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UL-Reise nach Mali: Sternstunden über Afrika mit Flight Design CTSW
Nach Timbuktu mit dem Ultraleichtflugzeug – das ist der Stoff, aus dem Träume gemacht sind. Eine Freiburger Crew hat das Abenteuer gewagt
Alles beginnt mit einer SMS an meine Copilotin: „Liebe Buggi! Nach Timbuktu 5600 km one way, flight plan steht, brauchen 4 Wochen Zeit, gute Kondition, Badehose, Sonnencreme und gute Stimmung! LG Michel“. Der verwegene Plan: mit dem Ultraleichtflugzeug in die Hauptstadt von Mali fliegen. Zehn Monate später stehen wir, Buggi (Constanze) und ich, in Freiburg am Flugplatz vor unserem bewährten Plastikflieger, einer CTSW von Flight Design – Spitzname Playmo. Vier Wochen Urlaub mit und in dem UL liegen vor uns. Das heißt konkret: sparsam packen und auf überflüssigen Luxus verzichten. Unsere Prioritätenliste: zehn Kilo Werkzeug und Ersatzteile (Schläuche, Filter, Dichtungen), zwei Kilo Notrationen (Studentenfutter, Trinkwasser), sechs Kilo Kleidung. Dazu die wichtigsten Navigations- und Kommunikationshilfen: ein Flymap XL mit Autokarten für Afrika und das Garmin 496, als Reserve ein Garmin 196.
Besonders wichtig: ein Satellitentelefon, das auch in der Sahara funktionieren sollte. Als allerletzte Versicherung nehmen wir unseren Schutzheiligen Christophorus mit. Für unser Abenteuer gibt es so gut wie keine Ratgeber im Buchladen. Die Planung hat deshalb etwas von Pionierarbeit. Als Reisezeit wählen wir Oktober und November, nach der Regenzeit, aber noch bevor die berüchtigten Sandstürme wüten. Das Kartenmaterial – Operational Navigation Charts (ONC) – ist schnell besorgt, lediglich bei den Pflichtmeldepunkten für Marokko gibt es Schwierigkeiten. Wir bekommen sie von einem Fliegerkollegen auf der Reise. Die Überfluggenehmigungen für Mauretanien und Mali arrangiert der Flight Service International (FSI) in Baden-Baden. Buggi, begeisterte Mitfliegerin ohne UL-Lizenz, besteht eine Woche vor Abflug noch das BZF I. Jetzt sind wir gut gerüstet.
Mit Flight Design CTSW: Nach Timbuktu 5600 km one way
Endlich liegt die Freiburger Piste unter und das Abenteuer Afrika vor uns. On top fliegen wir erstmal durchs Rhônetal und dann weiter, unter niedriger Wolkenbasis entlang der Mittelmeerküste. Wir haben Glück: Das Wetter hält, und wir kommen bis nach Jerez in Andalusien. Playmo trägt uns weiter über die Straße von Gibraltar nach Marokko. Zwei Tage dauern die Verhandlungen mit den Behörden, um die nötigen Überfluggenehmigungen zu bekommen.
Die Gepflogenheiten von Polizei und Militär in diesem Land sind uns danach bestens vertraut: Korruption ist Alltag. Auf der berühmten Postfliegerroute geht’s über Tanger und Tit Mellil immer Richtung Südwesten. Dann queren wir den Hohen Atlas und fliegen über Agadir nach El Ayoun in der Westsahara. Die Vegetation wird von Tag zu Tag spärlicher, eine karge und doch atemberaubend schöne Landschaft breitet sich unter uns aus. Wir sind jetzt acht Tage unterwegs und schicken überflüssigen Ballast per Post nach Hause. Starke Winde sind unsere ständigen Begleiter, Landungen auf unbefestigten Pisten werden zur Routine.
In Mauretanien lassen wir Dakhla und Nouadhibou, die letzten Außenposten der Zivilisation, hinter uns. Bis zum Rückflug nach Marokko ist ab hier kein Flugzeug mehr zu sehen. Auch verlässliche Wettermeldungen sind jetzt nicht mehr zu haben. Die Plätze auf unserer Route liegen 400 bis 600 Kilometer auseinander, Ausweichpisten sind ähnlich rar wie Oasen in der Wüste. Zudem kämpfen wir ständig mit Gegenwind und brauchen deutlich mehr Sprit als geplant. Sintflutartige Niederschläge, die – wie man uns versichert – selbst für die Regenzeit in der Sahara ungewöhnlich sind, verzögern wiederholt den Weiterflug. Auch mit der Verständigung haben wir öfter unsere liebe Not: Man spricht hier fast ausschließlich Französich, wir dagegen nur Schwäbisch, Plattdeutsch und Englisch.
Zudem kämpfen wir ständig mit Gegenwind und brauchen deutlich mehr Sprit als geplant
In Nouadhibou landen wir neben grasenden Eseln bei 25 Knoten Crosswind auf der „02“. Wir springen aus dem Flieger. Mit aller Kraft halten wir die CT fest und schaffen es schließlich, die Halteseile mit schweren Steinen zu fixieren. Es ist heiß und feucht, die Menschen sind wenig hilfsbereit. Jeder will nur Trinkgeld. Wir lassen teures Avgas in unsere Tanks fließen. Lange wollen wir hier nicht bleiben. Unser Plan: entlang der Eisenerzbahnlinie an der Grenze zwischen Westsahara und Mauretanien nach Atar. Die Abwicklung der Formalitäten dauert, Sunset rückt näher, und als wir wieder starten, müssen wir den direkten Weg fernab größerer Ortschaften und jenseits der wenigen Landeplätze nehmen. Ein wunderbarer Flug in der Abendsonne über die Wüste entschädigt uns für die Unannehmlichkeiten. Die Schatten der Berge und Dünen werden länger.
Vereinzelte Nomadenzelte und andere Spuren der Wüstenbewohner sind die einzigen Fixpunkte in der scheinbar endlosen Landschaft aus Sand und Fels. Man sagt, diese karge Schönheit und Weite der Sahara könne das Denken verändern. Bizarre Felsformationen im wechselnden Sonnenlicht ergeben ein überwältigendes Bild. Die Wüste formt unsere Gedanken ohne Zweifel. In Atar finden wir einen Platz für die Nacht bei Cora und Just, einem deutsch-holländischen Paar, das der hektischen europäischen Zivilisation entflohen ist. Die beiden helfen uns auch bei der Planung der nächsten Etappen. Nur über die guten Kontakte der Aussteiger kommen wir an Avgas, allerdings für vier Euro pro Liter und nur im 200-Liter-Fass.
Nur über die guten Kontakte der Aussteiger kommen wir an Avgas, allerdings für vier Euro pro Liter und nur im 200-Liter-Fass
Es wird mit jedem Tag heißer. Flymap und EFIS sind bereits hitzebedingt ausgefallen, die Handhelds sind jetzt unsere wichtigsten Instrumente. Mit randvollen Tanks fliegen wir weiter, Kurs Südost. 30 Knoten blasen von vorn, unter uns Steinwüste ohne Notlandemöglichkeit. Geplant sind 1200 Kilometer bis Mopti in Mali. Ich döse vor mich hin, plötzlich setzt starker Regen ein. Die schlechter werdende Sicht zwingt uns, einen Landeplatz zu suchen. In dieser Gegend scheinbar unmöglich. Aber wir haben unverschämtes Glück: An der einst von den Franzosen gebauten „Route de l’Espoir“ – der Straße der Hoffnung – liegt ein kleines Landefeld. Dort gehen wir runter.
Beim Ausrollen empfangen uns Soldaten mit Maschinenpistolen im Anschlag. Wir steigen aus dem Cockpit, die Waffen sind immer noch auf uns gerichtet. Kommunikation ist unmöglich. Mehrere Stunden warten wir, bis der Militärchef aus den Bergen eintrifft. Er spricht etwas Englisch, im Zusammenspiel mit unseren rudimentären Französischkenntnissen können wir uns ein wenig verständigen. Auf einem Teppich wird uns Pfefferminztee, Cola und Milch gereicht. Man verdächtigt uns des Drogenschmuggels. Bei der folgenden Durchsuchungsaktion an der CT verhindert Buggi im letzten Moment, dass die Männer die Rettungs-Rakete auslösen. Wir dürfen an diesem Tag nicht mehr weiter. Der Polizeichef bringt uns zu unserer Unterkunft. Luxusklasse: minus drei Sterne. Am folgenden Tag wollen Militär- und Polizeichef sowie der Flugplatzvorsteher mehrere hundert Euro für Ihren Service kassieren. Es folgt zähes Feilschen – die Maschinenpistolen stets einsatzbereit. Schließlich schaffen wir es, die Männer mit je zehn Euro zufriedenzustellen.
Kleines Landefeld: Man verdächtigt uns des Drogenschmuggels
Endlich dürfen wir weiterfliegen. Das Wetter bleibt durchwachsen. Zudem raubt uns der Gegenwind kostbaren Sprit. Für Mopti reicht es nicht mehr, wir fliegen nach Segou zu einem Privatplatz. Die Koordinaten haben wir über das Satellitentelefon bekommen. Aber stimmen die auch? Langsam geht der Benzinvorrat zur Neige. Ich sehe mich schon nach Notlandemöglichkeiten um, als endlich das satte Grün der vom Niger überschwemmten Felder am Horizont auftaucht. Mit den letzten Litern Benzin überfliegen wir den Fluss – ob’s da unten Krokodile und Hippos gibt? Kein Anflug der entspannten Art. Aber es reicht sogar noch für einen zweiten Versuch auf die 300 Meter kurze Lehm-Schlackenpiste. Wir landen weich, sicher und glücklich. Das Begrüßungskomitee ist diesmal freundlicher: eine Gruppe bunt gekleideter Kinder, die uns und unser Fluggerät bestaunen und mit mir eine Runde Fußball spielen.
Der deutsche Auswanderer Albert und seine Frau empfangen uns herzlich an dem kleinen Flugplatz. Buggi hatte den Kontakt vor der Reise übers Internet hergestellt. Die beiden sind seit 15 Jahren hier. Albert ist Ultraleichtpilot und baut in seinem eignen Hangar das Buschflieger-UL MXP-740 Savannah. Wir übernachten in Alberts Hotel Djoliba – auf Bambara, der Sprache der Einheimischen, heißt so der Niger. Albert ist ein Glücksfall für unsere weitere Reiseplanung. Er kennt das ganze Land und seine freundlichen Menschen. Alle sind hier viel offener als in Mauretanien. Geeigneten Sprit können wir aber auch hier nicht auftreiben. Albert besorgt das Beste, was es an den Tankstellen gibt: Benzin mit 91 Oktan. Wir bringen es in Salatölkanistern zu Playmo und filtern es vorsichtig in die Flügeltanks. Mit Alberts Hilfe checken wir den Flieger und wechseln die Zündkerzen.
Albert ist Ultraleichtpilot und baut in seinem eignen Hangar das Buschflieger-UL MXP-740 Savannah
Früh am nächsten Morgen, bevor das Thermometer über 35 Grad Celsius steigt und die Turbulenzen zu heftig werden, heben wir etwas mühsam ab. Die Maschine quält sich mit vollen Tanks auf 2000 Fuß. Öl und Zylinderkopftemperatur sind im oberen Grenzbereich, wir können nur sehr vorsichtig steigen. Es geht nach Nordosten, entlang dem Niger mit seinem fruchtbaren Schwemmland. Vielarmig schlängelt sich der Fluss durchs Land. Wir überfliegen tausende kleine Inselchen mit Gehöften. Die hier heimischen Stämme der Bozo und der Peul sind aus der Luft an ihren Häusern zu erkennen. Die einen haben runde Lehmhütten mit Strohdach, die anderen eckig gemauerte Behausungen. Nach Tagen haben wir erstmals wieder Funkkontakt und werden von Mopti Tower in gutem Englisch zum internationalen Flughafen geleitet. Wir sind die einzigen auf diesem riesigen Airport. Buggi hat 20 Liter Extrasprit auf ihren Knien transportiert. Die füllen wir jetzt in die Tanks.
Der nächste Tag soll uns an das eigentliche Ziel unserer Reise bringen: nach Timbuktu, für uns ein Kindheitstraum und der Inbegriff von Schwarzafrika. Wir verlassen Mopti und folgen dem Niger flussaufwärts. Die fruchtbare Landschaft wird wieder zur Wüste. Timbuktu Tower gibt die Landung auf der „07“ frei. Die unerbittlich nach Süden vordringende Sahara hat aus der einst lebhaften Stadt Timbuktu einen unwirtlichen Ort gemacht. Es ist staubig und windig. Zahlreiche Moscheen und Bibliotheken lassen erahnen, welche Bedeutung diese Karawanenstadt einst hatte. Seit zwei Wochen sind wir jetzt unterwegs. Es ist Oktober, die Männer gehen zum Freitagsgebet in die Moscheen. Wir sind glücklich und etwas erschöpft, aber am Ziel unserer Träume. Genau zwei Wochen später werden wir bei Schneefall wieder in Freiburg landen. Was uns bei dieser Reise ans Ziel gebracht hat, war vor allen Dingen Glück, gute Kondition und etwas Furchtlosigkeit. Die Badehosen hätten wir auch zu Hause lassen können.
Text und Fotos: Michael Bauer und Buggi Hasselmann, fliegermagazin 4/2009
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