Flugplatz Bayreuth: Von hier aus ins Zentrum der Kultur
Die Geschichte des 18. und 19 Jahrhunderts ist in Bayreuth allgegenwärtig, nicht nur musikalisch, auch architektonisch durch die historischen Bauten. Kulinarisch kommt man in der fränkischen Stadt ohnehin auf seine Kosten.
Gerade kommt das Dessert auf den Wirtshaustisch, da fliegt die Tür auf, und eine Schar Gäste in Abendgarderobe strömt herein. Festspielzeit! Normalerweise wäre in Bayreuth jetzt kein Hotelzimmer zu haben, und die Tische wären reserviert gewesen. Doch das hat sich seit Corona geändert, nur noch ein Bruchteil der Zuschauer ist zugelassen (Stand: 2021). Glück für mich, denn die Festspiele hatte ich bei der Reiseplanung diesmal überhaupt nicht auf dem Schirm.
Von Ende Juli bis Ende August herrscht in Bayreuth Opernfieber; für Liebhaber ist es geradezu ein Lebenstraum, einmal mit dabei zu sein. Zur Aufführung seiner neuartigen, anfangs als nahezu unspielbar geltenden Musikdramen wünschte sich Richard Wagner im 19. Jahrhundert einen Festspielort „fern vom Qualm und Industriepesthauch unserer großstädtischen Zivilisation“. Er fand ihn am Fuß des Fichtelgebirges, wo sein Mäzen, der bayerische „Märchenkönig“ Ludwig I. ihn großzügig unterstützte.
Flugplatz Bayreuth: Von Wagner bis Filmmusik
Das von Wagner und seinem Architekten konzipierte Festspielhaus am Rand der Innenstadt hat in vielerlei Hinsicht Maßstäbe gesetzt, etwa durch die sensationell gute Akustik oder den verdeckten Orchestergraben. So blieben die Musiker dem Publikum verborgen, und die Instrumentalklänge schienen aus dem Nichts zu kommen. Auch Wagners Tonsprache war wegweisend: Noch heute ist sie, wenn auch verflacht und popularisiert, im Sound der Hollywood-Filmmusik präsent.
Die Uraufführung des Zyklus „Der Ring des Nibelungen“ 1876 war ein europäisches Ereignis. Für die fränkische Provinzstadt – Bayreuth hatte damals 17 000 Einwohner, heute sind es mehr als viermal so viele – bedeutete der durchschlagende Erfolg der Festspiele eine Herausforderung, der sie anfangs nicht gewachsen war. So berichtete der Komponist Peter Tschaikowsky als Korrespondent einer russischen Zeitung: „Die Straßen waren von zahlreichen Fremden bevölkert, die samt und sonders durch ihren unruhig suchenden Blick auffielen. Sie suchten Nahrung. Jedes Stück Brot, jedes Seidel Bier muss mit unglaublichen Anstrengungen, durch List und eiserne Geduld erkämpft werden. Die ganze Premierenwoche über bildete das Essen das Hauptthema, das die künstlerischen Fragen bedenklich in den Hintergrund drängte.“
Kulinarische Vielfalt: Byreuth bietet eine Kulinarische Vielfalt
Das ist heute zum Glück anders, der hungrige Pilot kann sich ebenso wie der ermattete Festspielbesucher darauf verlassen, dass es auskömmlich zu essen gibt, ob nun fränkische „Bratwörschdla“ (Bratwürste), Exotisches, gehobene Küche oder neue Kreationen (beim erwähnten Dessert zum Beispiel handelte es sich um Weißbier-Tiramisu!).
Fast noch mehr als Richard Wagner prägte hundert Jahre früher eine andere Person die Stadt: Markgräfin Wilhelmine hatte als preußische Prinzessin eigentlich mit dem englischen Thronfolger gerechnet, bekam aber „nur“ den Markgrafen von Bayreuth. Die Kränkung, unter ihrem königlichen Stand geheiratet zu haben, kompensierte sie mit intensiver Bautätigkeit. Bayreuth wurde zu einer würdigen Residenzstadt.
Markgräfliches Opernhaus: Trotz der Holzbauweise ist das Haus nie abgebrannt
In jener Zeit entstanden unter anderem das Neue Schloss mit dem dahinterliegenden Hofgarten – die grüne Lunge der Stadt –, das etwas außerhalb gelegene Schloss Eremitage, wo der Adel sich ein Einsiedlerdasein vorgaukelte, vor allem aber das unvergleichlich prachtvolle Markgräfliche Opernhaus, das heute UNESCO-Weltkulturerbe ist. Anders als die meisten Theaterbauten des Barock ist es, obwohl im Innern fast komplett aus Holz bestehend, nie abgebrannt. Eine Führung durch das Opern- und das Festspielhaus gehört zu den Dingen, die man sich in Bayreuth nicht entgehen lassen sollte.
Wie ihr Bruder, der „Philosophenkönig“ Friedrich der Große, war Wilhelmine künstlerisch begabt: Sie spielte Laute und Cembalo, malte, komponierte Opern, schrieb selbst die Textbücher dazu und führte auch Regie. Fast könnte man meinen, sie habe Wagners Idee des „Gesamtkunstwerks“, in dem alle Künste aus einer Hand zusammenwirken, vorweggenommen. Am La-Spezia-Platz vor dem Alten Schloss sind beide in Bronze verewigt, Wagner mit seinem Samtbarett als Markenzeichen auf dem Kopf, die Markgräfin mit ihrem Lieblingshund Folichon auf dem Schoß. Beide blicken auf eine der angesagtesten Ecken Bayreuths, den Mühlkanal (Spitzname: Canal Grande), auf dessen Ufertreppen sich an warmen Abenden ein Großteil des sozialen – vor allem studentischen – Lebens abspielt.
Maximilianstraße: Das Zentrum von Bayreuth
Die Innenstadt ist relativ schnell abgeschritten, ihr Mittelpunkt ist die Maximilianstraße, eine Fußgängerzone, die sich am Neptunbrunnen zum Marktplatz erweitert. An der Südseite stehen repräsentative historische Bürgerhäuser, die Nordseite wurde nach einem Fliegerangriff 1945 etwas nüchterner wiederaufgebaut. Ein paar Gehminuten weiter stößt man auf die schnurgerade Friedrichstraße mit ihren massiven Sandsteinhäusern und hübschen alten Laternen, wo hauptsächlich Angehörige des Hofs wohnten. Auch sie gehörte zum ehrgeizigen Bauprogramm des 18. Jahrhunderts. Heute sind dort unter anderem ein paar urige Studentenlokale zu finden.
Von nicht ganz so hoch oben wie aus dem Cockpit, dafür aber mit mehr Muße, lässt sich dies alles überblicken, wenn man die Türme der Stadtkirche erklimmt. Sie sind in 50 Metern Höhe durch eine steinerne Brücke verbunden. Im Nordturm wohnte seit dem späten Mittelalter und noch bis 1934 der Türmer mit seiner Familie, der vor Gefahren – etwa entstehenden Bränden – zu warnen hatte. An einer Wohnung in so luftiger Höhe würde wohl auch der eine oder andere Pilot Geschmack finden. Wenn nur nicht samstags zur Turmführung immer die Touristen kämen …
Nach Wagner ins Biermuseum: Bayreuth bietet eine stattliche Zahl an Museen
Für seine Größe kann Bayreuth mit einer stattlichen Zahl von Museen aufwarten, deshalb hier nur eine kleine Auswahl: Das Urwelt-Museum in der zentral gelegenen Kanzleistraße ist leicht an der großen Dinosaurierfigur vor dem Eingang zu erkennen. Die Existenz eines Richard-Wagner-Museums wird in dieser Stadt nun wirklich keinen überraschen; es befindet sich gleich neben dem einstigen Wohnhaus des Meisters, der Villa Wahnfried, die gleichfalls besucht werden kann. Neben den ausgefallensten Opernkostümen gibt es dort beispielsweise eine interaktive Partitur, mit der man einzelne Orchesterstimmen zum Leben erwecken und in gewisser Weise selber „dirigieren“ kann.
Auch die unselige Verstrickung des antisemitischen Wagner-Clans in den Nationalsozialismus wird dokumentiert. Wagners Schwiegervater, dem berühmten Komponisten und Klaviervirtuosen Franz Liszt, ist ebenfalls ein kleines Museum gewidmet. Und wer wissen will, was es mit den früher oft verketzerten Freimaurern, ihren Geheimlogen und Ritualen wirklich auf sich hat, kann seine Neugierde im Freimaurermuseum stillen.
Genug Kultur getankt? Durst? Die Gegend um Bayreuth soll die höchste Brauereidichte Europas haben, deshalb wird sie im Scherz auch Bierfranken genannt. Ein Brauereimuseum ist im historischen, gleichwohl quicklebendigen Brauhaus Maisel untergebracht. Die Bierkarte im angegliederten Restaurant gleicht einem Buch, denn es gibt zu jeder der unzähligen Sorten aus aller Welt Erläuterungen. Bei besonderen Veranstaltungen erklärt der Biersommelier die Unterschiede oder führt in bierkundliche Spezialthemen ein.
Der Flugplatz Bayreuth liegt auf dem Bindlacher Berg
Der von der Stadt betriebene Verkehrslandeplatz Bayreuth liegt auf dem Bindlacher Berg und erhebt sich wie das Startdeck eines Flugzeugträgers über die Umgebung. Obwohl vom unteren Ende der Zufahrtsstraße gelegentlich Busse fahren, kommt man am besten und weitaus schnellsten mit dem Taxi in die Stadt. Wegen der GPS-gestützten Instrumentenan- und -abflugverfahren (RNAV-GPS) gibt es eine bis 1000 Fuss AGL reichende RMZ.
Von der Terrasse des italienischen Restaurants „On top“ hat man alles im Blick, was sich am Flugplatz tut, und das ist während der Festspielzeit normalerweise einiges. Doch auch hier hat Corona wohl für einen Rückgang des Verkehrsaufkommens gesorgt, jedenfalls ist es bei meinem Besuch vergleichsweise ruhig. Angela Merkel, die bisher noch jedes Jahr zu den Festspielen kam, pflegte übrigens nicht auf dem Bindlacher Berg zu landen, ihr Hubschrauber flog direkt zur Kaserne der Bundespolizei. Ist ja auch viel näher am Festspielhaus.
Text & Fotos (2021): Gernot Krämer
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