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Mit dem UL an die Adria: Über die Alpen nach Italien

n 500 Fuß der Adria-küste folgen, auf Wiesen landen, die mehr Zeltplatz als Flugplatz sind, und ohne Flugleiter in den Sonnenaufgang 
hinein starten – das ist die ultraleichte Fliegerfreiheit in Italien

Von Redaktion

Einmal mit dem UL über die Alpen nach Italien fliegen – diesen Traum trage ich schon seit einer ganze Weile mit mir herum. Damit er endlich in Erfüllung geht, recherchiere ich zuerst in Internet-Foren, dann bestelle ich den Avioportolano, einen UL-Fluggeländeführer, ohne den es nicht geht. Außerdem besorge ich Jeppesen-Karten von Österreich und Italien sowie Ein- und Ausflugbestimmungen. Dann geht die Planung erst richtig los.

Hinflug über den Fernpass: Im Süden erheben sich die Ötztaler Alpen (Foto: Hildegard Brenner)

Nach einem Monat ist schließlich alles Nötige zusammengetragen, und die Route steht fest. Die Navigationspunkte habe ich ins GPS eingegeben, außerdem eine Checkliste für Notverfahren erstellt. An einem Freitagnachmittag mache ich mit meiner Lebensgefährtin und Copilotin Hildegard, die aber keinen Schein hat, am UL-Platz Durrweiler bei Freudenstadt unsere C42 startklar: Scheiben putzen, Tanks füllen, Vorflugcheck – alles okay. Jetzt kann die Reise beginnen.

Unsere C42 ist startklar: Scheiben putzen, Tanks füllen, Vorflugcheck – es geht los!

Am nächsten Morgen checke ich im Internet nochmals das Wetter für unsere Route: bis zum Abend alles Oskar und Charly, sogar bis nach Süditalien. Also frühstücken wir erstmal, dann geht’s zum Flugplatz. Kurz nach acht Uhr starten wir den Rotax 912. Unser erstes Ziel: Kempten. Nach einer guten Stunde sind wir dort angekommen und fassen etwas Benzin nach. Ich verinnerliche mir nochmals die Route: über Reute, den Fernpass, Landeck, dann den Reschenpass und Meran nach Termon in Norditalien.

Um 10.11 Uhr sind wir wieder in der Luft und steigen auf knapp 7000 Fuß. Bis zur Zugspitze ist das Wetter noch etwas trüb, doch kurz hinter der österreichischen Grenze klart es ab dem Fernpass auf. Dann geht’s entlang den sonnenbeschienenen Berghängen Richtung Süden. Hier und da kreisen Paraglider in der Thermik, einige sind sogar über uns unterwegs. Hurra, wir sind in Italien! Das Ufer des Reschensees hat sich weit zurückgezogen, der berühmte Kirchturm im Wasser hat heute trockene Füße. Wir fliegen weiter entlang dem Vinschgau nach Meran, über die Südtiroler Apfelplantagen, immer noch auf rund 6500 Fuß. An der Talbiegung kurz vor Meran wechseln wir die Seite, um in das nächste, nach Süden führende Tal einzufliegen.

Unser UL klettert über den Fernpass in Österreich

Jetzt geht’s in 6000 Fuß über den Gampenjochpass. Dahinter ist schon der Santa-Guistino-See in Sicht. Nun heißt es, entlang der rechten Flanke zu sinken. Das GPS hat uns richtig geführt: Genau vor uns ist ein Windsack zu erkennen. Wir drehen über dem Platz eine große Runde und melden uns an. Die Antwort von dem kleinen UL-Fluggelände Termon kommt prompt, auf Deutsch: „Den Platz mit mindestens 110 bis 120 km/h anfliegen.“ Die Piste liegt in stark ansteigendem Gelände, mit immerhin 18 Metern Höhenunterschied zwischen den beiden Schwellen – und es gibt keine Durchstartmöglichkeit. Also erstmal Klappen ausfahren, Höhe halten, dann kurz vor dem Aufsetzen etwas Gas rein und bergauf sauber aushungern.

Parkplatz im Grünen: Die C42 vor der Vereinshalle des Aeroclubs von Termon in Südtirol (Foto: Hildegard Brenner)

Nach einem knapp zweistündigen Flug rollen wir die abschüssige Landebahn hinunter und stellen die C42 auf einer Parkfläche ab. Eine knifflige Landung, aber wir bekommen ein großes Lob dafür, als wir den Rotax ausgeschaltet haben. Wir werden herzlich empfangen. Gottfried, ein UL-Pilot vom örtlichen Aeroclub, bringt uns zu einer Tankstelle, an der wir unseren Benzinvorrat auffüllen. Nach dem Mittagessen und einer langen Ruhepause brechen wir nachmittags zum dritten und letzten Abschnitt dieses Tages auf. Zwei Carabineri beobachten interessiert unseren Start – vielleicht würden sie jetzt auch gerne in der Luft patrouillieren.

One-way-Piste: Knifflige Landung mit unserer C42, aber wir bekommen großes Lob

Nördlich des Gardasees gehen wir auf Reiseflughöhe, 6000 Fuß. Kurze Zeit später liegt der See direkt vor uns. Wir halten die Höhe und drehen gleich hinter Riva nach Nordwesten, um einen kleinen Abstecher zum Lago di Ledro zu machen. Nach einer Ehrenrunde nehmen wir wieder Kurs auf den Gardasee. Ich nehme etwas Gas raus und wechsle ans östliche Ufer, dort geht’s weiter nach Süden, wir sinken auf 700 Fuß MSL. Jetzt noch etwa 30 Kilometer bis nach Ceresara. Dort überfliegen wir den Platz dreimal, bis Hildegard ihn sieht.

Am späten Nachmittag haben wir unser Ziel erreicht. Punkt 18 Uhr holt uns Giovanni ab, den wir bei den Vorbereitungen für die Reise am Telefon kennengelernt haben. Wir verstauen unser UL im Hangar und stürzen uns ins italienische Dolce Vita. Giovanni spricht gut Englisch, die Verständigung ist kein Problem. Auf dem Weg ins Hotel, etwa zwölf Kilometer entfernt, kommen wir an seinem „Häuschen“ vorbei – wie er es nennt. Erst halten wir das für einen Scherz, aber sein ferngesteuerter Garagenöffner überzeugt uns: Das „Häuschen“ ist eine Luxus-Villa – mit einer 1000 Meter langen privaten Landebahn. Dann zeigt uns der Hausherr seine „Spielzeuge“, insgesamt sieben Flugzeuge, für jede Gelegenheit eines: Robin, Pitts, Savannah, Cessna 182 und viele mehr stehen in dem Hangar; darüber wohnt Giovanni. Wir fahren weiter zum Hotel Paris.

Eine knappe Stunde später landen wir unser UL in Senigalia – nur 300 Meter vom Strand entfernt

Wie verabredet holt uns Giovanni am nächsten Morgen um acht Uhr vom Hotel ab, den Benzinkanister hat er bereits im Auto. Am Flugplatz angekommen hilft er uns, die Maschine startklar zu machen. Der Abschied ist so herzlich wie der Empfang, wir sind überwältigt von so viel Gastfreundschaft. Unser neuer Kurs lautet 120 Grad, Richtung Ravenna an der Adria. Nach rund eineinhalb Stunden über dem Po bei Mentua und Ferrara ist die Adria in Sicht – und unser nächster Stopp: Der Club „Ali di classe“ liegt zweieinhalb Kilometer von der Küste entfernt, südlich von Ravenna.

Tiefflug übers Meer: Adriaküste unweit von San Marino (Foto: Hildegard Brenner)

Nach einer kurzen Erfrischung tanken wir auf und fliegen weiter entlang der Kontrollzone Rimini. Eine knappe Stunde später landen wir in Senigalia – nur 300 Meter vom Strand entfernt. Dort empfängt uns Giorgio, der Flugplatzbesitzer. Nachdem die C42 festgezurrt ist, packt Giorgio wie selbstverständlich unser Gepäck in sein Auto und fährt uns zu einem kleinen Hotel direkt am Strand. Mit einigen Verständigungsproblemen – unsere Italienisch-Sprachführer helfen schließlich – erklären wir Giorgio, dass wir hier für zwei Tage pausieren wollen und noch etwas Benzin für die C42 brauchen. Nach dem Check-in im Hotel gibt es nur noch eins: Badesachen aus dem Koffer und ab an den Strand. Den Abend lassen wir mit einem Spaziergang am Meer, italienischer Küche und ein paar Gläschen Wein ausklingen. Am nächsten Tag gehen wir die zwei Kilometer zum Flugplatz, um nach unserem UL zu sehen. Alles in Ordnung. Jetzt ist erstmal Entspannung, gutes Essen und Baden angesagt.

Piazola Il Brento: Vorbereitungen für den Rückflug

Zwei Tage später warten wir vor dem Hotel auf Giorgio, der uns pünktlich um 8.15 Uhr mit einem Kanister Benzin abholt. Am Flugplatz heißt es dann „Arrivederci Giorgio – bis zum nächsten Mal!“ Unser nächstes Ziel ist Valle Gaffaro. Wir fliegen über herrliche Berglandschaften und kilometerweite Strände an der Adria in nördliche Richtung. Einfach traumhaft! Valle Gaffaro ist ein Geheimtipp für Fischspezialitäten.

Weiter geht’s nach Piazola Il Brento, zum Flugplatz „Il Ranch“. Die Verständigung klappt hier problemlos auf Englisch, was die Sache sehr vereinfacht. Der Platz hat viel Ähnlichkeit mit Tannheim, inklusive LTB, Pool und Fliegerheim – alles sehr familiär. Hier können wir uns auch über die Wetterlage in den Alpen für den Rückweg informieren. Dabei stellen wir fest, dass wir am nächsten Morgen zeitig aufbrechen müssen, da es an den folgenden Tagen unmöglich scheint, den Alpenhauptkamm zu überqueren.

Rundreise nach Italien: Was für eine atemberaubende Strecke da unter den Flügeln unsrer C42 vorbeigezogen ist

Das Wetter bereitet uns am nächsten Morgen Kopfzerbrechen: Am Platz soll es bald regnen, unsere Alpenroute ist nach der Vorhersage aber erst ab 13 Uhr passierbar. Auf der Strecke in nordwestlicher Richtung gibt es immerhin bis zu 7000 Fuß hohe Berge. In der Ebene zwischen Bozen und Trento ebenso wie in den Tälern vor Termon sind Windstärken bis 30 Knoten und Turbulenzen angekündigt. Die Wetterlage zwingt uns, schnell in die Luft zu gehen, um nicht doch für Tage hier festzusitzen. Nach einem etwas verkürzten Check sind wir auch schon auf der Piste, und ich schiebe den Gashebel nach vorn. Drei Minuten später fängt es an zu regnen. Zum Glück fliegen wir am äußersten Rand des Tiefs.

Bergidylle in Blau und Grün: Reschensee mit Blick nach Süden Richtung Vinschgau
(Foto: Hildegard Brenner)

Vor uns tauchen die ersten Gipfel auf, wir steigen auf 7000 Fuß. Hier wird es jetzt richtig turbulent. Die Nadel des Varios tanzt ständig am Anschlag bei plus und minus fünf Meter pro Sekunde herum. Nach zwei Stunden über den Alpen landen wir in Kempten. Mit vollen Tanks und vollen Mägen nehmen wir die letzte Etappe nach Durrweiler in Angriff. Erst dort wird uns bewusst, was für eine atemberaubende Strecke da unter den Flügeln unsrer C42 vorbeigezogen ist. Wir haben es geschafft, das macht Mut für neue Abenteuerpläne.

UL-Fliegen in Italien – Eckdaten der Reise:

Gesamtflugzeit: 14 Stunden
Strecke: rund 1850 Kilometer
Maximale Flughöhe in Italien: 500 ft GND von Montag bis Freitag, 1000 ft GND samstags und sonntags.
■ Seit dem 28. Oktober 2009 gilt die neue Regelung in Italien für so genannte „erweiterte ULs“. Solche ULs mit „advanced mode“ (ausgestattet mit Funk, Transponder und ELT) sind von der Höhenbeschränkung (siehe oben) befreit und dürfen in CTRs einfliegen. Ohne diese Zusatzausstattung oder mit ausgeschaltetem Funk und Transponder gilt die alte Regelung.

■ Im Radius von drei Kilometern darf nicht über Städten, Badestränden oder Industrieanlagen geflogen werden, außerdem Naturschutzgebiete beachten!
■ Wir mussten auf dieser Reise durch Italien weder Landegebühren noch Abstellgebühren bezahlen.
Kartenmaterial: Jeppesen VFR+GPS für Österreich und Italien


Planungshilfe: Avioportolano, Flugplatzhandbuch für Italien mit über 500 UL-Geländen und Flugplätzen mit Navigationshilfen, Pistenausrichtung sowie Anflugkarten und Luftaufnahmen der meisten Plätze. Außerdem enthalten: Informationen zu Ausflugszielen, Unterkünften, Campingplätzen und Restaurants in der Umgebung der Plätze. Ab März 2010 auch in Englisch erhältlich. Preis: 36 Euro zuzüglich Versandkosten, bestellbar über www.avioportolano.it oder http://bancaero.it.
Unterkünfte: Übernachtung pro Person in Mittelklassehotels zwischen 50 und 70 Euro, Vergünstigungen gibt’s durch die Vermittlung der Flugplätze (zwischen 25 und 35 Euro pro Person/Nacht). Preisbeispiel: Hotel Paris in Ceresara 35 Euro pro Person/Übernachtung.

Text: Michael Schubert, Fotos: Hildegard Brenner, fliegermagazin 3/2010

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