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Ultraleicht in die Türkei: Ziel Istanbul

Mit dem Jet in drei Stunden in die Türkei? Langweilig! Sechs UL-Piloten aus Rheinland-Pfalz und Luxemburg schafften die 5400-Kilometer-Strecke von Worms bis 
zur türkischen Hauptstadt und zurück in 43 Stunden

Von Redaktion

Kurz vor der türkischen Metropole wird es richtig eng. Bevor die beiden C42 und die CT im griechischen Kavala starten, hat die Wetterberatung für die Strecke bis Istanbul durchaus gut geklungen: Steigen auf 8000 Fuß bis zur Hauptwolkenuntergrenze kein Problem. Doch die Bewölkung zwingt die Piloten rasch wieder auf 6000 Fuß. „Dann begann es sogar zu schneien. Schlechter hätte sich das Wetter in der kurzen Zeit kaum entwickeln können“, erinnert sich Addi Traub, der zusammen mit Jan Harlfinger eine der C42 steuerte. Die UL-Piloten sehen noch knapp zwei Kilometer weit: „Stufenweise sind wir auf die Sicherheitsmindesthöhe von 500 Fuß gesunken. Auch der geplanten Route konnten wir nicht mehr folgen und wichen auf Täler aus“, erzählt Heiko Johé, der mit dem Luxemburger Gilbert Schildermans in der zweiten C42 saß. „Da fragt man sich schon, ob es nicht Wahnsinn ist, mit Ultraleichtflugzeugen von Worms nach Istanbul zu reisen.“

Abflugbereit: Aus Trier, Luxemburg und Freiburg sind die Piloten nach Worms gekommen, um von hier mit zwei C42 und einer CT gemeinsam loszufliegen (Foto: Bernhard Heller)

Bernhard Heller und Gerd Mayländer an Bord der CT empfinden ähnlich. Doch die drei Crews erreichen die Küste des Marmarameers – und werden mit einem weiteren Problem konfrontiert: Wegen der niedrigen Höhe ist die Funkverbindung schlecht. Sollen die Piloten wirklich auf dem Istanbuler Großflughafen Atatürk landen? „Eine brenzlige Situation, denn Umkehren nach Griechenland wäre ebenfalls riskant gewesen“, so Hans-Adolf „Addi“ Traub. Doch nach zehn Minuten ist der Funkkontakt in gewohnter Qualität wieder da. Zur Landung auf Atatürk, einem der größten Flughäfen in Europa, bekommen sie zunächst die Landebahn 05 zugewiesen.

Doch dann geht es zur „35L“. Gleichzeitig wundert sich im Cockpit eines Airbus der Pilot über die drei fliegenden Winzlinge. Ob es denn legal sei, dass sich diese ULs über der Piste befinden, fragt er. Doch der Lotse bleibt cool: „Yes, it’s legal. It’s a VFR flight.“ Bei strömendem Regen setzen die drei Maschinen auf und parken ganz in der Nähe der Boeing- und Airbus-Jets. Stolz machen es sich die Sechs erst einmal in der VIP-Lounge bequem und informieren ihre Partnerinnen über die gelungene Ankunft.

Ein Airbus-Pilot fragt, ob es legal sei, dass sich unsere ULs über der Piste befinden

Drei Tage waren seit ihrem Start in Worms vergangen. Begonnen hatte alles routinemäßig: Während Addi Traub – der Organisator des Trips – knapp zwei Stunden vor Beginn der Reise letzte Vorbereitungen traf, landeten Bernhard Heller und Gilbert Schildermans aus Trier kommend in der Nibelungenstadt. Wenig später trafen Gerd Mayländer und Jan Harlfinger ein. Gilbert Schildermans warnte: „Über Luxemburg hängen dicke Wolken. Geregnet hat es auch schon.“ Schnell näherte sich die Schlechtwetterfront. Die Piloten diskutierten eine alternative Route: Die ursprüngliche über Italien und Griechenland war angesichts der Front nicht mehr realistisch. Es blieb nur, dem schlechten Wetter nach Osten davonzufliegen – über Österreich, Ungarn, Serbien, Bulgarien und Griechenland in die Türkei.

Rückreise-Impression: Alpenpassage über das Aosta Tal, vorbei am Mont Blanc
(Foto: Bernhard Heller)

Kurz vor 12 Uhr startete das Flying Sextett, knapp eine halbe Stunde vor den ersten kräftigen Schauern über Worms. An Bord hätte die Stimmung nicht besser sein können: „Wir flogen der Sonne entgegen, wollten es am ersten Tag mindestens bis in den Großraum Wien schaffen, vielleicht sogar bis Ungarn. Wegen der Planung der alternativen Route waren wir allerdings mit erheblicher Verspätung gestartet“, so Addi Traub über die ersten Stunden des Orientflugs. Nach 296 Nautischen Meilen landen die Piloten bei herrlichem Wetter in Vilshofen. Doch bis Sunset muss die Crew noch einmal eine ähnlich weite Strecke zurücklegen: Auftanken, ein kurzer Imbiss – schon starten die UL-Flieger wieder gen Südosten. Sie steigen auf 8500 Fuß, überqueren Linz und fliegen westlich am Neusiedlersee vorbei mit Kurs auf Ungarn. „Wir wollten am Plattensee die erste Nacht verbringen. Also funkten wir zwei kleinere Flugplätze an, bekamen jedoch keine Antwort. So entschieden wir uns für einen privaten Graslandeplatz in der Nähe des ungarischen Städtchens Siofok.“

Der zweite Tag beginnt mit einem fliegerischen Hüpfer von Siofok in die Grenzstadt Szeged, wo die Zollformalitäten erledigt werden, denn die nächste Station ist Nis in Serbien, etwa 250 Kilometer südöstlich von Belgrad – außerhalb der Europäischen Union. Nach drei Stunden Aufenthalt startet der lose Verbund und erreicht kurz vor 18 Uhr Ortszeit den Flughafen „Konstantin der Große“, der während des Balkankriegs traurige Berühmtheit erlangte: Der früher militärisch genutzte Airport stand mehrfach im Fadenkreuz der NATO-Luftangriffe.

Kurs Heimat: Eine der beiden C42 auf dem Rückweg in 500 Fuß über Italien
(Foto: Bernhard Heller)

Über Nacht verschlechtert sich das Wetter erheblich. Wieder denken die Piloten über Alternativen nach, doch bald steht fest: Der Flug soll wie geplant über Bulgarien gehen. Ziel ist die nordgriechische Hafenstadt Kavala. „Wir blickten in die Schluchten des Balkans, eine wirklich bizarre, atemberaubende Landschaft. Nach 242 Nautischen Meilen erreichten wir den Platz. Dort hatten wir mit starken Böen zu kämpfen und landeten mit einer Seitenwindkomponente von 22 Knoten“, blickt Addi Traub zurück. Weiter geht es von Kavala nach Istanbul. In der 15-Millionen-Metropole gönnt sich die Crew trotz des schlechten Wetters einen dreitägigen Aufenthalt. Auf dem Programm stehen Blaue Moschee, Hagia Sophia, Topkapi-Palast, Großer Basar und natürlich die pittoresken Prinzeninseln. Höhepunkt des dreitägigen Aufenthalts am Bosporus: ein Empfang im deutschen Generalkonsulat.

Die Kleinflugzeuge erreichen die Küste des Marmarameers – und werden mit einem weiteren Problem konfrontiert

Am Tag darauf verabschiedet die Stadt die Flieger, wie sie sie empfangen hat – mit starkem Regen. Ziel ist wieder Kavala, wo die Crews eine eintägige Zwangspause einlegen müssen: „Wieder lag eine dunkle Wolkendecke über der Stadt, an Starten war nicht zu denken. Immerhin sagten die Kollegen am Flughafen, dass Wetterbesserung in Sicht sei“, berichtet Addi Traub. Und wirklich: Am nächsten Tag strahlt Kavala, die auch die „blaue Stadt Makedoniens“ genannt wird, in der Morgensonne. Gegen acht Uhr geht es los, die ULs steigen auf 11 400 Fuß und überqueren den Olymp. „Wir flogen hoch und ziemlich schnell. Dank Rückenwind hatten wir eine Groundspeed von 200 Kilometern pro Stunde“, erinnert sich Heiko Johé.

Der Weg führt über die griechische Westküste und die Insel Korfu hinaus aufs offene Meer. Nach etwa 80 Kilometern erreicht die Gruppe den privaten Flugplatz des Landguts Supersano Macri, nahe des italienischen Städtchens Maglie in der Provinz Lecce. Die Piloten müssen erneut mit heftigem Seitenwind kämpfen. Nach vier Stunden und 20 Minuten Flugzeit sorgen der Besitzer des Flugplatzes, Manuel Meleleo, und seine Familie für eine Stärkung. Am Nachmittag geht es weiter, nach einem mehrstündigen und bei starkem Gegenwind recht bockigen Flug landen die Sechs kurz vor Sunset auf dem Flugplatz von Celano in den Abruzzen.

Sextett vor der Hagia Sofia: von links Jan Harlfinger, Gerd Mayländer, Addi Traub, Gilbert Schildermanns, Heiko Johé und Bernhard Heller (Foto: Bernhard Heller)

Auch für den nächsten Tag haben sich die Piloten viel vorgenommen – sie wollen den Heimatplatz erreichen. Als sich am nächsten Morgen die meisten der rund 11 000 Einwohner noch den Schlaf aus den Augen reiben, sind die Orientflieger schon wieder in der Luft. Die Reise führt über die Toskana und die Marmorberge von Carrara zunächst zum Flugplatz in Castelnuovo Don Bosco in Piemont, wo Mogas getankt wird. Von dort führt die Route über das Aosta-Tal und die Montblanc-Region Richtung Besançon, dann nach Mulhouse. Klar ist: Worms können sie nicht mehr erreichen, also Landung in Freiburg. Am nächsten Tag dann nur noch ein Katzensprung: Um 10.25 Uhr findet das Abenteuer ein glückliches Ende.

Flug über Ungarn in die Türkei: Tipps und Infos

Planung: Aktuelle Karten besorgen! Ist das in Deutschland schwierig, vor Ort an Flughäfen nachfragen. Für Ungarn gibt es Flugplatz-Infos unter www.hungaryairport.hu sowie den Pilotenführer Ungarn von Helmut Stern (www.up2sky.org), die AIP Italien unter http://www.enav.it/portal/page/portal/PortaleENAV/Home_EN/AIP_EN. An den Zollflughäfen im Voraus mit den Abfertigungsfirmen alles Notwendige genau durchsprechen. Alle Original-Flugzeugpapiere mitnehmen. Ein ELT ist ein Muss. Genug Pausen machen, bis zur nächsten Zwischenlandung maximal 270 Nautische Meilen einplanen.

Gruppenfliegen: Die ULs sollten auf ähnlichem Leistungsniveau sein. Will man in der Gruppe zusammen-bleiben, ist ein gründliches Briefing (etwa über die Reihenfolge der Maschinen bei Start und Landung) Pflicht.


Buch zum Flug: Ausführlicher berichten Michael Brückner und Hans-Adolf Traub im Buch „Ultraleichtflug an den Bosporus“ über die UL-Reise. 150 Seiten, ab Mitte Juli in (Internet-)Buchhandlungen für 13,90 Euro, ProBusiness-Verlag, ISBN 978-3-86805-911-3

Text: Michael Brückner, Fotos: Bernhard Heller, fliegermagazin, 7/2011

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