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Mannheim–Lanzarote VFR: Auf den Spuren von Saint-Exupéry

Nach Südwesten, immer weiter, durch Spanien, dann rüber nach Marokko, wo Antoine de Saint-Exupéry einst in Cap Juby die Postflieger-Station leitete und „Südkurier“ schrieb. Und dann noch weiter: übers Meer zu den Kanarischen Inseln. Ein Traum – wahr gemacht mit dem Privatflugzeug

Von Redaktion

Pflichtmeldepunkt Whiskey von Lanzarote, 1000 Fuß unter uns der Atlantik. Wir wechseln die Frequenz von Canarias Control zu Lanzarote Tower. „Delta Echo Echo Bravo Uniform, I have your details, proceed along the coastline“. Kurz darauf: „Delta Bravo Uniform, you are number three behind a B737 on ten miles final, report traffic in sight“. „Number three behind a 737, looking for traffic, Delta Bravo Uniform“. „Delta Bravo Uniform, it’s a black plane“. Da! Endlich sehe ich die 737 hoch über uns. Ich ordne mich hinter ihr ein – und muss sofort die Klappen einsammeln und kräftig Gas nachschieben, weil uns Nummer vier bereits im Nacken sitzt. Kurz darauf setze ich mit unserer „alten Dame“ auf der Piste 03 von Lanzarote auf – nach 2070 Nautischen Meilen und 17 Stunden Gesamtflugzeit. Ein Jugendtraum ist in Erfüllung gegangen.

Begonnen hatte alles damit, dass ein Vereinskamerad mit Zweitwohnsitz auf Lanzarote den Kontakt zum Leiter des dortigen Luftfahrtmuseums hergestellt hatte. Zur Museumseröffnung wurde eine Fiesta Aeronautica organisiert, mit Übungen der Flughafenfeuerwehr und Vorführung der Falknerei, die sich auch darum kümmert, dass die Flugzeuge am Platz kein Problem mit Vögeln bekommen; dazu freie Hotelunterkunft sowie kostenloser Mietwagen für die Gastpiloten. Unser Club, der Badisch-Pfälzische Flugsportverein, wurde offiziell eingeladen und wollte mit mehreren Maschinen teilnehmen. Es war schon immer mein Traum, einmal die alte Luftpostroute von Antoine de Saint-Exupéry nachzufliegen. Allerdings hielt ich mich mit gerade mal 250 Flugstunden seit meiner PPL- Prüfung der Aufgabe fliegerisch nicht ganz gewachsen. Doch gemeinsam mit altgedienten Piloten unseres Clubs wäre es schon zu schaffen. Sie gaben wertvolle Planungstipps, hoben aber auch den Zeigefinger angesichts der nicht zu unterschätzenden Vorbereitungsarbeit.

Es war schon immer mein Traum, einmal die alte Luftpostroute von Antoine de Saint-Exupéry nachzufliegen

Tatsächlich fraß die Flugplanung zu Hause viel Freizeit, und meine Lebensgefährtin Gabi, die mitkommen wollte, war nicht gerade erfreut darüber. Von Frankreich, Spanien, Marokko und den Kanaren mussten VFR- und IFR-Karten besorgt werden, außerdem versuchte ich mich in die unterschiedlichen Kartenbilder einzulesen, scheinen die marokkanischen Karten doch eher vom Tapetendesigner entworfen: Straßenkarten mit Flugsicherungsaufdruck, teilweise handschriftlich überarbeitet, nix da mit lambertscher Schnittkegelprojektion und Rausmessen von Entfernungen und Kursen aus den Karten – afrikanisch eben. Eine Liste mit „offiziellen“ Wegpunkten aus dem Internet und stundenlanges Programmieren des GPS-Geräts ließen die Tour dennoch möglich erscheinen.

Doch wie es mit Reisevorbereitungen bei Piloten meistens so ist: Die einen bekommen keinen Urlaub, andere scheuen die langen Etappen über Wasser oder die hohen Kosten, im nächsten Team erkrankt der Pilot kurz vor dem Abflug, wieder eine andere Maschine strandet wetterbedingt und mit technischen Problemen in Südspanien – nur wir haben Glück und sind als Team mit dem unerfahrensten Piloten und der ältesten Maschine durchgekommen. Ausgangspunkt war Mannheim. Erst kürzlich hatte ich gemeinsam mit einem Partner eine 40 Jahre alte PA-28 Cherokee 235 erworben. Was uns außerdem zur Verfügung steht: drei Wochen Urlaub. Gabi und ich waren uns einig: kein Stress – wir wollten die Sache locker angehen. Falls ich mit dem spanischen Luftraum nicht zurechtkommen sollte, würden wir umkehren und in Frankreich Urlaub machen. Und wenn es in Marokko Schwierigkeiten gäbe, blieben wir in Spanien. So ist der Plan.

Erst kürzlich hatte ich eine 40 Jahre alte PA-28 Cherokee 235 erworben

Dem Tipp eines Kameraden folgend haben wir für den ersten Tag eine Streckenführung entlang einer IFR-Route zum Etappenziel Vichy gewählt; dadurch umgehen wir die meisten Sperrgebiete, die laut NOTAMs fast alle aktiv sind. Da heute auf Kurs reichlich Cumuli und später auch Cbs vorhergesagt sind, kümmere ich mich um Ausweichplätze, falls Vichy nicht erreichbar sein sollte. Wir starten früh und steigen von Mannheim auf Flight Level 85 in Richtung Zweibrücken. Langen Information ist unglaublich zugetextet, daher wechseln wir zu Reims Info und erfragen den Status eines Sperrgebiets auf unserer Route. Ja, das sei aktiv, aber wir sollten für den Durchflug direkt Phalsbourg Approach kontaktieren. Der dortige Controller spricht perfektes Englisch und genehmigt problemlos den Durchflug. Nach eineinviertel Stunden sind wir in der Gegend von Epinal. Die Wolken verdichten sich … Und sie beginnen sich aufzutürmen. Noch bleiben wir auf Reiseflughöhe, doch schon bald muss ich reumütig ein Wolkenloch zum Abstieg suchen.

Die Tiefflugstrecke LF-R45 South können wir nach Absprache mit Reims unterfliegen, aber Vorsicht: Etwas westlich unserer Position ist diese Strecke bis auf Ground abgesenkt. Als die Wolkendecke dann doch gewaltig nach unten drückt, entscheiden wir uns zur Landung auf dem kleinen Flugplatz von Saulieux. Den Flugplan zu schließen erweist sich als kompliziert: Auf allen uns bekannten Telefonnummern der französischen Behörden bekommen wir nur Kontakt mit Anrufbeantwortern. Aus der Patsche hilft uns die DFS in Langen. In Saulieux wollen wir die lokalen Gewitter abwarten, abends soll’s nach Vichy weitergehen – nur das Wetter spielt nicht mit. Der Kassierer des Aeroclubs kommt vorbei, bietet uns das Clubheim und für die Übernachtung Gästezimmer zu einem sehr fairen Preis an und fährt uns zum Einkaufen sogar noch ins Dorf.

Als die Wolkendecke dann doch gewaltig nach unten drückt, entscheiden wir uns zur Landung auf dem kleinen Flugplatz von Saulieux

Obwohl wir unser Tagesziel nicht erreicht haben, kommt jetzt so richtig Urlaubsstimmung auf. Auch am nächsten Tag lässt das Wetter einen Weiterflug nicht zu, zumal der Platz auf drei Seiten von der Tiefflugstrecke umgeben ist. Also warten, bis die Wolken sich heben oder die Militärs mit dem Kriegspielen aufhören. Mehrmals nehmen wir die Wetterberatung des DWD in Anspruch. Diese Telefonate sind teilweise richtig nett: „Tja, es könnte gehen, aber richtig gut fliegbar sieht’s nicht aus.“ – „Macht nix, wir haben Urlaub und Zeit und gerade noch ’ne Flasche Wein gekauft, die Frage ist nur, fliegen wir heute weiter oder entkorken wir die Flasche?“ – „Aus meteorologischer Sicht würde ich sagen: Prost! Morgen sieht es etwas besser aus.“ Stimmt: „Broken“ in 3000 Fuß.

Doch das erscheint mir für den Weiterflug über die Berge des Morvan als etwas niedrig, weshalb wir uns gleich nach dem Start in Spiralen nach oben schrauben. In FL 105 kommen wir gut über die Wolken und folgen der geplanten Route nach Toulouse-Lasbordes. Zeitweise müssen wir auf FL 115 steigen, den höchsten zulässigen VFR- Level in Frankreich, um über den langsam hochquellenden Wolken zu bleiben. In Toulouse besuchen wir Freunde, die uns mit einem saloppen „Bonjour, Luftwaffe“ begrüßen. Nach einem weiteren Urlaubstag fliegen wir an der mittelalterlichen Stadt Carcassonne vorbei und dann durch den VFR-Korridor bei Barcelona nach Castellon de la Plana.

Flugplan schließen, Maschine auftanken, und ab an den fünf Minuten entfernten Strand. Hier gefällt es uns. Wir mieten für eine Nacht ein Hotelzimmer. Während ich meine tägliche Flugplanungsstunde beginne, genießt Gabi die Vorzüge des Strands. Den Flugplan für die Inlandsroute vorbei an Valencia, Granada und Malaga nach Jerez gebe ich per Fax auf; in der Luft wird er mit Valencia aktiviert, das funktioniert problemlos. Wieder zwingen uns einige Wolken zum Achterbahnspielen: rauf auf Fight Level 125, wo es sowohl mit der Steigleistung als auch dem Sauerstoff knapp wird – ich ertappe mich dabei, den Squelch des Funkgeräts an den Knöpfen des Kurskreisels einstellen zu wollen … Dann wieder runter auf FL 85. „Delta Bravo Uniform, we have lost radar contact, maintain own seperation with the ground“.

Die alte Postflieger-Route – Neuland, aber kein Problem

Na klar doch, ist ja auch in unserem Interesse. Zeitweise haben wir 30 bis 40 Minuten lang keinen Funkkontakt. Man muss sich in Geduld üben, Valencia hat uns vorgewarnt. Nach der Landung ein gemütlicher Stadtbummel in Jerez, unterbrochen nur durch meine Suche nach dem nächsten Internetcafé: Wetterberatung, NOTAMs, das Übliche eben. Auf dem Atlantik sind etliche „sea firing areas“ eingerichtet, alle abseits unserer Route. Spannend finde ich ein NOTAM, das ankündigt: „NATO warships will protect merchant vessels in the strait of Gibraltar, 3615N00620W 3615N00445W 3750N 00620W 3750N00445W. NATO will not interfere with international right of way, but any aircraft flying below 2000 ft and approaching any ship will be considered hostile and might be intercepted by NATO military aircraft“.

Nach dem Start in Jerez erhalte ich die Freigabe, im Luftraum D auf 5000 Fuß zu steigen; ein passendes Wolkenloch gibt’s auch. An der Küste reißt die Wolkendecke auf, keine Schiffe in Sicht – kriegerisch oder nicht. Landung in Tanger, Einreise erledigen, Zettel ausfüllen, zum Zoll, zur Polizei – das kennen wir alles schon von früheren Afrikatouren mit dem Motorrad, es klappt problemlos. Im C-Office bekomme ich die neueste Sichtflugkarte zur Ansicht. Es ist das einzige Exemplar, leider nicht zu kaufen, und enthält neue Wegpunkte, die ich nicht im GPS habe. Eine weitere Stunde geht für Flugplanung und Neuprogrammierung drauf, dann ab nach Agadir.

Die unerfahrenste Crew mit dem ältesten Flugzeug kommt durch

Obwohl Marokko für uns fliegerisches Neuland ist, kommen wir problemlos zurecht. Die Controller sprechen exzellentes Englisch; die meisten Flüge regelt Casablanca Control. Von VFR-Piloten werden öfter Position Reports erwartet sowie Estimates zu irgend einem Wegpunkt auf der Strecke, meistens Funkfeuer oder Landeplätze. Da hilft es, mit dem GPS gut vertraut zu sein, wenn man einigermaßen schnell antworten will. Bei Casablanca Control scheinen übrigens ausschließlich Frauen zu arbeiten. Nach knapp vier Stunden landen wir in Agadir, nicht ohne mehrfach auf die Verwechslungsgefahr von neuem und altem Flugplatz hingewiesen worden zu sein.

Dann wieder der übliche Papierkrieg mit Zettel ausfüllen. Umfangreiche Hilfe bekommen wir allerdings von den netten Leuten im C-Office. Als jedoch der Towerlotse erscheint und uns um eine außertarifliche Gehaltszulage angeht, trübt sich die gute Laune etwas. Bei der Hotelsuche haben wir Glück. Nur das Restaurant mit dem typischen Cous Cous ist nicht zu finden, eine Original Tagine tut’s aber auch. Die weitere Strecke führt entlang der Küste, ich habe FL 105 geplant: Für den Atlantikteil wollen wir zwecks Gleitflugstrecke Höhe haben. Über Tarfaya, früher bekannt als Cap Juby, entdecke ich nach einiger Suche etwas, das wie Saint-Exupérys altes Flugfeld aussieht: eingesandet, unbenutzbar. Casa Control übergibt mich an Canarias Control – wir steuern Fuerteventura an.

Dort wollen wir in großer Höhe über den Platz fliegen, um dann sozusagen auf der „toten“ Westseite der Insel auf 1000 Fuß über Wasser zu sinken, die vorgeschriebene Anflughöhe für Lanzarote. Dummerweise befinden ich auf dieser Seite von Fuerteventura aber die Initial Approach Fixes, und heute ist noch der englische Tag, sodass jede Menge Easy Jet, Ryan Air und sonstige Airliner im Anflug sind. Wir werden wie ein IFR-Flieger gestaffelt und bekommen exakt einzuhaltende Sinkflugfreigaben, bevor wir zu Lanzarote Tower wechseln.

Lanzarote: englischer Tag, sodass jede Menge Easy Jet, Ryan Air und sonstige Airliner im Anflug sind

Zur Fiesta Aeronautica sind leider nur lokale Kanaren-Piloten auf die Vulkaninsel gekommen, unsere Maschine ist die einzige auswärtige. Juan Parilla, früher Fluglotse auf Lanzarote und heute Chef des Luftfahrtmuseums, zeigt uns die Insel mit all ihrer Naturschönheit und ihren Sehenswürdigkeiten, darunter architektonische Werke des Künstlers César Manrique. Auch das Denkmal in Tahiche, das an den prominentesten Inselbewohner erinnert – Manrique starb 1992 bei einem Autounfall – besichtigen wir. Nach erholsamen Tagen planen wir den Rückflug. Der sieht in Marokko einen Abstecher nach Quarzazate vor. Dort überrascht uns die Sportlichkeit des Controllers: Er gibt uns zur Landung auf der „12“ frei, während eine Maschine der Royal Air Maroc in zehn Meilen Entfernung auf dem ILS zur „30“ runterreitet. Das folgende „D-BU, expedite Taxi“ überrascht mich nicht.

Allerdings ist die Bahn drei Kilometer lang, und der einzige Taxiway zweigt in der Mitte ab. Die anfliegende Maschine im kurzen Endteil motiviert zu schneller Gangart beim Rollen, das schon fast Air Taxiing ist. Von Fes, einer weiteren Zwischenstation, fliegen wir nach Almería, vorbei an der Isla Alboran. Über Castellon und Clermont-Ferrand steuern wir in Richtung Heimat. 2041 Nautische Meilen und fünfzehneinhalb Flugstunden – der Rückflug war nur unwesentlich kürzer als der Hinflug. Erschöpft und stolz schieben wir unseren treuen Vogel in den Mannheimer Hangar. Ein toller Fliegerurlaub ist vorüber. Jetzt beginnt die Erholung.

Text: Markus Vogt, Fotos: Markus Vogt, Gabi Brix, fliegermagazin 1/2009

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