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Mit dem UL-Doppeldecker durch Namibia: Buschfliegen im Sunwheel
Eine Farm in Afrika, ein offenes Flugzeug, unterwegs über der ältesten Wüste der Welt, Zwischenstation an magischen Plätzen – ein Traum? Nein, Realität: in Namibia
Es ist kalt, im Osten nimmt der Himmel Farbe an, die Sterne verblassen. In wenigen Metern Höhe fliege ich durch eine grandiose Felslandschaft das „Revier“ entlang, wie man hier einen trockenen Flusslauf nennt. Da drüben links auf dem Felsen, nah am Farmhaus, hat Detlef damals den Leoparden gesehen. Die Leopardenberge im Osten, die weiten Ebenen im Westen – alles was man sieht, atmet Größe und Freiheit. Der Tag erwacht. Die ersten Sonnenstrahlen tauchen die Gipfel der Berge in orangerotes Licht. Der Rotax schnurrt zufrieden und wärmt mir die Füße. Mein Ziel sind die großen Ebenen im Südwesten. Dort hat es vor wenigen Tagen nach langer Trockenheit zum ersten Mal wieder geregnet. Der kleine rote Doppeldecker schwebt dem neuen Tag entgegen.
Das wesentliche Element dieser Landschaft ist die Luft. Hier atmet es sich leicht, man saugt Lebensgewissheit und Unbeschwertheit auf. Aus meiner flachen Perspektive schimmert die Wüstenebene schon leicht grünlich. Die ersten zarten Grashalme erreichen das Licht. Plötzlich Staub auf elf Uhr, schemenhaft erkenne ich Zebras, fünfzig, achtzig, nein mehr als hundert Tiere stürmen gen Westen. Die geografische Lage und Höhe dieser Region haben eine Landschaft geschaffen, die ihresgleichen sucht. Wenn der Regen kommt, und nur dann, ist die Natur hier ein Paradies. Das müssen meine Freunde sehen … Wir haben uns zum ersten Morgenkaffee an der großen Landebahn verabredet, um viertel nach Sunrise. Die Farm, zu der sie gehört, liegt am Fuße der Leopardenberge, hundert Meilen östlich der Skelettküste am Atlantischen Ozean, in 1300 Metern. Da spürt man tagsüber die Höhe und die Nähe der Sonne. Die Morgenfrühe und der Abend sind klar und friedvoll, die Nächte kalt.
Fliegen in Namibia: Der kleine rote Doppeldecker schwebt dem neuen Tag entgegen
Drei Pisten hat unser Fliegerfreund Detlef Klein aus Swakopmund auf seinem Grundstück angelegt: die kleine am Farmhaus zwischen den Granitfelsen, wo ich heute vor Sonnenaufgang gestartet bin; eine weitere in der flachen Ebene, genannt Springbock, mit Wasserstelle, Windrad und Pool, in dem Frank immer das Bier für den Sundowner kühlt. Und die große, über 1000 Meter lange Bahn zwischen Springbock und Farmhaus, die Detlef auch bei Hitze mit seiner Zweimot, einer Cessna 310, benutzen kann. Die Sonne blinzelt über die Berge. Tief fliege ich zwischen bizarren Kameldornbäumen und Giraffen hindurch auf die große Bahn zu, der MP3-Player spielt Vivaldi. Tatsächlich, da sind meine Freunde: Frank Siemoneit, Birgit Merhof und Fritz Kramer, mit Geländewagen und Kaffee. Breakfast in Afrika. Der Tag kann kommen. Crew change, jetzt fliegen meine Freunde. Vor 13 Jahren haben Frank und Fritz den kleinen Doppeldecker selbst gebaut.
Der Sunwheel ist gutmütig, fliegt zirka 100 km/h Reise, und sein 80-PS-Motor ist leise genug, um die Tiere nicht zu sehr zu stören. Wenn wir in respektvoller Entfernung an Giraffen vorbeirauschen, drehen sie nur kurz den Kopf und schreiten dann majestätisch weiter ihrer Wege. Diese eleganten Riesen sind hier zu Hause, wir nur kurz zu Gast. Morgens und abends, wenn das Licht am schönsten und die Luft noch nicht von Thermik, Starkwind und Dustdevils zerrissen ist, reicht die Leistung des kleinen Motors, um auch zu zweit dieses Naturschauspiel zu genießen. Mit dicken Ballonreifen, ELT und namibischer V5-Kennung steht der Sunwheel sonst auf dem Flugplatz Swakopmund im Hangar von Detlef Klein. Der Ort ist eine Kleinstadt samt Bahnhof und Schule aus dem Deutschland der Jahrhundertwende, malerisch gelegen an der Atlantikküste. Hier hieß die Hauptstraße noch bis vor wenigen Jahren „Kaiser-Wilhelm-Straße“.
Tief fliege ich zwischen bizarren Kameldornbäumen und Giraffen hindurch auf die große Bahn zu
In der „Adler“-Apotheke wird Deutsch gesprochen, beim Bäcker gibt’s gutes Vollkornbrot und im Bottle Store Bier nach deutschem Reinheitsgebot. Einen Leuchtturm wie an der Nordsee hat Swakopmund natürlich auch; am Fuß der Anhöhe, auf der er steht, findet man übrigens ein nettes kleines Café mit Blick aufs Meer. Vor der Küste zieht der kalte, nährstoffreiche Benguela-Strom nach Norden. Starke Fischgründe ernähren eine große Seevogelpopulation, vorwiegend Flamingos und Kormorane. Kormorane – die brachten Detlefs Großvater auf eine Idee: Er bestellte eine Schiffsladung mit Baumstämmen und baute daraus große Holzplattformen. Von Meerwasser umschlossen, sind sie ideale Nistplätze für die Kormorane. Kein natürlicher Feind erreicht sie hier.
Der Seevogelmist Guano wird zweimal im Jahr mit großem Gerät geerntet, in Säcke verpackt und als Dünger in die ganze Welt verkauft. Außerdem betreibt Familie Klein eine Salzproduktion. In großen Verdunstungsbecken gewinnt man Meersalz. Diese Becken bieten auch ein hervorragendes Klima für Austern, die an die besten Restaurants nach Kapstadt geliefert werden – alles Ökoprodukte schon in dritter Generation. Swakopmund ist eine gute Basis für unsere Tourvorbereitungen, Checkflüge und Medical- Verlängerungen zum Erhalt der namibischen Fluglizenz. Der Flugplatz hat eine CTR, drei Pisten, eine Fallschirmsportszene, Flugschule und etliche Flugsafari-Anbieter, bei denen man spannende Touren buchen kann. Ab und zu schaut auch Chris Schutte mit seiner DC-6 B oder einer DC-3 vorbei. Chris bietet nostalgische High-class-Touren beispielsweise nach Südafrika oder zu den Victoria-Fällen an.
Swakopmund ist eine gute Basis für unsere Tourvorbereitungen, Checkflüge und Medical- Verlängerungen
DC-3 hat unser Freund Detlef auch schon geflogen, naja, eigentlich alles: vom Hub- und Tragschrauber über die Dakota bis hin zum Trike, mit dem er seine Farmzäune checkt. Der kleine Sunwheel allerdings macht ihm besonders viel Spaß. Dieser UL-Doppeldecker hat einen hohen Sympathiefaktor, ist inzwischen landesweit bekannt und wird immer wieder bei Sunset über der Strandpromenade gesichtet. Als Angelina Jolie und Brad Pitt in der Stadt zur Geburt ihrer Tochter Shiloh weilten, hatte das Nostalgie-UL Sondereinsatz: Detlefs Tochter Kelly schrieb einen persönlichen Brief an Angelina, umwickelte damit einen Stein und warf ihn aus dem Flieger punktgenau über dem hoch abgesicherten Gelände der Hollywoodstars ab. Sie erhielt eine liebenswürdige Antwort – Angelina fliegt selbst. Was für eine Nacht das war! Millionen Sterne haben über uns geleuchtet, gemütlich warm ist es im Schlafsack gewesen, bei minus zwei Grad unter freiem Himmel – schwer, in die Socken zu kommen.
Vom Cockpit aus sehen Frank und ich den Vollmond hinterm Horizont versinken. Schon seit einer halben Stunde fliegen wir über das Tsauchab-Revier. Aus der Ebene tauchen die ersten riesigen Sanddünen auf. Pfirsichfarben leuchten die östlichen Flanken im frühen Tageslicht. Die Abhänge im Westen liegen noch in tiefstem Schatten. Kein Lüftchen regt sich, Sonnenaufgang über dem Sossusvlei. Jahrmillionenlang geformt durch Wind und das Wasser des Tsauchab-Flusses, entstanden hier bis zu 350 Meter hohe Dünen, die höchsten der Welt. Mit jeder Sekunde verändern Licht und Schatten alle Formen. Der orangefarbene Sand scheint zu leben, sich zu bewegen. Heute stehen in der Umgebung des Sossusvlei Lodges mit allem erdenklichen Komfort. Man kann Ballonfahrten mit Champagner-Frühstück zwischen den Dünen buchen, Geländewagen-Touren oder geführte Wanderungen unternehmen.
Vom Cockpit aus sehen Frank und ich den Vollmond hinterm Horizont versinken
Einen Flug mit einem Doppeldecker gibt’s allerdings nicht zu kaufen. Zurück von unserem Dünenflug verzurren wir das UL neben der Farmhaus-Piste und legen großzügig Maschendraht um die Räder: ein Tipp von einem Cessna-Piloten, der uns gestern Abend am Lagerfeuer von einer alten, herumstreunenden Hyäne erzählt hat, die sich schon mal in Flugzeugreifen oder Leitwerke verbeißt. Schon wird’s heiß. Nach dem Frühstück fahren wir mit meinem Land Cruiser nach Sesriem. Der Wüstenboden reißt hier auf, und das Wasser des Tsauchab formt einen bizarren Canyon, wenn er denn – alle paar Jahre – mal fließt. Zur Kolonialzeit brauchten die Ochsenwagenfahrer sechs aneinandergeknüpfte Ochsenriemen, um an dieser Stelle Wasser schöpfen zu können, daher der Name.
Hier unten steht tatsächlich Wasser, und es ist kühl. Ein guter Rastplatz – was für ein Unterschied zur brütenden Mittagshitze oben auf der Wüstenebene. Mein Großvater war als Missionar in diesem Land ebenfalls mit dem Ochsenwagen unterwegs. Immer wieder erinnert alles, was ich hier sehe und erlebe, an seine Erzählungen, an seine Begeisterung für diese Natur. Gerne hätte ich ihn mal im Doppeldecker mitgenommen … Solitaire – als ich Anfang der achtziger Jahre das erste Mal hier gelandet bin, war das ein verlassener Ort. Der heiße Wüstenwind trieb Wüstenhexen vor sich her, abgerissene Sträucher, die wie Bälle durch die Gegend rollen. Sprit war lange ausgegangen, und Reifenflickzeug, wie ich es damals gebraucht hätte, gab’s ebenfalls keins. Auch heute ist Solitaire noch ein skurriler Platz für schräge Typen.
Gerne hätte ich ihn mal im Doppeldecker mitgenommen …
Wie Percy. Der Tankstellenbesitzer freut sich, uns gesund wiederzusehen, als wir auf dem Rückweg von einem Dünenflug zwischengelandet sind. Vom nördlichen Ende der Schotterpiste, die parallel zur Straße verläuft, konnte man früher bis zur Tankstelle rollen. Dann wurde gebaut – jetzt holt man sich eben den Sprit. Eine eigenartige Magie hat dieser Ort, dessen Bedeutung nur darin zu bestehen scheint, dass er für andere Orte eine hat: als Zwischenstation, Rastplatz oder im Notfall. Hier betankt man sein Auto oder Flugzeug, flickt Reifen, wirft einen Blick auf Percys Schlangen und Skorpione und wünscht den anderen Reisenden eine gute „Pad“. Heute hat Percy leckeres Brot gebacken, Bier und Kaffee ist auch noch da. Nach einer ausgiebigen Pause fliegen wir weiter zu Hans und Kristin. Tsondab Valley, die Farm der Schreibers, liegt nordwestlich von Solitaire am Rand des Namib-Naukluft-Nationalparks, nur eine halbe Stunde mit dem Sunwheel.
Die beiden betreiben eine gemütliche kleine Gästelodge mit gutem Essen und grandiosem Blick auf eine völlig unberührte Landschaft. Das Besondere hier sind versteinerte Dünen aus grauer Vorzeit: dunkelrotes Gestein, teilweise durch den seltenen Regen ausgewaschene Canyons. Bei Hans und Kristin sind sowohl Camper als auch Gäste mit gehobenen Ansprüchen willkommen. Wer möchte, kann auf den Dächern ihrer fünf Bungalows unter den Sternen schlafen. Hans ist Flieger, bietet Touren mit einer Cessna 210 an und kennt sich aus wie kein Zweiter im Land. Für uns hat er extra die Piste am Haus glatt gezogen; für seine 210 ist sie zu kurz, mit der landet er ein Stück entfernt auf einer längeren Bahn. Bei 38 Grad im Schatten schon um 11 Uhr vormittags ist der große Pool mit Sonnendach der Ort unser Wahl. Die Luft flimmert, brütet. Im Nordosten über den Bergen baut sich ein Cb nach dem anderen auf. Kein Wind … Hier kommt Trouble.
Hans ist Flieger, bietet Touren mit einer Cessna 210 an und kennt sich aus wie kein Zweiter im Land
Es fällt schwer, sich vom kühlen Pool auf den Weg zum Doppeldecker zu machen. Wir treiben dicke Eisenstangen in den Wüstenboden, verzurren mit Abschleppseilen Flügel und Rumpf, blockieren Ruder und binden den Vogel zwischen Kameldornbaum und Land Cruiser fest. Der Himmel im Norden ist schwarz. Blitze durchzucken die Gewitterwand. Der Himmel färbt sich rot vom Sand, plötzlich die Böenwalze. Das Cockpit mit Folie abzudecken gelingt uns nicht mehr. Wie aus einem Sandstrahlgebläse kommen Wind und Sand über den heißen Wüstenboden gefegt. Hinter den Dünen kondensiert die herabfallende Luft zu einer gespenstischen weißen Rolle. Überall Sand. Es knirscht zwischen den Zähnen, jeder Wimpernschlag wird zur Qual. Zu dritt versuchen wir, die Querruder festzuhalten, da kommt der Regen – die Erlösung. In der Nacht wieder Millionen Sterne über mir, ich schließe die Augen. War das alles nur ein Traum vom Fliegen?
Fliegen in Namibia: Tipps und Infos
Flugplatz Swakopmund, FYSM
- Lage: 22°39‚30“S 14°34‚00“E, an der Natio- nalstraße B2, zirka 3 Kilometer östlich der Stadt
- Pisten: 06/24, 1600 Meter Asphalt, 17/35, 963 Meter Schotter
Farm Tsondab Valley
- Lage: 23°52‚8,07“S 15°50‚12,36“E
- Pisten: Ost/West, 450 Meter Schotter, direkt am Haus, Ost/West, 1000 Meter Schotter, wenige Kilometer entfernt vom Haus
- Kontakt: Hans und Kristin Schreiber, Telefon +264-(0)61 68 10 30, E-Mail africanbluesky@iafrica.com.na, www.tsondabvalley.iway.na/de/about.htm
Solitaire
- Lage: 23°53‚45,63“S 16°0‚17,63“E
- Piste: Nord/Süd parallel zur Straße, 1000 Meter Schotter
- Tankstelle
Tipp: Die beschriebenen Orte sind auf Google Earth und Google Maps gut zu sehen.
Text und Fotos: Gottfried Pönnighaus, fliegermagazin 2/2009
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