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Fly-in Pullman City Harz: Mit dem UL in den Wilden Westen

Es war eine Einladung, die wir nicht abschlagen konnten. Die fliegermagazin-Crew steigt in die gelbe Luftkutsche und nimmt Kurs auf den Harz. Denn zum Fly-in in der Westernstadt Pullman City sind Fremde willkommen. Nicht zum Duell, sondern am Lagerfeuer.

Von Isabella Sauer
Entspannt am Funk: Die Tower-Crew heißt Fremde mit nützlichen Infos willkommen. Denn ein offizelles Anflugblatt gibt es nicht.
Entspannt am Funk: Die Tower-Crew heißt Fremde mit nützlichen Infos willkommen. Denn ein offizelles Anflugblatt gibt es nicht. Bild: Isabella Sauer

Es ist ein wenig düster im Saloon. Gelbliches Licht schimmert von den Deckenlampen hinunter auf die Holzverkleidungen an den Wänden und die vollbesetzten Tische in der Big Moose Dancehall. Der riesige Raum besticht mit Details: eine Lampe aus Kutschenrädern, darunter hängend ein sich drehender Pferdesattel als Discokugel.

Live Musik im Western-Stil: Im Big Moose Saloon spielt jeden Abend die Musik. Pullman City steht eben auch für gute Country-Musik.

Die Stimmung im Saloon ist ausgelassen: Cowboys mit Chaps, Cowboyhüten, Lederstiefeln und Revolvern oder Bowiemessern an ihren Hüften geschnallt unterhalten sich, klatschen, grölen sich Sprüche zu und trinken Bier oder Whiskey. In einer anderen Ecke sitzen mutmaßliche Großgrundbesitzer in ihren schicken doppelreihigen Westen, Zylinder auf dem Kopf und immer wieder den Blick auf die Taschenuhr gerichtet. Gefühlt Szenen aus dem 19. Jahrhundert Nordamerikas: Welcome in the Wild West in der Pullman City Harz!

Pullman City Harz lädt jedes Jahr zum UL-Fly-in

Stutzig macht allein der Anblick von Tablett-artigen Geräten, die einige Siedler in ihren Händen halten. Was machen die da? Sie scheinen sich über das Wetter zu unterhalten, es sind Kartenausschnitte zu erkennen. Dann fallen Worte wie »Ultraleichtflugzeug«, »Gewitter« und »Platzrunde«. Aufgeflogen! Wir sind nicht in den 1850er-Jahren, aber dafür in der Pullman City Harz, Deutschlands größter Westernstadt – und mit eigener Landebahn!

Im Wilden Westen zuhause  Geschäftsführer Alex Remy sitzt entspann im Separee der Dancehall und plaudert mit den Greenhorns aus Hamburg.

Zum zwölften Mal findet hier das Wild-West-Fly-in für Ultraleichtflugzeuge statt. Die Idee hatte einer der damaligen Besitzer der Westernstadt, Wolfgang Hagenberger, der vor drei Jahren verstorben ist. Er war selbst Pilot und sein Herz schlug für die Fliegerei, erzählt einer der Geschäftsführer Alex Remy und lässt seinen Blick durch die Whiskey-Lounge in der Dance Hall schweifen. Der 36-Jährige redet weiter: »Zunächst hat Wolfgang den Sonderlandeplatz Hasselfelde nur für sich genutzt, doch dann wollte er ihn auch für andere Piloten zugänglich machen.« Viele Behördengänge folgten, bevor endlich die entsprechende Genehmigung da war.

UL-Gelände Hasselfelde ohne ICAO-Kennung

Seither dürfen UL-Piloten zum Fly-in auf der 520 Meter langen Graspiste mit Ausrichtung 08/26 direkt neben dem Westerndorf landen. Das UL-Gelände Hasselfelde hat keine ICAO-Kennung, trägt aber den Kurznamen Hassel und findet sich in den üblichen Navigations-Apps. Der Platz liegt auf 1644 Fuß Höhe, der DULV gibt die Platzrunde nördlich der Piste in 2300 Fuß MSL an. Die Frequenz ist »Hasselfelde Start« auf 122.305 MHz. »Voraussetzung ist allerdings, dass der Pilot mindestens 100 Stunden Erfahrung hat«, sagt Remi, der seit seiner Kindheit ein großer Wild-West-Fan ist.

Konzentriert: Redakteur Dirk M. Oberländer fliegt in die Platzrunde ein und schaut auf den Sonderlandeplatz Hasselfelde.

Der Flugplatz ist von oben nicht ganz einfach zu finden, wie das fliegermagazin-Team feststellen durfte. Wir sind mit einer Aeroprakt A-22L von Eberswalde-Finow (EDAV) in den Harz geflogen – unter guten VFR-Flugbedingungen mit Oscar- und Charlie-GAFOR. Nach knapp zwei Stunden liegen drei Wiesen vor uns, von denen wir auf der mittleren die Piste vermuten. Aber es ist dann doch erst die dritte! 

Als wir landen, begrüßt uns ein Quad als Follow-me-Fahrzeug und leitet uns zu unserer Parkposition. Rund 30 ULs sind am Freitag schon da, darunter Kiebitze, einige SD-1, Aeroprakts und viele C42.

Pullman City Harz ist 200.000 Quadratmeter groß

Wer durch die Westernstadt läuft, merkt schnell: Hier kann man mehr als einen Tag verbringen. Denn auf dem 200 000 Quadratmeter großen Areal gibt es viel zu entdecken – zum Beispiel spannende Wild-West-Shows, Museen, Tiergehege, Planwagen-Fahrten, eine Ponyranch, die Shootinghall, das Goldwaschcamp sowie die Indoorspielwelt namens »Tonky Town«.

Herzstück der Westernstadt: Blick auf die West Side Avenue. Hier sammeln sich die Gäste, wenn stündlich das Showprogramm startet.

Wer will, kann während des Fliegertreffens direkt unter der Fläche zelten und die Sanitäranlagen der Westernstadt nutzen – oder die dortigen Übernachtungsoptionen. In Pullman City finden Gäste Unterkünfte von der einfachen Blockhütte mit Gemeinschaftsbad über das Ranchhaus bis zur Junior Suite im Hotel, in der natürlich 1872 bereits Buffalo Bill, Annie Oakley und Wild Bill Hickok abgestiegen sind.

Ralf ist mit seinem Kiebitz zum Fliegertreffen geflogen

Zu den UL-Gästen zählt auch Ralf. Er darf mit seinem selbst gebauten Kiebitz direkt am Holzbohlen-Tower vorbei bis vor die Pilot Lounge rollen und dort parken. Seit 32 Jahren fliegt Ralf, zum sechsten Mal besucht er mit seiner Maschine das Fly-in. »Am meisten gefällt mir das Feeling, das Zusammensitzen in besonderer Atmosphäre«, sagt er und schaut stolz auf den Kiebitz, hinter dem sein Zelt steht. Den Doppeldecker hat er in sechs Jahren komplett selbstgebaut. Was war die größte Herausforderung? Ralf muss lachen, schnell kommt die Antwort: »Selbstmotivation, Durchhaltevermögen.«

Mächtig stolz: Ralf hat  sechs Jahre lang an seinem Kiebitz  gebaut. Er kommt immer 
wieder gern zum Wild-West-Fly-in und zeltet  dann neben seinem Flieger.

Ein Eigenbau ist auch die SD-1 von Christopher Tute. Er brauchte insgesamt fünf Jahre. »Ich habe einen Material-Kit gekauft und den Flieger dann gemäß Plan gebaut«, sagt er. Zum Fly-in ist er extra aus Rheinland-Pfalz vom Flugplatz Imsweiler (EDRQ) angereist. Für ihn ist es der zweite Besuch in der Westernstadt: »Ich mag, dass es hier so familiär zugeht. Die Mischung macht es aus, Piloten, Cowboys, Indianer.« Mit seinen beiden Fliegerfreunden hat er im Fort Bent geschlafen, ein Handelsposten direkt am Santa Fe Trail, der Platz für jeden Reisenden bietet.

Sonderlandeplatz Hasselfelde soll ab 2025 häufiger geöffnet sein

Apropos kommendes Jahr! Da feiert die Pullman City Harz ihr 25-jähriges Bestehen. Alex Remy und sein Team schmieden bereits ein Jubiläumsprogramm. Dann soll auch der Sonderlandeplatz Hasselfelde alle vier bis sechs Wochen geöffnet werden. Vielleicht kommt der Wilde Westen dabei auch ohne Flugleiter aus. »Das ist auf jeden Fall eine Option«, sagt der Geschäftsführer. Aktuell gebe es Gespräche mit den Behörden, fügt er hinzu und marschiert aus dem Saloon direkt auf die West Side Avenue.

Ungewöhnlices Bild:  Am Sonderlandeplatz treffen Tier und Maschine aufeinander.
  • Flugbetrieb

Derzeit ist der UL-Sonderlandeplatz Hasselfelde nur zum Fly-in für Gäste anfliegbar – mit PPR. Doch das könnte sich 2025 ändern, dann ist  vielleicht alle vier bis sechs Wochen am Wochenende geöffnet. Ein Anruf lohnt sich. 

  • Pullman City Harz

Ein Besuch der Westernstadt lohnt zu jederJahreszeit. So gibt es im Winter einen weihnachtlichen Markt und Schlittenhunderennen. Weitere Infos zu Events, Übernachtung und Eintritt unter www.pullmancityharz.de.

Text/Fotos: Isabella Sauer & Dirk Oberländer

Natürlich nur Show: Online-Chefredakteurin Isabella Sauer setzt den Revolver an,  Redakteur Dirk M. Oberländer muss um sein Leben bangen.
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Über den Autor
Isabella Sauer

Isabella Sauer ist Jahrgang 1991, studierte in Bamberg Kommunikationswissenschaft und absolvierte anschließend ein Volontariat bei Auto Bild. Seit ihrer Jugend ist sie journalistisch tätig und arbeitete für große Verlagshäuser, darunter Axel Springer und die Funke Mediengruppe. Print, Digital, Social Media - für Isabella hat jeder Inhalt das Potenzial, vielfältig aufbereitet zu werden. Und wie kam sie zum fliegermagazin? Das Thema Mobilität interessierte sie immer schon sehr. Ob Auto, Bahn, Camper, Airliner oder Fahrrad: Die Welt lässt sich aus vielen Perspektiven entdecken. Nun geht es für Isabella Sauer in die Luft. Seit März 2023 ist sie PPL-Flugschülerin und freut sich schon darauf, sich in ein neues Fachgebiet einzuarbeiten.

Schlagwörter
  • Pullman City
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