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Touch & Go Magdeburg-City: Wo alles einst begann

Hätten Sie es gewusst? Magdeburg gilt als Wiege des Motorflugs in Deutschland. Die Stadt war in vielerlei Hinsicht zukunftsweisend, und für Privatpiloten ist sie ein überaus attraktives Ziel.

Von Redaktion
Touch & Go Magdeburg
Blick über Magdeburg – vorn der Elbauenpark mit dem hölzernen Jahrtausendturm, die Elbinsel Werder und im Hintergrund der Dom. Foto: Gernot Krämer

Flugpionier Hans Grade schaffte 1908 in Magdeburg einen Hundert-Meter-Hüpfer, der mit einer Bruchlandung endete. Angeblich alles ungeplant. Bei Rollversuchen sei ihm eine Frau vor die Maschine gelaufen, und er habe keine andere Wahl gehabt als hochzuziehen. Vom Cracauer  Anger, wo das historische Ereignis stattfand, heute Teil des aus der Luft gut sichtbaren Elbauenparks gegenüber der Innenstadt, wurde der Flugplatz später ein Stück weiter östlich und 1936 an den Südrand der Stadt verlegt.

Am Alten Markt erinnert außerdem ein Brunnen daran, dass die Magdeburger Luftfahrtgeschichte schon im vierzehnten Jahrhundert begann – zumindest die Vorgeschichte des Fliegens, als Ulk. Der sagenhafte Till Eulenspiegel soll den Bürgern einen Streich gespielt haben, indem er behauptete, er könne fliegen. Darauf versammelte sich eine Menschenmenge vor der Rathauslaube, wo Till wild mit den Armen fuchtelte. Plötzlich brach er in Lachen aus und rief, er habe geglaubt, der größte Narr auf der Welt zu sein. Doch nun sehe er, die ganze Stadt sei voller Narren: Er sei doch keine Gans und kein Vogel, habe weder Fittiche noch Federn! Nun ja. Jede Zeit hat so ihren eigenen Humor.

Magdeburg-City gilt als grüne Stadt

Andere Beiträge, die in der Stadt geleistet wurden, waren zukunftsweisender, etwa die Forschungen des Bürgermeisters und Erfinders Otto von Guericke (1602–1686), der Barometer zur Wettervorhersage benutzte und so zum Wegbereiter der Meteorologie wurde. Sein berühmtestes Experiment war das mit den aneinandergelegten Magdeburger Halbkugeln, zwischen denen mittels der von ihm erfundenen Pumpe ein Vakuum erzeugt wurde. Nicht einmal sechzehn Pferde waren danach in der Lage, den von außen wirkenden Luftdruck zu überwinden und sie auseinanderzureißen! So gelang die Widerlegung der antiken Vorstellung, dass es in der Natur keine Leere geben könne.

Insellage Ablagerungen ließen inmitten der Elbe eine Insel entstehen, die ab dem 19. Jahrhundert bebaut werden konnte. Heute ist dies der Stadtteil Magdeburg-Werder. Foto: Gernot Krämer

Heute präsentiert sich Magdeburg – Einheimische sagen »Machdeburch« mit kurzem a – als grüne Stadt, die gut mit einem der am Flugplatz angebotenen Mieträder oder auch per Mietwagen (App2Drive) erkundet werden kann. In etwas mehr als zwanzig Minuten mit dem Rad erreicht man den monumentalen Dom, übrigens eine erstklassige Orientierungshilfe. Hier sollte man sich auch den idyllischen Kreuzgang nicht entgehen lassen.

Ein besonders Gebäude ist die Grüne Zitadelle von Hundertwasser

Gleich dahinter, an einer Ecke des weitläufigen Domplatzes, steht das auffälligste Gebäude der Stadt und eine ihrer größten Sehenswürdigkeiten: die 2005 fertiggestellte Grüne Zitadelle des Künstlers Friedensreich Hundertwasser. Bunte Säulen, von denen keine der anderen gleicht, geschwungene Wände in zartem Rosa, goldene Kugeln – das verspielte Haus ist eine Oase zwischen den funktionalen Nachkriegsbauten. Über 170 Bäume und tausende Sträucher wachsen aus Dächern und Nischen, die unregelmäßigen Böden sind als »Melodien für die Füße« gedacht. Die Höfe, Geschäfte und Lokale sind frei zugänglich; für Wohnbereiche, Terrassen und Türme braucht man eine Führung.

Turm der »Grünen Zitadelle«, dasHundertwasser-Haus in Magdeburg. Bei einer Führung lassen sich auch die Wohnbereiche erkunden. Foto: Gernot Krämer

Im Mittelalter war die Stadt von überragender Bedeutung. Das Magdeburger Recht, das den Bewohnern persönliche Freiheit, Eigentumsrecht sowie die Unversehrtheit von Leib und Leben garantierte, setzte Maßstäbe und wurde hundertfach übernommen, bis in ferne Städte wie Vilnius, Minsk und Kiew, wo es sogar ein Denkmal dafür gibt. In schwierigen Fällen war es üblich, an der Elbe Rechtsauskünfte zu erbitten, wie man heute das Verfassungsgericht anruft.

Im Dreißigjährigen Krieg endete diese herausgehobene Stellung, an den selbstbewussten Bürgern und ihrem »protestantischen Ketzernest« wurde 1631 ein Exempel statuiert: »Magdeburgisieren« war fortan ein Synonym für völlige Vernichtung. Auch die berühmte Rechtsbibliothek verbrannte.

An einigen Orten stehen Plattenbauten neben alten Kirchen

Erst im 19. Jahrhundert erreichte die Stadt wieder die frühere Einwohnerzahl, machte dann aber einen Riesensprung als Industriestandort. Am 16. Januar 1945 fielen 90 Prozent der Altstadt einem Luftangriff zum Opfer, darunter die Breite Straße am Hundertwasser-Haus, die als eine der prachtvollsten Barockstraßen Europas galt. Es folgte, was manche als die dritte Zerstörung Magdeburgs bezeichnen: Um Platz für den sozialistischen Wiederaufbau zu schaffen, wurden acht Kirchen, das Stadttheater und einige Straßenzüge gesprengt oder abgerissen.

Die wiederholten Verwüstungen sind der Stadt ins Gesicht geschrieben, mancherorts stehen Plattenbauten neben uralten Kirchen, Wiesen bedecken Stadtteile, die komplett vom Erdboden verschwunden sind. Und doch ist Magdeburg eine lebens- und auch sehenswerte Stadt. Das liegt nicht zuletzt an der Elbpromenade, wo man sich bei schönem Wetter trifft, den reizvollen Lokalen und den vielen Grünanlagen, von denen die meisten auf der rechten Seite des Flusses liegen.

Was verbirgt sich hinter »Bötel mit Lehm und Stroh«?

Über die denkmalgeschützte eiserne Hubbrücke erreicht man den Stadtpark und den Rotehornpark, beide auf der Werder genannten Insel; stromabwärts auf dem Festland liegen der Herrenkrugpark sowie der schon erwähnte Elbauenpark. Dort wurde zur Bundesgartenschau 1999 der markante Jahrtausendturm errichtet, eines der höchsten Holzbauwerke der Welt. Im Innern ist eine Art Menschheitsgeschichte der Wissenschaften und Erfindungen zu sehen. Ein Foucaultsches Pendel veranschaulicht die Erdrotation, und natürlich haben auch Otto von Guerickes Experimente ihren Platz.

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Um den Abend charmant zu verbringen, sucht man den gründerzeitlichen Hasselbachplatz am Südende der Altstadt auf, wo sich das Nachtleben konzentriert. Und vielleicht findet sich Gelegenheit, eine regionale Spezialität namens »Bötel mit Lehm und Stroh« zu probieren. Dahinter verbirgt sich Eisbein mit Erbspüree und Sauerkraut.

Technikmuseum liegt neben dem Flugplatz Magdeburg

Wer nur ganz wenig Zeit mitbringt und auf eine Stadtbesichtigung verzichten muss, könnte das mit dem Rad nur eine knappe Viertelstunde vom Flugplatz entfernte Technikmuseum besuchen. In der ehemaligen Werkshalle der Gruson-Eisenwerke hängt unter anderem ein Nachbau des Dreideckers, mit dem Hans Grade 1908 der erste deutsche Motorflug gelang. Gleich daneben der im Vergleich schon fast modern aussehende Eindecker, mit dem der Luftfahrt-Pionier im Folgejahr eine liegende Acht flog und so den Lanz-Preis der Lüfte gewann. Weniger bekannt ist die Magdeburger Pilotenrakete – ein privates Raumfahrtprojekt, das nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten rasch unterbunden wurde.

Fast wie eine Oase wirkt der Flugplatz Magdeburg-City am südlichen Stadtrand. Per Mietwagen oder Leih-Fahrrad ist das Zentrum rasch erreicht. Foto: Gernot Krämer

Und wer noch weniger Zeit mitbringt und deshalb am Flugplatz bleiben will, kann sich im täglich geöffneten Restaurant Paparazzi stärken – mit Blick auf ein anderes Museumsstück, eine Tupolew Tu-134 der Interflug. Angenehmes Detail: Die Landegebühr kann gleich mit der Pizza bezahlt werden, dafür muss man dann nicht mehr zum Tower. Restaurantgäste parken deshalb gern direkt vorm Lokal auf Apron 3.

Text & Fotos: Gernot Krämer

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