Touch & Go Flugplatz Stettin Dąbie: Was Piloten hier erleben können
Mit einer historischen Altstadt kann Stettin nicht aufwarten, doch dafür überrascht die traditionsreiche Hafenstadt an der Odermündung mit ambitionierten Schmuckstücken moderner Architektur.
Das soll der Vorgänger von Goleniów sein? Wer sich entscheidet, Stettin über den stadtnahen General-Aviation-Flugplatz Dąbie anzufliegen und nicht über den 45 Kilometer entfernten Verkehrsflughafen, wird kaum vermuten, dass dies ein traditionsreicher Ort des internationalen Flugverkehrs gewesen ist.
Ab 1926 flog die Deutsche Lufthansa Stettin-Altdamm an, regelmäßige Verbindungen bestanden unter anderem nach Berlin und Danzig. Nach dem Krieg setzte die polnische LOT den Flugverkehr fort, bis 1967 Goleniów in Betrieb genommen wurde. Heute ist Szczecin Dąbie für Privatflieger ideal, um die Stadt zu erkunden. Die attraktive Lage nahe der Oder und des Hafens geht darauf zurück, dass man bei den Planungen Anfang der zwanziger Jahre einen reinen Wasserflugplatz erwogen hatte, sich dann aber für einen Kompromiss entschied: Um sowohl Wasser- als auch Landflugzeuge abfertigen zu können, wurden die Gebäude an den Rand des Dammschen Sees gesetzt, in den die Oderarme münden. Von dort ist es nicht weit bis zum Stettiner Haff und bis zur Ostsee.
Stettin Dąbie: Zwei Graspisten stehen zur Verfügung
Zwei 900-Meter-Grasbahnen in Ost-West-Richtung stehen zur Verfügung, von denen in der Regel die südliche genutzt wird, sowie eine kreuzende 760-Meter-Bahn (06/24), ebenfalls Gras. Motorflieger nutzen jeweils die nördliche Platzrunde, die über Wasser führt – Panoramablick auf Hafen und Innenstadt inklusive. Wegen der Wassernähe und geringen Platzhöhe (Elevation: drei Fuß) können die Bahnen nach längerem Regen oder bei Tauwetter aufgeweicht sein, im Zweifel empfiehlt sich also ein vorheriger Anruf.
Für eine Fahrt ins Zentrum nimmt man am besten das Taxi, das eine knappe Viertelstunde über breite Ausfallstraßen braust. Besucher, die in den neunziger Jahren oder früher in Stettin waren, erinnern sich meist an eine triste graue Stadt. Das ist heute völlig anders – die pommersche Hauptstadt hat sich auf beeindruckende Weise gewandelt und gehört zu den Boomtowns unseres Nachbarlands. Längst ist es so, dass polnische Familien, denen es in Stettin zu teuer wurde, sich im bloß 15 Kilometer entfernten Mecklenburg-Vorpommern nach geeignetem Wohnraum umgucken.
Zentrale Rolle: Vom Aussichtsturm kann man den Seehafen erkennen
Für einen ersten Eindruck von der Stadt eignet sich der Aussichtsturm des Schlosses, das erhöht am Ufer über der Oder liegt und in dem früher die pommerschen Herzöge residierten. Von hier überblickt man die weitläufigen Hafenanlagen mit ihren Docks und Kränen. Die Seefahrt spielte stets eine zentrale Rolle für Stettin, das mit Danzig um den Rang des größten polnischen Seehafens konkurriert.
Beide Städte lagen am Ende des Zweiten Weltkriegs in Schutt und Asche – von einst 300 000 Einwohnern sollen in Stettin nur noch 6000 übrig gewesen sein –, doch während Danzig bald darauf so sorgfältig rekonstruiert wurde, dass mancher Besucher heute gar nicht glauben mag, keine „originale“ Altstadt vor sich zu haben, unterblieb dies in Stettin. Hier war Zweckmäßigkeit oberstes Gebot, und statt die eher kleine und kleinteilige Altstadt wiederaufzubauen, verlagerte man wichtige Funktionen einfach in die besser erhaltene Neustadt. Mittlerweile – fast achtzig Jahre nach Kriegsende – verschwinden jedoch die letzten innerstädtischen Brachen und werden auf architektonisch oft anspruchsvolle Weise bebaut.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Altstadt wieder aufgebaut
Ein Beispiel dafür ist die 2014 eingeweihte schneeweiße neue Philharmonie, die ihren beiden Architekten, einem Spanier und einem Italiener, den renommierten Mies-von-der-Rohe-Preis eingebracht hat. Das Gebäude ist nicht so spektakulär gelegen wie die Hamburger Elbphilharmonie – dafür ist es viel einfacher, Karten zu bekommen, und erschwinglicher sind sie auch. Besonders eindrucksvoll wirkt die Philharmonie, wenn die weiße Hülle in der Dunkelheit mittels tausender LED-Lampen von innen heraus zu leuchten scheint.
Der auffällig gewellte, zum Skateboardfahren einladende Platz davor ist – was man auf den ersten Blick gar nicht erkennt – ebenfalls ein Gebäude, allerdings ein unterirdisches: das Dialogzentrum der Umbrüche, eine Art zeitgeschichtliches Museum, das Stettins Entwicklung von 1945 bis heute gewidmet ist. Auch dieser Bau wurde mit einem bedeutenden Architekturpreis ausgezeichnet. Ein drittes Beispiel schließlich ist das Projekt Szczecin 2050 – Floating Garden, mit dem die Stadt ökologisch umgestaltet und die Inseln im Stadtgebiet teilweise neu bebaut werden sollen.
Technische Attraktion: Die astronomische Uhr hat den Krieg fast unbeschadet überstanden
Im Schloss gibt es hoch oben am Turm eine technische Attraktion zu bestaunen, die den Krieg halbwegs unbeschadet überstanden hat: eine jahrhundertealte astronomische Uhr mit einem Gesicht als Zifferblatt. Der Zeiger ist auf der Nase montiert, die rollenden Augen blicken ihm bei seiner Runde hinterher. Im geöffneten Mund erscheint das Datum, eine blau- und goldbemalte Kugel zeigt die Mondphasen an.
Zu Füßen des Schlosses liegt die im neuem Glanz erwachte Altstadt, deren Mittelpunkt der Rathausplatz (Rynek) ist. Im wiederaufgebauten Rathaus befindet sich das vorzügliche Brauereirestaurant Wyszak, wo man stimmungsvoll im backsteingemauerten gotischen Keller oder draußen auf der Terrasse speisen kann. Auch sonst ist das kulinarische Angebot ringsum vom Feinsten – nur wenige Schritte entfernt kann man ukrainisch, thailändisch oder japanisch essen.
Vielbefahrene Straße: Die Trasa Zamkowa trennt die Altstadt von der Neustadt
Leider wird die Altstadt durch eine vielbefahrene sechsspurige Straße – die Trasa Zamkowa – von der Neustadt abgeschnitten. Diese kann neben der Philharmonie vor allem mit der berühmten Hakenterrasse (Wały Chrobrego) aufwarten, benannt nach dem langjährigen Oberbürgermeister Hermann Haken, der Stettin um die Wende zum 20. Jahrhundert mit großem Elan modernisierte. Das Vorbild war kein geringeres als Paris, woran sternförmige Boulevards und Gründerzeithäuser erinnern.
Die Hakenterrasse selbst ist eine 500 Meter lange, von Prachtbauten (darunter Marinehochschule und Seefahrtsmuseum) gesäumte parkartige Anlage auf einer Böschung über der Oder. Hier sitzt es sich gut, man kann vorbeifahrenden Schiffen nachblicken, und auch der eine oder andere Biergarten lädt zum Verweilen ein. Eine kolossale Freitreppe führt zum Fluss hinunter, wo eines der originellsten Hotels der Stadt vor Anker liegt: der Dampfer „Ładoga“, der einst auf finnischen und russischen Seen fuhr und heute neben einem Sommercafé und einem russischen Restaurant Zimmer mit Kajüten-Feeling bietet.
Usedoms Nachbarinsel: Wolin ist ein Ausflug wert
Wer genügend Zeit mitbringt, sollte vielleicht einen Ausflug auf Usedoms polnische Nachbarinsel Wolin unternehmen. Im einst mondänen und heute wieder sehr beliebten Ferienort Międzyzdroje (Misdroy) locken die Seebrücke und ein kilometerlanger feinsandiger Strand, im Nationalpark Wolin die bis zu 100 Meter hohe Steilküste sowie einsame Seen.
Es lohnt sich, den An- oder Abflug von Szczecin Dąbie so einzurichten, dass man über den sich beidseits der Grenze erstreckenden Nationalpark Unteres Odertal fliegt – ein phantastisches Wasserlabyrinth mit Schilfdickichten, die Hunderttausenden von Zugvögeln wie Kranichen und Reihern einen Schutzraum bieten.
Das krasse Gegenteil davon – aus der Luft aber nicht minder eindrucksvoll anzusehen – ist ein Chemiewerk, dessen bunt schillernder Abraum nördlich von Stettin viele Quadratkilometer Fläche bedeckt. Die ineinander laufenden Farben wirken teils wie abstrakte Gemälde, allerdings auch ein bisschen unheimlich. Überflüssig zu sagen, dass das Unternehmen auf der Homepage seine Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit ins allerbeste Licht setzt.
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