Traumhaft schön: In vier Luftfahrzeugen durch Island
Vulkanausbrüche, heiße Quellen und ungemütliches Wetter sind typische Assoziationen für Island. In der kurzen
Sommersaison im August und September erweist sich das Land am Polarkreis allerdings als gastfreundliche Fliegernation.
Ganz einfach war es nicht, Kontakt zur örtlichen Pilotenszene aufzunehmen. Doch als ich schließlich die E-Mail-Adresse von Jonas Sverrisson habe, dem Präsidenten des Ultralightclubs Reykjavik, wird alles ganz unkompliziert. Am Airport in Reykjavik werde ich gegen 18 Uhr von Sölvi abgeholt. Der pensionierte Linienpilot fährt uns in nördlicher Richtung zum 20 Autominuten entfernten Flugplatz Heidi-Fisfelag.
Nach dem herzlichen Empfang durch Mitglieder des Luftfahrtclubs gibt es auch gleich eine Führung durch die brandneuen Hallen. Der Club hat 370 Mitglieder. Im fußbodenbeheizten Hangar stehen 45 Flugzeuge und Tragschrauber. Clubmitglied Sveinn hat bereits seinen Magni M24 startklar gemacht.
Wir steigen in den UL-Tragschrauber und fliegen bei 18 Grad Celsius und strahlend blauem Himmel nach Osten. Schon nach wenigen Flugminuten über eine teilweise meterdick mit erkalteter Lava überzogenen Ebene ist die Silfra-Spalte zu erkennen. Dort hat sich vor 135 Millionen Jahren die Erdkruste hoch aufgeschoben. Daneben liegt der Pingvallavatn, der größte See Islands mit einer Länge von 15 Kilometern.
Einfach am Strand in Island landen
»Lass uns jetzt mal nach Westen an den Strand fliegen«, empfiehlt Sveinn und übergibt mir das Steuer. Der zweite Teil der 30 Kilometer langen Strecke wird ziemlich bockig, da wir entlang eines 800 Meter hohen Bergzugs fliegen und unangenehme Fallwinde aussitzen müssen. Dann sehe ich den Strand: unerwartet lang und breit, neben dem blau-schimmernden Meer.
Es sind schon ein paar UL-Flugzeuge gelandet und nicht eingesunken, also schaffe ich das auch. Die Kollegen haben Kaffee und Kuchen mitgebracht und Svienn erklärt schmunzelnd: »Donnerstag ist bei uns traditionell Kuchentag.« Beim kurzen Fliegerplausch auf Englisch erfahre ich, dass UL91 hier nur 1,40 Euro kostet. Mogas ist sogar noch günstiger. Denn Luftfahrtkraftstoff wird in Island weniger stark besteuert als Autobenzin. Die logische Begründung: Der Straßenbau erhalte mehr Mittel aus dem Haushalt als die Luftfahrt.
Für uns geht es wieder in die Luft zum fünf Kilometer entfernten Flugplatz Tungubakkar (BIMS). Dort bewundern wir Oldies wie die Cessna 140 und eine Piper L-4. Das Besondere: Alle historischen Flugzeuge hier sind lufttauglich. Gegen 22 Uhr sind wir wieder zurück an unserer Homebase in Heidi-Fisfelag.
Mit einer Cessna 172 nach Akureyri
Doch noch ist der VFR-Tag nicht zu Ende. In der Savannah S, einem Ganzmetall-UL mit Kurzstart-Talent, geht es über das Naturschutzgebiet Reykjanesfólkvangur. Pilot Sölvj zeigt mir lavaspeiende Felsspalten. Im Langsamflug mit 70 km/h genießen wir die Aussicht und kehren kurz vor Mitternacht an den Platz zurück. Noch immer ist es taghell. Denn Sunrise und Sunset liegen an diesem Sommertag nur wenige Minuten auseinander.
Am nächsten Vormittag erkunde ich Reykjavik im Schnelldurchlauf: die expressionistische Hallgrimskirche mit ihren charakteristischen Betonpfeilern, das Nationalmuseum und Laugavegur – die längste Straße der Stadt. Letztere heißt auf Deutsch Waschstraße, da hier früher in den heißen Quellen Wäsche gewaschen wurde.
Besuch im Icelandic Aviation Museum
Nachmittags fliege ich in einer Cessna 172 weiter nach Akureyri. In der viertgrößten Stadt Islands leben 20 000 Menschen. Dort kann ich einem Abenteuer nicht widerstehen: An der »Zip Line Akureyri« überquere ich an Stahlseilen hängend den in der Schlucht verlaufenden Wildfluss.
Nach so viel Nervenkitzel ist der Besuch im Icelandic Aviation Museum fast beruhigend – obwohl Ausstellungsstücke wie Beech CH-45 oder Fokker F-27 das Herz höher schlagen lassen. Auch ein Schulgleiter SG 38 hängt an der Decke. Deutsche Expeditionsteilnehmer brachten mit ihm 1938 den Segelflug nach Island.
Über die endlosen Schneefelder. des Vatnajökull fliegen
Zum Abschluss meiner Reise habe ich die Gelegenheit, in einer achtsitzigen GippsAero GA8 Airvan von Circle Air die Insel zu erkunden. Vom Co-Pilotensitz aus beobachte ich den Start auf der 2400 Meter langen Asphaltbahn in Akureyri (BIAR), die teils in den Eyjafjördur-Fjord hineingebaut ist. Schnell gewinnt das knapp zwei Tonnen schwere STOL-Flugzeug an Höhe.
Wir fliegen über die endlosen Schneefelder des Vatnajökull, Europas größtem Gletscher. Dann folgen wir dessen nördlicher Entwässerung, dem Jökulsa. Die aufsteigende Gischt des 100 Meter breiten Dettifoss-Wasserfalls zeigt uns schon von weitem den nächsten Wegpunkt. Der Jökulsa-Canyon, eine 15 Kilometer lange Schlucht, die bis zu 120 Meter tief und 500 Meter breit ist, erinnert mich sofort an den Grand Canyon in den USA. Der
Endanflug auf dem ILS-Gleitpfad der Piste 19 in Akureyri ähnelt der Landung auf einem Flugzeugträger.
Nach fünf intensiven Tagen voller Gastfreundschaft nehme ich Abschied.
Populärer Luftsport in Island
Obwohl auf der Insel Island nur 330 000 Einwohner leben, gibt es rund 500 aktive Pilotinnen und Piloten mit PPL- oder UL-Lizenz. Die Anzahl der Flugplätze und Pisten ist hoch. Mehr Infos: https://bit.ly/fly-in-island.
Toni Ganzmann hat europäische und amerikanische Fluglizenzen für Hubschrauber, Motorflugzeuge und Luftsportgeräte und ist als SPL- und PPL-Fluglehrer (FI) und PPL-Flugprüfer (FE) tätig. Professionelle Flugerfahrung erwarb er bei den Heeresfliegern der deutschen Bundeswehr und beim Offshore-Service in den USA. Für das fliegermagazin ist er als freier Autor tätig.
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