM als auch im deutschen Flughandbuch, das die Ermittler im Wrack der Wilga finden (und das zudem inhaltlich nicht dem im Kennblatt angegebenen AFM entspricht).
Das beschriebene Verfahren bei einem Motorausfall in der Startphase enthält übliche Punkte („… bis zur Flughöhe 100 m geradeaus landen …“), doch gibt es keine Angaben zu Besonderheiten des Hochdeckers, welche dieser, wie spätere Tests zeigen werden, durchaus hat. Zwei Szenarien halten die BFU-Experten beim Absturz der Maschine für möglich: Der Pilot leitete das Abfangmanöver bei einer geringen Fluggeschwindigkeit zu früh und zu stark ein, es kam zum Strömungsabriss, der den Absturz verursachte. Als wahrscheinlicher bewerten die Ermittler aber die Variante, bei der einer der Piloten schon vorher, also kurz nach dem Drosseln der Triebwerksleistung, den Steuerknüppel zu stark nach vorn drückte.
Falsche Handhabung: Strömungsabriss beim Motorausfall in der Startphase
Insgesamt 16 Tests der BFU zum Verhalten der Wilga nach einem Motorausfall ergeben, dass der Spielraum für ein erfolgreiches Abfangen ohne zu großen Höhenverlust extrem gering ist. Bereits bei etwas zu starkem Nachdrücken waren Höhenverluste von bis zu 115 Metern festzustellen. Im günstigsten Fall wurden 24 Meter gemessen, im Durchschnitt 40. In geringer Höhe, so die Experten, könne ein simulierter Triebwerksausfall daher nicht sicher durchgeführt werden – was sich mit den Angaben des Herstellers deckt.
Die Rolle eines „Sicherheitspiloten“ – faktisch ein Begleitpilot, denn der Begriff ist gesetzlich anders definiert – sieht die BFU problematisch. So sei der Gedanke prinzipiell richtig, dass ein Pilot mit Defiziten in der Flugerfahrung einen weiteren Piloten als Begleiter mitnähme. Doch oft seien die nötigen Qualifikationen des Begleiters oder schlicht die Aufgabenverteilung im Cockpit nicht ausreichend definiert, anders als bei einem Übungsflug mit Fluglehrer.
Nicht klären konnten die Ermittler die Frage, wer die fatale Übung letzten Endes geplant und ausgeführt hat. Klar scheint nur, dass auch der Wilga-erfahrene Begleiter keinen Sicherheitsgewinn gebracht hat. Theoretisch hätten die Piloten den Unfall sogar überleben können, hätte man sie nur schneller aus dem Wrack befreien können. Doch ist den Rettern kein Vorwurf zu machen, denn sie taten alles in ihrer Macht stehende. Möglicherweise hätten Schultergurte das Schlimmste verhindert – diese waren in der Wilga nicht vorgeschrieben; die vorhandenen Beckengurte boten den Insassen jedenfalls zu wenig Rückhalt.
Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 5/2016
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