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Rundreise mit C172 Skyhawk: die Nationalparks im Westen der USA
Aus der Luft ist die Natur der USA besonders eindrucksvoll. Auf einer organisierte Flugreise profitieren Piloten zudem von Ortskenntnis und Organisationstalent der Veranstalter
Gleich beim Tour Briefing am ersten Abend in Grand Junction, Colorado, überbringen unsere Tour-Guides Marisa und Collin Fay die wenig urlaubskompatible Nachricht: Wer im Juli im Südwesten der USA halbwegs erträglich fliegen will, der muss bis Mittag wieder am Boden sein. Danach setzt die Thermik voll ein – und dann wird’s richtig ruppig. Am Nachmittag entwickeln sich oft Sommergewitter, auch die Dichtehöhe wird in der Wüste schnell zum Problem. Also lautet der Plan an den Flugtagen: 5 Uhr Wecken, 6 Uhr Checkout, 7 Uhr Abheben.
Die Begeisterung in unserer Gruppe von 13 Personen in sieben Flugzeugen dämpft das nicht. Wir haben bei Park West Air Tours die Grand Expedition gebucht: 13 Tage über und in den Nationalparks im Westen der USA, mit etwa 30 Flugstunden und 2800 Nautischen Meilen Strecke. Die Routenbeschreibung enthält alles, was man im Wilden Westen gesehen haben muss: Lake Powell, Zion National Park, Yosemite, Crater Lake, Glacier National Park, Yellowstone. Park West (www.parkwestair.com) ist das Unternehmen von Marisa und Collin; das Paar bietet ausgehend von seinem Heimatort Grand Junction seit Jahren geführte Flugtouren durch den Westen der USA an.
Thermik: Wer im Juli im Südwesten der USA halbwegs erträglich fliegen will, der muss bis Mittag wieder am Boden sein
Es ist meine dritte Tour mit Park West, ich bin der einzige „Kraut“. Zwei Südamerikaner kommen dazu, die übrigen Teilnehmer sind US-Amerikaner – die meisten mit dem eigenen Flugzeug angereist. Bei mir dagegen stand schon an den Vortagen der Checkout in meiner gecharterten Cessna 172 an. Es geht mitten in die Rocky Mountains, nach Aspen und Leadville. Wen Samedan beeindruckt, mit 5600 Fuß Europas höchstgelegener Verkehrslandeplatz, der wird bei Leadville richtig ins Schwitzen kommen: Der höchstgelegene Flugplatz der USA hat 9925 Fuß Elevation!
Neben mir sitzt Curt, Fluglehrer des Colorado Flight Center, wo ich die Skyhawk mit der Kennung N2443V für die nächsten zwei Wochen gemietet habe. Die Maschine mit Garmin-G1000-Glascockpit kostet nass 135 US-Dollar pro Stunde. Es ist früh, die Luft ist kühl und ruhig. Der Platz des Wintersport-Dorados Aspen in knapp 8000 Fuß ist nach einer Stunde erreicht. Vom Tower gibt’s die Freigabe für einen Touch and Go und weiter geht es über das Ruedi Reservoir und den 11 925 Fuß hohen Hagerman Pass, bevor wir in Leadville aufsetzen. Geschafft!
Ich bin mit einer gecharterten C172 dabei
Durchatmen, aber nur kurz. Die Julihitze kommt auch hier oben an und treibt die Dichtehöhe leicht auf Werte, die den Start einer Cessna 172 unmöglich machen können. Am frühen Vormittag mit zwei Durchschnittsgewichtigen und nur noch halb gefüllten Tanks passt die 6400 Fuß lange Bahn – aber erst nach endlos erscheinendem Rollen heben wir ab und steigen mit extrem schlechter Rate. Am Tag zuvor hatte ich ein theoretisches Mountain Flying Seminar absolviert, für einen Flachländer der beste Einstieg in die speziellen Anforderungen der Gebirgsfliegerei.
Beim Tour Briefing erläutern Collin und Marisa, die den Tross von sieben Flugzeugen in ihrer Cessna P210 begleiten, die Streckenabschnitte, die Flugplätze, militärische Lufträume, das Wetter und Funkverfahren. Jeder Teilnehmer hat die von den Fays vorgegebene Route in seinem GPS einprogrammiert. Darin gibt es viele Schlenker, die zu besonders sehenswerten Punkten führen. Am Sonntagmorgen ist es so weit: ATIS, Ground, Tower, „request westbound departure“, der Lotse wünscht gute Reise, und los geht es – um 7 Uhr.
Die Julihitze leicht Werte, die den Start einer Cessna 172 unmöglich machen können
Die langsamen C172 zuerst, die schnelle Zweimot von Dan aus Iowa als vorletzte, und die P210 mit Collin am Steuer und Marisa am Funk bildet das Schlusslicht. Weil sie mit der schnellen Cessna den direkten Weg zum Ziel fliegen, werden sie trotzdem immer als erste ankommen. So sind Abstellplätze, Auftanken und der Bus schon organisiert, wenn die Gruppe einfliegt.
Nach fünfzehn Minuten kurze Meldung auf der Bord-Bord-Frequenz an Marisa, dass der erste Wegepunkt Mack in 8500 Fuß passiert wurde. Ich bin allein hier oben. Die zwei G1000-Bildschirme mit Fluginstrumenten und Navigationsanzeige sind zwar faszinierend, aber hier verlieren sie an Reiz: Die Landschaft Utahs unter mir ist atemberaubend. Bergplateaus und Canyons in leuchtenden Farben wechseln in schneller Folge. Erst überfliege ich die Nationalparks Canyonlands und Arches. Dann folge ich dem Colorado River bis zum aufgestauten Lake Powell. Der See hat die Schluchten so gefüllt, dass sich unzählige Buchten und Seitenarme gebildet haben.
In der Nähe des Zion National Park landen wir in St. George
Erinnerungen werden wach: Südostwärts liegt das Monument Valley, das wir auf einer früheren Tour mit Park West besucht haben. Es ist kein Nationalpark, sondern ein Navajo-Reservat – hier gibt es keine Mindestflughöhe. Nach dem Slalom zwischen den runden Felstürmen sind wir vor zwei Jahren in Gouldings Trading Post gelandet. Dort liegt das Hotel direkt am Ende der Bahn, dahinter reckt sich eine Felswand. Am Abend zeigte das Hotelkino den Western-Klassiker „Stagecoach“ mit John Wayne, der hier 1938 gedreht wurde. Heute biegen wir nach Westen ab: über die rosafarbenen Felstürme des Bryce Canyon und den Zion National Park zum nahe gelegenen Flugplatz St. George in Utah.
Auch den Grand Canyon lassen wir im Süden liegen. Vor zwei Jahren haben wir ihn in 10 500 Fuß MSL überflogen, unter genauer Beachtung der Korridore, in denen Überflüge erlaubt sind. Auch aus dieser Höhe sind die zerklüfteten tiefen Canyons und Schluchten in allen nur denkbaren rötlichen Farbnuancen beeindruckend. Zwei bis dreieinhalb Stunden lang sind die Flugabschnitte der Tour. Bei der Landung in St. George wartet schon der Bus. Wir übernachten mitten im engen Tal des Zion National Park, in der klassischen Zion Lodge. Wie Marisa die Zimmer in diesen auf Monate und manchmal Jahre ausgebuchten Hotels organisiert, ist mir ein Rätsel. Fast immer sind es architektonisch wunderbar in die Landschaft eingepasste Hotels mitten in den Nationalparks. Sie stammen meist aus den zwanziger und dreißiger Jahren.
Am nächsten Tag geht es entlang militärischer Sperrgebiete über die Wüste Nevadas nach Mammoth Lakes an den Fuß der Sierra Nevada. Die Bergkette trennt den Bundesstaat von Kalifornien. Jetzt kommt die längste Strecke der Tour auf uns zu. Die Zeit am Morgen reicht nicht einmal für ein richtiges Frühstück. Wir queren die Sierra Nevada und fliegen am Yosemite National Park entlang. Der fast 1000 Meter aufragende Monolith El Capitan mittendrin erscheint aus der Luft bedeutender als am Boden. Vorbei geht es am alpinen Lake Tahoe und später an dem Vulkan Mount Shasta mit seinen Gletschern.
Noch am frühen Morgen erreichen wir Red Bluff nördlich von Sacramento, der Hauptstadt Kaliforniens – mehr als ein Tankstopp: Im Flugplatzrestaurant gibt es ein opulentes amerikanisches Frühstück. Weiter geht es nach Klamath Falls in Oregon. Unser Ziel ist der Crater Lake, ein über 500 Meter tiefer Kratersee des ehemaligen Vulkans Mount Mazama, dessen Kegel nach einer Eruption vor Jahrtausenden zusammenbrach. Das tiefblaue Wasser, die Wälder und die Ruhe hier oben auf 2000 Meter Höhe sind beeindruckend. Marisa hat wieder das beste Hotel gebucht: die Crater Lake Lodge unmittelbar am Kraterrand. Hier bleiben wir zwei Nächte.
Mit unseren sieben Kleinflugzeugen durch den Südwesten der USA
Einen Tag ohne Fliegen kann die Truppe inzwischen gut brauchen. Im Nachhinein werde ich zu dem Schluss kommen: Der Crater Lake war am schönsten. Er ist nicht ganz so bekannt wie die anderen Parks – und deshalb weniger überlaufen. Hier kann ich mich auch mal von der Gruppe entfernen und alleine auf Exkursion gehen. Dennoch sind die Mitreisenden ausgesprochene „nice guys“, zu denen ich leicht Kontakt finde. Wie bei vielen Amerikanern gilt der friedensstiftende Grundsatz: Wir können über alles reden, nur nicht über Politik und Religion.
Nach der eintägigen Pause fliegen wir über den Nordosten Oregons, dünn besiedelt und landschaftlich nach all den Highlights ein wenig langweilig. Wir kreuzen die östliche Gebirgskette der Rocky Mountains mit dem Glacier National Park an der kanadischen Grenze und landen im Blackfeet Indianerreservat. Dies ist der nördlichste Punkt unserer Reise, auch hier gibt es einen Tag Pause. Im Glacier Park zeigt Collin auf einen Berg: „Den habt Ihr alle schon mal gesehen!“ Tatsächlich: Es ist der Paramount Peak, das Logo der gleichnamigen Filmgesellschaft. Den brüllenden Löwen der Konkurrenz sehen wir nicht. Es geht südwärts, mit einem Tankstopp in Choteau und dann zwischen Bergkuppen hindurch und über den Hebgen Lake zu einem malerischen Anflug nach West Yellowstone.
Bald landen wir im Glacier National Park
Der älteste National Park der USA – und auch einer der bekanntesten. Das merkt man leider überdeutlich vor den Toren des Parks: Für die vielen Touristen hat sich eine laute Budenstadt mit Motels, Supermärkten und Souvenirshops entwickelt. Zum Glück folgt gleich dahinter das Naturreservat: ein aktives Vulkangebiet mit Geysiren, Fumarolen, heißen Quellen und dem Yellowstone River. Dessen spektakulären Wasserfall besichtigen wir natürlich. Auf den Wiesen grasen Bisonherden. Holzstege führen vom Old Faithful Geysir, der in regelmäßigem Abstand seine heiße Wassersäule 50 Meter hoch schießen lässt, vorbei am Grotto Geysir zum Morning Glory Pool.
Wieder wohnen wir mitten drin, im Old Faithful Village. Und wieder bleiben wir zwei Nächte. Doch der Besuch ist trotzdem zu kurz, um alles zu sehen.Womöglich könnte man sich diese Reise auch alleine organisieren – aber das wäre ein Riesenaufwand. Viele der Hotels wären wohl schon ausgebucht, und an etlichen Highlights würde man mangels Ortskenntnis einfach vorbeifliegen. Wo unsere Gruppe mit einem Bus abgeholt wird, wäre für Einzelreisende an jedem Flugplatz ein Mietwagen fällig. So käme die Reise wohl auch nicht viel billiger als die zirka 4000 US-Dollar, die Park West für diese aufwändige Organisation inklusive Halb- und an vielen Tagen Vollpension berechnet hat. Die Kosten für das Flugzeug und die Anreise kommen allerdings noch hinzu.
Für ein Foto kommt die Piper Comanche bedrohlich nah
Bei unserem letzten frühmorgendlichen Flugbriefing ist ein wenig Wehmut spürbar – obwohl Collin wieder nur gutes Wetter parat hat. Auf dieser Reise ist es wie auf den beiden davor: Zwar steht im Kleingedruckten des Vertrags irgendwo, dass bei schlechtem Wetter die Pläne geändert werden – aber wir haben durchgehend beste VFR-Bedinungen. Das ist bei der Größe des überflogenen Gebiets eigentlich erstaunlich. Nach Süden geht es über den Yellowstone Lake, dann an den Gipfeln der Teton Range vorbei. Unser letzter Tankstopp ist im Alpine Residential Airpark, einem kleinen Fliegerdorf. Das Musterhaus direkt an der Piste 31 mit Hangar und Doppelgarage wird für eine Million Dollar angeboten.
Wir starten zur letzten Etappe. Inzwischen habe ich meine Mitreisenden gut kennen gelernt: In 9500 Fuß überholen mich Alan und Anna Cheak aus Georgia in ihrer roten Piper Comanche. Alan ist ehemaliger Top-Gun-Kampfjetpilot und manövriert seine Comanche für ein Foto in bedrohliche Nähe. Zwei Stunden später sind wir wieder am Ausgangspunkt unserer Reise in Grand Junction angekommen. Beim Abschieds-Dinner werden besondere Momente und fliegerlateinische Highlights diskutiert und neue Freundschaften bei kalifornischem Wein besiegelt.
Text: Dirk Kruse, Fotos: Alan Cheak, Collin Fay, Dirk Kruse, fliegermagazin 4/2010
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