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Südsee-Fliegerei: Charter einer Piper PA-23 Aztec in Polynesien
Fliegen über die „Inseln unter dem Wind“ – das ist Exotik pur. Französisch Polynesien ist nicht nur ein Paradies für Taucher.
Sich hierher zurückzuziehen wäre der ultimative Luxus. Auf eine eigene Insel – wie es einst Marlon Brando nach dem hier abgedrehten Film „Meuterei auf der Bounty“ tat. Und wenn das nicht geht, dann halt „nur“ in Maupiti oder Tahaa ein Häuschen kaufen – das ist für EU-Bürger mit ein bisschen Kleingeld möglich. Serge, Arzt und Flugzeugeigner, gibt uns den Tip: „Ihr seid Residents, da zahlt ihr für einen Luxus-Over-water-Bungalow statt 800 Euro nur 400 pro Nacht.“ Ein echtes „Schnäppchen …“ Doch nicht gleich verzweifeln angesichts solcher Preise: Es gibt auch weniger teure Unterkünfte, und das Beste von Tahiti ist auch für viel Geld nicht zu kaufen.
Das gibt’s gratis zur Südsee-Fliegerei: das türkisgrüne Wasser, das plötzlich in dieses unglaubliche Blau der Tiefe übergeht , der Dschungel, aus dem an üppig grünen Bergflanken Wasser aus allen Poren bricht. Hier liegt er, der Jurassic Park, allerdings ohne Dinosaurier: Der Film wurde hier gedreht. Diese Landschaften und Lichtspiele sind Geschenke von Mutter Natur an die staunenden Besucher. Tahiti ist eine der 13 Gesellschaftsinseln, die zu Französisch-Polynesien gehören. Diese insgesamt 121 Eilande und Atolle erstrecken sich über eine Fläche, die halb so groß ist wie Europa: vier Millionen Quadratkilometer, nur 4000 davon sind Landfläche.
Traumhafte Südsee-Fliegerei mit einer Piper PA-23 Aztec
Es gibt nur 250 000 Einwohner, 180 000 davon leben auf Tahiti. Die Wege sind lang, und Einsamkeit ist hier Prinzip. 51 der Inseln sind mit dem Flugzeug erreichbar. Und genau das haben wir vor: uns dieses Paradies zu erfliegen. Es ist Winter im August, die Zeit der Wale, der Delphine, die Zeit des Schönwetters: Die Luft hat um die 30, das Wasser 27 bis 29 Grad Celsius. Vor zwei Jahren habe ich Serge kennengelernt. Er ist Arzt mit eigener kleiner Privatklinik in Tahitis Hauptstadt Papeete und Besitzer eines Traumgerätes für diesen Teil der Welt: eine Piper PA-23, die er auch verchartert. Die Aztec ist sehr gut in Schuss und mit einem GPS ausgestattet, dazu voll IFR-tauglich.
Nach einem versicherungsbedingt notwendigen kurzen Checkflug geht es mit der F-OCFL und meiner JAA-Lizenz los. Mit an Bord: meine Begleiterin Christa und die Freundin des Yachtclubbesitzers von Bora Bora, die per Anhalter mit uns fliegt. Wir werden das nicht bereuen. Tahiti–Bora Bora heißt unser erstes Leg. 2500 Fuß über dem Meer aller Meere – dem Pazifik, der Südsee– erzählt das Herz dem Verstand, dass dies einmalig ist. Solche Bilder erzeugen ein immenses Glücksgefühl und gleichzeitig Wehmut und Sehnsucht. Hierbleiben … Wir ziehen an Moorea vorbei, das wir uns für später aufheben. Moorea, diese einzigartige Muschel mit ihren zwei unübertroffen schönen Buchten Cooks Bay und Oponumo Bay. Vorbei an Huahine und Raiatea, hinein in den azurblauen Horizont. Flugzeit: knapp eine Stunde und 30 Minuten.
Bora Bora: Hier versammeln sich die Reichen und Berühmten
Alles im grünen Bereich, die zwei Motoren laufen ruhig und gleichmäßig. Sie sind ja auch frisch überholt. Wir fliegen bewusst niedrig und VFR. Dann endlich taucht dieses magische Stück Land auf: Bora Bora, der Inbegriff der Südsee. Der Flugplatz, von den Amerikanern im Zweiten Weltkrieg gebaut, taugt heute für den lokalen Linienverkehr genauso wie für die Gulfstreams und Challengers der nicht wirklich Armen dieser Welt. Hier schweben Promis ein wie Nicole Kidman, Ridley Scott oder Larry Ellison von Oracle.
Die „Wall of Fame“ vor dem Bloody Mary – dem berühmtesten Lokal Polynesiens – zeigt ein Who is Who der Reichen und Berühmten: Steven Spielberg, Arnold Schwarzenegger, Bill Gates, Unternehmer und die Finanzhaie der Welt. Ein Becken der großen Fische eben. Sollten Sie nach Bora Bora kommen: Bleiben Sie nicht nur auf der Insel. Besuchen Sie eines der Traumhotels in der Lagune – dort ist der wahre Luxus zu Hause, den man wenigstens mal gesehen haben sollte. Auf der Insel selbst geht’s etwas günstiger zu, zum Beispiel im Club Med. Wir sind im Yachtclub eingeladen und das ist auch okay.
Nach der Landung genießen wir den Millionärsbonus
Thomas, der Besitzer, holt seine Freundin und uns mit seinem einfachen Boot am Pier ab. Das ist unser „Millionärsbonus“ – im Vergleich zu den anderen sind wir Bettler … Doch das beweist, dass alles relativ ist. Wir brettern über die Lagune – das kann man nicht kaufen, sowas gibt’s nur geschenkt. Vaitape, die kleine Hauptstadt hat alles, was es braucht, um zu überleben. Zudem eine Kirche, ein Postamt, Souvenirläden, eine Bank, ein paar Cafés – und den Hafen, der die Fähre zum Flugplatz beherbergt. Wir bleiben ein paar Tage zum Eingewöhnen, Faulenzen, Sonnen und Tauchen, ehe wir uns nach Raiatea-Tahaa aufmachen.
Long Range ist das wahrlich nicht. Wir haben eine Flugzeit von 15 Minuten kalkuliert – und das auch nur, weil wir einmal um Raiateas Zwillingsinsel Tahaa herumfliegen. Auch heute VFR. Bora Bora verabschiedet uns wie eine alte Bekannte. Wir kontaktieren Raiatea, der Turm ist besetzt, schließlich ist das einer der fünf staatlichen von insgesamt 51 Flugplätzen. Unser Ziel ist das sagenhaft „südseeige“ Hibiscus-Hotel in Tahhaa: Treffpunkt aller polynesischen Abenteurer und Säufer. Leo, der Wirt, ist das Klischee des Aussteigers – mit polynesischer Frau und bildhübschen Kindern, eine davon sogar Miss Polynesie.
Weit weg vom Massentourismus genießen wir Raiatea
Leo ist von Serge vorgewarnt und lässt uns direkt am Airport in Raiatea mit seinem Boot abholen – ein kleiner Kai liegt 50 Meter neben der Runway. So schippern wir quer über die Lagune nach Tahaa, neben Maupiti die ruhigste der Inseln. Wir sind wirklich sehr privat und sehr, sehr weit entfernt von Zuhause und vom Massentourismus unterwegs. Das Hibiscus liegt natürlich direkt am Wasser – absolut ruhig. Und absolut skurril. Denn Leo hat der Einfachheit halber sein Büro direkt im Restaurant, wo auch seine Bibliothek untergebracht ist. Also ist es eine Bibliothek mit Restaurant oder ein Restaurant im Office oder ein Büro in der Bibliothek mit angeschlossenem Restaurant.
An der Decke hängen Flaggen aus aller Welt, die seine Besucher mitgebracht haben. Leo verleiht uns Fahrräder zu einem happigen Preis und freut sich nach zwei Nächten auf unsere Euros. Wir brechen auf nach Tetiaroa. Thomas Cook war hier, Louis Antoine de Bougainville war hier (sein mitreisender Botaniker benannte 14 Pflanzen nach seinem Kapitän) und auch ein gewisser Marlon Brando. Tetiaroa, das sind riesige Palmenwälder, zwei Liegenschaften und ein ziemlich heruntergekommener, schwierig-kurzer Airport – privat und nur mit vorheriger Erlaubnis anfliegbar. Wer hier nur ein Fly-in auf einen Kaffee machen möchte, wird enttäuscht: Am Flugplatz gibt’s gar nichts, und auf dem Atoll wenig.
Traum der Südsee-Fliegerei: kleiner Kai liegt 50 Meter neben Runway
Da wäre es schon eher eine Idee, auf diesem Eiland unterzutauchen. Es hält sich allerdings hartnäckig das Gerücht, dass Marlon Brando den Stuhlgang seiner Gäste sammelte und dem CIA zur Analyse schicken ließ. Das sind seeräuberisch-stuhlräuberisch wilde Piratenlegenden – aber davon lebt der Tratsch in dieser trotz Massentourismus erstaunlich ruhigen Ecke der Welt. Weniger ruhig geht es auf Moorea zu. Der Controller spricht nur Französisch, und das erfordert eine Menge Konzentration. Denn hier gibt’s viel Verkehr: den Shuttle von und nach Tahiti, gerade mal sieben bis acht Flugminuten entfernt.
Zum Glück habe ich in den vergangenen zwei Jahren mein Basisfranzösisch so weit vervollständigt, dass ich die Phraseologie für Start und Landung drauf habe. Der Airport Temae ist trotz allem gemütlich. Am besten Sie mieten sich ein Auto und umrunden die Insel. Das ist grandios – vor allem in den beiden schönsten Buchten der Welt: Cooks Bay und Oponumo Bay. Hier sind auch einige massive Millionärsansiedlungen zu bewundern: Häuser, die mit der Cote d’Azur mühelos mithalten können. Die Berge … atemberaubende Kulissen! Die Geschichte „Herr der Ringe“ könnte hier angesiedelt sein. Tropisch und üppig, mit schönen, allerdings kleinen und schmalen Sandstränden. Moorea ist die Bade- und Urlaubsinsel schlechthin. Nicht so überzogen teuer wie Bora Bora und alles in allem gepflegter. Wir bleiben drei erholsame Tage.
In Tahiti wurde die Betankung mit Avgas an Air Moorea abgegeben
Von Moorea nach Tahiti sind es acht Minuten Flugzeit. Landung auf der Piste 04 mit 3,5 Kilometer vor Augen, da geht sich der erste Exit nach links zur General Aviation locker aus. Hier gibt’s nur noch fünf Flieger, die mit Avgas betrieben werden. Ein Manko, denn der Airport hat die Betankung an die Air Moorea abgegeben, und die hat geflissentlich im Vertrag die kleinen avgasbetriebenen Props vergessen. Jetzt muss der Sprit in geprüften und versiegelten Tonnen eingeführt und auch noch selbst der Betankung zugeführt werden. Auf ganz Tahiti gibt’s eine elektrisch betriebene Pumpe. Ich habe vorsorglich 800 Liter in Rangiroa auf den Tuamotus bunkern lassen – und mir zumindest eine mechanische Pumpe mit Kurbeltrieb gesichert.
Das allerdings auch nur mit Hilfe von Serge, der gemeinsam mit Patrick Wuerfel, dem Chefpiloten und A340-Kapitän von Air Tahiti Nui, eine absolute Größe auf diesem GA-Teil des Airports ist. Patrick ist Miteigentümer der PA- 23, die ich für 600 Euro (!) die Stunde anmieten durfte. Nass natürlich – aber mit Extraaufwand für den Sprit-Transport nach Rangiroa. Warum ist das so teuer? Weil in Tahiti kein Mensch Steuern zahlt. Weder Lohn- noch Einkommenssteuer. Hier gibt’s tolle Kohle abzugsfrei. Ärzte, Piloten, Staatsdiener, Freiberufler verdienen hier erstens viel – und zweitens netto: Die Steuern stecken in den importierten Produkten und in Sales-Taxes. Das macht die Sachen teuer, aber für Gutverdiener ist das immer noch billiger, als würden ihnen 50 Prozent an Abgaben vom Einkommen abgezwickt.
Charter PA-23 für Südsee-Fliegerei kostet 600 Euro die Stunde nass
Nach einem Abstecher auf Huahine landen wir ein zweites Mal in Raiatea und sind schon fast alte Bekannte. Eine Nacht im Hawaiki Nui wird zum besonderen Erlebnis: Die Over-water-Bungalows stehen hier über einem tiefen Grabenabbruch, sodass auch große Fische an die Hütten herankommen und sich füttern lassen. Ein unvergessliches Schauspiel. Unvergesslich auch Rangiroa, das zweitgrößte Atoll der Welt mit seinem berühmten Riputa-Pass, in dem es nach Manihi die meisten Fische pro Volumeneinheit gibt. Und was für welche: Delfine, Haie, Mantas, Barracudas in schier unglaublichen Mengen. Ridley Scott, der „Alien“-Regisseur, hat hier ein Haus und kommt mit seinen Kumpels öfter zum Tauchen.
Auf Rangiroa stehen auch die Stars unter den Hotels der Südsee: das Kia Ora und das Kia Ora Sauvage. Wer sich wirklich einmal zurückziehen will, dem sei das Sauvage ans Herz gelegt. Der eigene Minipool vor dem Bungalow, das Boot zum schippern – so viel Luxus in einer Bambushütte ist wirklich erstaunlich Rangiroas Runway ist zwei Kilometer lang. Das macht den Airport für den internationalen Jet-Set und deren Privat-Jets interessant. Hier ist es anders als drüben auf den Gesellschaftsinseln, hier ist alles frei. Kein Tower außerhalb der Betriebszeiten, keine Security, keine Landegebühr. Leider ist unsere Sprit-Pumpe verschwunden, sodass wir den Heimweg zunächst nicht antreten können. Wir lassen mit Hilfe einiger Arbeiter am Airport die letzten eineinhalb Fässer auf einen Wagen heben, organisieren einen Schlauch und machen die „Buschpilot-Nummer“: Tanken mit Ansaugen. Pfui Deibel – aber es funktioniert.
Tipps und Infos zur Südsee-Fliegerei
Der Weg in die Abendstimmung von Tahiti wird spannend, denn der linke Motor setzt immer wieder kurzzeitig aus. Ein „interessantes“ Gefühl über der Weite des Pazifik. Mit Hilfe der Fuel Pump bleibt das Ding in Betrieb und mein Adrenalin im Normbereich. Am Horizont taucht der Mount Orohena auf wie im Film „Waterworld“ das gelobte Festland. So emp- finden wir das auch. Heimkehr. Von einer Rundreise, die einzigartig war. Und schon beim Einchecken nach Europa planen wir das kommende Jahr. Allerdings zu viert oder gar zu sechst – denn eines war dieses Erlebnis nicht: billig. Und zwar in keiner Hinsicht.
Flugzeug chartern: Serge Lallemand und Patrick Wuerfel vermieten eine PA-23 Aztec für 600 Euro die Stunde nass. Voraussetzung: JAA- Lizenz, Zweimot-Rating, Checkflug durch einen der beiden Halter. IFR-Rating empfehlenswert, da kein Night-VFR. Kartenmaterial gibt es bei den Vermietern.
Wenn Voraussetzungen fehlen, etwa das Multi Engine Rating, ist ein Check-out mit einem lokalen Prüfer notwendig. Doch Achtung: Dafür ist auf Tahiti wenig Personal vorhanden.
Flugpläne werden per Telefon aufgegeben, das lokale Mobilfunknetz bietet sehr gute Abdeckung. Telefon Reporting Office Tahiti FAAA Airport 00689/861153.
Die Distanzen sind überschaubar. Beispiele: Tahiti–Bora Bora 200 Nautische Meilien, Tahiti–Rangiroa 280 Nautische Meilen. Die Australes und die Marquesas erfordern ein äußerst aufwendiges Fuel-Management und Vorrathalten. Distanzen 600 bis 700 Nautische Meilen.
Geld: Alle gängigen Kreditkarten, Euro, Polynesische Franc
Essen: Unbedingt Mahi-Mahi probieren. Ferner unvergleichlich guten rohen Thunfisch in diversen Zubereitungsarten – alles frisch und unbedenklich. Vorsicht: Auch auf den wasserreichen Inseln ist das Leitungswasser wegen schlechter Leitungen nicht trinkbar!
Text und Fotos: Hans Bachmann, fliegermagazin 12/2006
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