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Mit der Diesel-Twin Diamond DA-42: Long Range nach Malaysia
… und das auf kürzestem Weg. Ein Team von Diamond Aircraft hat den 6000-Meilen-Ritt in sechs Tagen bewältigt
Lima – das klingt nach Südamerika, Peru, Anden, Sommer, Strand und Sonne. Doch in diesem Fall liegt man damit total daneben. Auch geographisch. LIMA steht für Langkawi International Maritime and Aerospace Exhibition, und die Insel Langkawi liegt im Norden Malaysias. Nicht gerade um die Ecke, doch die LIMA ist eine wichtige Luftfahrtmesse für den asiatisch-pazifischen Raum. Und eben dort wollte Diamond Aircraft sein jüngstes Produkt präsentieren: die Opale, ein mit Infrarotkameras und diverser Sensorik ausgerüstetes Überwachungsflugzeug auf Basis der Diesel-Zweimot DA42. Doch erst mal hinkommen. Und zwar auf dem Luftweg. Wie eine solche nicht ganz alltägliche Reise zu organisieren ist, wussten die Österreicher bereits: Unlängst sind 19 DA42 nach Malaysia überführt worden.
So gab es schon einige Erfahrungen, die nicht mehr gemacht werden mussten. Neben den Überfluggenehmigungen für alle Länder außerhalb der EU erfordert jede Zwischenlandung die Abfertigung durch die örtlichen Behörden und meist auch ein Visum für die Piloten – eine Notwendigkeit, die den Vorbereitungsaufwand erheblich erhöht. Um also die Anzahl der Zwischenlandungen gering zu halten, wurde die Opale zusätzlich zu den optionalen Zusatztanks mit einem 260 Liter fassenden Ferrytank ausgerüstet. Insgesamt standen damit 145 Gallonen Kraftstoff zur Verfügung, was bei einer Leistungseinstellung von etwa 75 Prozent zu zwölf Stunden Flugdauer führte. Dank dieser Long-Range-Eigenschaften konnten die Routen so geplant werden, dass bei etwa gleichen Streckenabschnitten zwischen 1200 und 1300 Nautischen Meilen nur ein Visum für Indien notwendig war.
Zur LIMA-Luftfahrtmesse in Malaysia mit Diamond DA-42
So ging es von Wiener-Neustadt (LOAN), über Pafos auf Zypern (LCPH), Bahrain im Persischen Golf (OBBI), Ahmedabad in Indien (VAAH), Kalkutta (VECC, Indien) nach Langkawi (WMKL) – insgesamt 5965 Nautische Meilen. Geplant waren fünf Tage, am Ende wurden es sechs. Das Schöne beim Fliegen ist oft, dass man den Vorbereitungsstress im Moment des Abhebens hinter sich lassen kann. In unserem Fall hatte es am Vorabend Ärger gegeben, weil unser Flugplan durch Eurocontrol in Brüssel ohne Angabe von Gründen mehrfach abgelehnt worden war. Da war dann die Kooperation der freundlichen AIS-Mitarbeiter von Wien gefragt, um die Wut zu mildern und einen akzeptierten Flugplan zu produzieren. Über Ungarn, Serbien, Bulgarien und die Türkei flogen wir nach Zypern. Entgegen den vorher begutachteten Windkarten hatte wir sogar in Ex-Jugoslawien eine beachtliche Rückenwindkomponente von teils mehr als 20 Knoten.
Die Groundspeed erreichte fast 195 Knoten und sorgte für gute Stimmung an Bord. Das blieb leider nicht so. Ein Schlechtwettergebiet in der Türkei mit Regen, Eis, und Turbulenzen blies uns mit 69 Knoten entgegen und bremste die Groundspeed auf deprimierende 78 Knoten. Erst kurz vor Rhodos war der Spuk wieder vorbei. Ordentliches Wetter und ein braver Wind begleiteten uns den Rest der Strecke bis Pafos, wo wir nach knapp achteinhalb Stunden den ersten Abschnitt erfolgreich beendeten. Den Abflug für den nächsten Tag mussten wir auf 9 Uhr Lokalzeit festlegen. Weil es dann doch immer etwas länger dauert, waren wir erst um 9.50 Uhr wieder in der Luft, um die 1300 Meilen nach Bahrain zu bewältigen. Der berechnete Plan wies eine Flugzeit von genau neun Stunden aus, entsprechend sparsam fiel das Frühstück aus – vor allem nicht so viel trinken!
In Libanon staunten wir über die Schneebedeckten Berge
Das Wetter war für diesen Abschnitt gut. Am Vorabend hatten wir unsere Laptops gequält, bis sie eine brauchbare Information über das Streckenwetter ausgaben. Zwar haben viele Hotels Internetzugang, doch wenn der nicht so funktionierte, wie er sollte, musste die mitgenommene Mobilfunk-Karte herhalten. Auf diese Weise waren wir wettertechnisch immer gut versorgt, weit besser, als wenn man sich auf die örtlichen Wetterfrösche hätte verlassen müssen. Libanon empfing uns mit einem irritierenden Anblick. In der Erwartung, in diesen Breiten immer positive Temperaturen anzutreffen, staunten wir angesichts schneebedeckter Berge. Doch bei einer Höhe von maximal 8580 Fuß eigentlich kein Wunder. Aufgrund militärischer Sperrgebiete und unseres erklärten Wunsches, einen ausreichenden Respektabstand zur irakischen Grenze zu halten, verlief unser Flugweg zunächst durch Syrien nach Damaskus und weiter nach Qatraneh in Jordanien, um danach in einer scharfen Linkskurve nach Saudi Arabien abzubiegen.
Der Funkverkehr war auf diesem Abschnitt erstaunlich stabil. Obwohl die Streckenminima wegen der Funküberdeckung teilweise bei FL 150 lagen, ließ man uns auch in Flugfläche 130 oder niedriger fliegen. Da es in der Wüste keine Radarüberdeckung gibt, wurden von ATC immer wieder die angegebenen Überflugzeiten abgefragt. Und noch etwas wollten die Controller wissen: „Report type of aircraft.“ Offenbar zockelt nicht oft jemand so tief und langsam durch die Wüste. Da sie mit der Typenbezeichnung DA42 meist nicht wirklich etwas anfangen konnten, gaben wir eine kurze Erklärung zur Größe unseres Fluggerätes. Je näher wir an die Golfküste kamen, desto belebter wurde die Landschaft unter uns. In der letzten Stunde war das nur an der Beleuchtung zu erkennen, denn es war schon wieder dunkel. Bahrain bei Nacht zeigt deutlich seinen Wohlstand. Kaum eine Straße ist unbeleuchtet – Energie gibt’s ja genug.
Durch die Wüste: Ungläubigen Controllern erklären wir die Größe unseres Flugzeugs
Wir landeten nach achteinhalb Stunden. Mit der Durchschnittsgeschwindigkeit von 161 Knoten konnte man wirklich zufrieden sein. Der Abflug am folgenden Tag präsentierte uns die gesamte Pracht einer reichen Ölstadt. Wirklich beeindruckend ist, wieviele Gebäudekomplexe auf künstlich angelegtem Grund stehen: Braucht man dort Platz, wo dummerweise Meer ist, wird die benötigte Fläche kurzerhand aufgeschüttet und darauf gebaut. Über Abu Dhabi und Muscat führte unsere Strecke an die pakistanische Küste und von dort übers Wasser nach Indien. Über die Bürokratie in Indien gibt es schaurige Geschichten von stundenlangem Ausfüllen endloser Formulare und ewigem Warten bei Zoll und Einwanderungsbehörde. Entsprechend gebrieft waren wir auf einiges gefasst und hatten uns auf eine lange, respektive kurze Nacht eingestellt.
Umso überraschter waren wir, dass wenig von den Schauergeschichten zuzutreffen schienen. Der Tankwagen war sehr schnell zur Stelle, und eine Menge Inder bemühten sich, uns die Sache leicht zu machen. Die vielen Formulare mit noch mehr Durchschlägen gibt es wirklich, und auch die Wartezeiten bei Zoll und Einwanderungsbehörde sind keine Mär, aber die Handlingagenten hatten alles gut vorbereitet und konfrontierten uns nur mit dem absolut Unvermeidbaren. So waren Betankung, Zollabfertigung und Flugplanabgabe für den nächsten Tag innerhalb tolerierbarer zwei Stunden abgeschlossen. Kalkutta hieß unser nächstes Ziel. Auf dem Flug dorthin wird das Bevölkerungsproblem dieses Landes offensichtlich: Man findet keinen Fleck, der dünn besiedelt ist. Angesichts des hervorragenden Wetters auf der gesamten Strecke wunderten wir uns, dass die ATIS von Kalkutta Sichtweiten um 3,5 Kilometer und weniger ankündigte.
Reduzierte Sicht: Der Flughafen in Kalkutter lag komplett im Smog
Da es schon dunkel war und die Lichter der Stadt entsprechend gut zu sehen, rätselten wir, was da wohl am Flughafen die Sicht so drastisch reduziert. Die Antwort nach der Landung war noch mehr zu riechen als zu sehen: Smog. Der Gestank nach dem Öffnen der Haube war immens. Da müssen schon alle 25 Millionen Kalkuttaner zusammenarbeiten, um das hinzukriegen. Dass sie das auch tun, konnten wir später sehen. Angenehme fünfeinhalb Stunden Flugzeit lagen hinter uns, und wir glaubten, dass die Formalitäten nach einem Inlandflug kürzer ausfallen sollten als nach einer Einreise. Völlig falsch, fast naiv, diese Vorstellung, wie wir erfahren durften. Die Handlingagenten haben uns die Sache allerdings wieder einfach gemacht, sodass kein Verdruss aufkam. Wie immer auf dieser Reise war am Abend bereits alles für den nächsten Tag vorbereitet. Alles lief wie am Schnürchen, jedenfalls für indische Verhältnisse, und wir waren um kurz nach neun in der Luft.
Versehen mit der Clearance bis Langkawi, glaubten wir uns schon auf dem letzten Abschnitt des Hinweges. Dann der Funkspruch: „O-EFMP, Bangladesh has no permission number for your flight!“ Die Bitte, doch noch mal nachzufragen ergab, dass wohl eine Nummer für das Kennzeichen O-EEMP vorlag aber nicht für O-EFMP. Dass es sich dabei ganz offensichtlich um einen Übermittlungsfehler handelte, half nichts. Es blieb uns nichts anderes übrig als kehrt zu machen und wieder in Kalkutta zu landen. Durch die nahe Grenze zu Bangladesh wäre auch kaum Zeit geblieben, um noch in der Luft einen eventuellen Ausweg zu finden. Das Umfliegen des Luftraumes von Bangladesh kam nicht in Frage, weil das nur über Upper Airways möglich ist. Dafür reicht die Dienstgipfelhöhe der Twin Star mit 18 000 Fuß nicht ganz aus.
Übermittlungsfehler: Es blieb uns nichts anderes übrig als kehrt zu machen und wieder in Kalkutta zu landen
Also freute sich unser Pass über einen weiteren Einreisestempel, denn natürlich musste das ganze Imigrationsverfahren wieder durchlaufen werden. Dass wir gar nicht aus Indien ausgereist waren und zuvor aus Indien ankamen, spielte anscheinend überhaupt keine Rolle. In Indien muss der Amtsschimmel permanent heiser sein. Wir nutzten den freien Tag zu einer Stadtbesichtigung. Das Hotel riet uns, ein Auto mit Fahrer zu mieten. Ein weiser Ratschlag, denn: Sich hier selbst ans Steuer zu setzen ist ein masochistischer Akt der besonderen Art, den sich keiner antun wollte. Schon das Mitfahren erfordert eine besondere Nervenstärke. Offiziell hat Kalkutta etwa 12 Millionen Einwohner. Inoffiziell sind es mit 25 Millionen mehr als doppelt soviel. Und alle fahren irgendwie durcheinander. Chaos pur.
Die Anzahl der Sehenswürdigkeiten der Stadt hält sich in Grenzen: ein paar Museen, das Victoria Memorial – ein monumentaler Marmorbau, der eine Sammlung zur britisch-indischen Geschichte enthält – und der Kali-Tempel, um den herum einst die Stadt entstanden ist. Anderntags stellten wir mit Hilfe unserer Handlingcrew sicher, dass die neue Nummer der Überfluggenehmigung akzeptiert würde, ehe wir – nach vielen Formalitäten – wieder in die Luft gingen. Das Satellitenfoto hatte uns gezeigt, dass der größte Teil der Flugstrecke wolkenfrei war, nur zwischen Phuket und Langkawi bilden sich am Nachmittag immer einige CBs oder sogar Gewitter aus. Die Vorhersage für Langkawi aber war unverdächtig, sodass wir davon ausgingen, selbst bei Nacht keine besonderen Probleme zu bekommen.
In Phuket wagen wir eine Landung im Regen
Kurz vor Phuket deutete sich an, dass das Wetter vielleicht doch nicht so gut sein könnte wie erwartet. Es waren deutlich Gewitterzellen zu erkennen, die auch hier und da einen Blitz ins Meer sendeten. Optisch waren die Zellen gut auseinanderzuhalten und die Abstände groß genug, um zwischen ihnen hindurch zu fliegen. Unser Stormscope erleichterte uns die Arbeit. Wir entschlossen uns deshalb, solange weiterzufliegen, wie es möglich war, die unangenehmen Bereiche zu umfliegen. Nach Phuket waren noch einige Blitze auf dem Bildschirm, aber danach sah es deutlich besser aus. Inzwischen war es dunkel geworden und die Wolken nicht mehr zu sehen. Bis auf kleinere Turbulenzen passierte zunächst nichts Beunruhigendes. Auch der Wetterreport des Towerlotsen in Langkawi hörte sich nicht dramatisch an, sodass wir der Überzeugung waren, bald aus dem Dreckwetter herauszukommen.
Als jedoch eine vor uns fliegende Boeing 737 der Malaysia Airlines, die für uns schon eine Weile Kontakt zum Langkawi Tower hielt, meldete, dass sie ausweichen würde, wurden wir stutzig. Wir waren nun schon bis etwa 20 Meilen an den Flugplatz herangekommen, sodass der Weg zurück deutlich länger gewesen wäre und uns wieder in ein Gebiet mit mehr Gewitteraktivitäten geführt hätte. Also beschlossen wir, einen Anflug zu machen. Das war der Zeitpunkt, als es anfing, sehr heftig zu schütteln. Starker Regen und offensichtlich einige durchflogene CBs ließen unsere TwinStar tanzen. Auch der Sinkflug brachte nicht den gewünschten Erfolg, von den Wolken freizukommen. Ferner konnte Langkawi Tower uns keine Radarvektoren geben.
Gewitter, Turbulenzen und starker Regen: Anflug auf Langkawi
Ohne das Garmin 1000 wäre der selbstständige Anflug wirklich schwierig geworden, zumal der Blick in das Jeppesen Tripkit offenbarte, dass keine Anflugkarte von Langkawi vorhanden war. Sicher ein Fehler, den wir früher hätten bemerken müssen. Bei böigem Seitenwind und heftigstem Regen war der ILS-Anflug bis 100 Fuß über dem Minimum dann auch richtig Arbeit. Schließlich kam die rettende Landebahn in Sicht. Erst jetzt zeigte sich allerdings die wahre Intensität des Regens, denn trotz wolkenfreier Sicht war die Anflugbeleuchtung kaum zu erkennen. Die Landung glich dann auch mehr einer Wasserung: Der Wasserfilm auf der Bahn war mindestens sieben Zentimeter hoch! An Bremsen war zunächst nicht zu denken, denn tatsächlich schwamm unser Flieger zunächst über die Bahn.
Dank ausreichender Pistenlänge (und -breite) und des fortwährenden Versuchs, auf dem dunklen Streifen zwischen den Lichtern zu bleiben, rollten wir schließlich dort von der Bahn ab, wo man einen Taxiway vermuten konnte. Der Towerlotse konnte nicht helfen, denn der sah uns einfach nicht. Erst als wir unter einer starken Vorfeldlampe zum Stehen kamen, begrüßte er uns freundlich auf Langkawi. Aussteigen war definitiv keine gute Idee. Alles wäre in Sekunden durchnässt gewesen. Also warten, bis der Regen ein wenig nachlassen würde. Er ließ aber nicht nach – der Spurt zu einer nahe gelegenen Halle wurde unausweichlich. Später erfuhren wir, dass etwa eine halbe Stunde vor unserer Landung eine Windböe große Teile des Daches der LIMA-Ausstellungshalle abgedeckt und zirka 200 Meter weiter fallengelassen hatte.
Turbulenter Empfang: Der Sturm hat große Teiles der Ausstellungshalle abgedeckt
Das Loch im Dach des Hangars, in dem wir uns unterstellten, war durch ein Bruchstück verursacht worden. Auch der Regen sollte angeblich der heftigste seit Monaten sein – wer hat sich diesen Empfang wohl ausgedacht? Dennoch waren wir erleichtert, nach knapp 6000 Meilen gut am Ziel angekommen zu sein. Trotz des pannenfreien Fluges: Vom Fliegen hatten wir erst einmal genug und freuten uns auf ein paar entspannende Tage in Malaysia. Denn mit dem Umbau der DA42 vom Ferry- zum Überwachungsflugzeug Opale hatten wir nichts zu tun; den übernahmen ein Prüfer für Luftfahrtgerät aus Österreich und die Techniker von Rheinmetall. Wir kamen erst wieder auf den Plan, als es an den Rückflug ging. Und wenn man mal davon absieht, dass wieder die Genehmigungsnummer für den Überflug von Bangladesh fehlte, war der fast unbürokratisch …
Text und Fotos: Hans-Peter Walluf, fliegermagazin 7/2006
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