Heimat von oben: Im Doppeldecker Sunwheel über dem Maintal

Der Wind ist verstummt. Keine Böe zerrt am Flügel, sanft rauschen wir dahin. Unter uns in andächtiger Ruhe ein Land, das in Schatten versinkt: Der Abend hat sich über Berge und Täler gelegt.

Dann in der Ferne ein Lichtblitz. Sacht lege ich den Doppeldecker auf die Seite, drehe nach Nordosten. Wieder Lichtblitze. Tief aus einem Tal schießen sie in den Abendhimmel – und vereinen sich schließlich zu einem funkelnden Strom: der Main. Wie ein goldenes Band, von einem Riesen achtlos hingeworfen, schlingt er sich in weiten Bögen um dunkle Hügelketten. Eben noch waren sie die Hauptdarsteller der Szene, lagen strahlend über Fluss und Tal: Wiesen und Weinberge in zartem Grün, rostrot oder leuchtend gelb, gekrönt von Burgen, Klöstern und Schlössern.

Im Doppeldecker: Jeder Ruderausschlag ein Vergnügen

Märchenhaft verklärte Wälder mit Nebelschleiern über den Wipfeln. Wie der Herbst, so kleiden auch Frühling, Sommer und Winter das Tal und den Fluss regelmäßig in neue Gewänder. Ein Kaleidoskop an Farben- und Lichtspielen, das seinesgleichen sucht. Kein Regisseur könnte das Schauspiel dramatischer auf die Bühne bringen, kein Maler farbenfroher auf die Leinwand. Wir folgen dem Flusslauf nach Norden.

Jeder Ruderausschlag, jede Bewegung in der ruhigen Luft über dem dämmernden Tal ein Vergnügen, der Blick auf die sanfte Landschaft tut wohl, macht froh und gelassen. Vollkommenheit eines Augenblicks. Wir drehen nach Westen, lassen den mäandernden Strom hinter uns und fliegen, die letzten Sonnenstrahlen im Gesicht, nach Hause. Wiesen, Wälder, Weinberge und der leuchtende Fluss klingen noch nach, als die Nacht schon lange hereingebrochen ist.

Fotos: Gerhard Launer, Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 10/2009