Flugplatz Wangerooge: „Moin“ geht hier rund um die Uhr
„Welcher Seemann liegt bei Nacht im Bett?“ Mit diesem Merksatz lässt sich die Reihenfolge der Ostfriesischen Inseln von Ost nach West leicht im Gedächtnis behalten und abrufen. Unser Autor hat das W besucht: Wangerooge.
Die Ostfriesischen Inseln sind ein beliebtes Ausflugsziel – das ist auch für Privatpiloten nicht anders. Weiter „links“ laden zwei der sechs Westfriesischen Inseln in den Niederlanden – Ameland und Texel – zu einem Hüpfer ein.
Wir fliegen nach Wangerooge, der ersten bewohnten Ostfriesischen Insel von rechts. Sie gehört verwaltungstechnisch als einzige nicht zu Ostfriesland, sondern zum Landkreis Friesland, weshalb Einheimische etwas zusammenzucken, wenn man sie zu den Ostfriesischen Inseln zählt. Ihr Name stammt vom friesischen „Wanga“ für Wiese und „Oog“ für Insel. Das Eiland wurde erstmals 1327 als „Wangeroch“ urkundlich erwähnt und überstand Piratenangriffe, Flutkatastrophen und Kriege.
Der Flugplatz Wangerooge ist ein beliebtes Ausflugsziel
Kaum zu glauben: Innerhalb von nur 300 Jahren versetzten Wind und Wellen die Insel einmal um ihre ganze Länge nach Osten! Aus der Luft kann man gut erahnen, wie sie sich durch die Strömung allmählich von einer Sandbank in ein liegendes Seepferdchen (oder, wie manche auch meinen, einen Telefonhörer) verwandelte: an der einen Seite der Kopf mit dem Westturm von 1933 und seiner schicken Jugendherberge, dem Hafen und der Inselbahn-Haltestelle, in der Mitte der Bauch mit 1000-Seelen-Ortschaft und Flugplatz, an der anderen Seite das menschenleere Ostende. Der Norden besteht aus feinem weißem Sand – ein Anblick, der selbst Südsee-Kennern ein anerkennendes „Aah!“ entlockt.
Wir nehmen Kurs auf die Inselmitte und rufen Wooge Info auf 122.405 MHz. Ein freundliches „Moin!“ vom Flugleiter, und wir werden in die Platzrunde zur „28“ dirigiert. Um es einmal zu klären: „Moin“ kommt von „Mojen Daag“ und bedeutet „guten Tag“, nicht „guten Morgen“, und ist rund um die Uhr als Begrüßung üblich.
Anflug auf Wangerooge: Als Neuling kann man kaum etwas falsch machen
Im Anflug auf Wangerooge kann man als Neuling kaum etwas falsch machen, sofern man drei Dinge beachtet: die Mittagspause von 13 bis 15 Uhr, die Platzrunde (keine langen Endteile über die halbe Insel fliegen!) und den Verkehr. Gerade im Sommer und am Wochenende ist hier mächtig was los; man sollte also frühzeitig in den Funk reinhören und auf andere Luftfahrzeuge achten, wie zum Beispiel die Insel-Linienflieger vom gegenüberliegenden Flugplatz Harle. Die Insel ist Vogelschutzgebiet und in mindestens 2000 Fuß zu überfliegen.
Nach der Landung verlassen wir wie empfohlen die 850 Meter lange Piste 28 ganz am Ende. Im Mini-Terminal warten schon Gäste auf den nächsten Inselflieger. Mit der Kurtaxe bekommen wir erste Insel-Tipps, übers Treppenhaus geht’s zum Towergebäude. Flugleiter Uwe Kipp, ein Mann mit langer Mähne und ebenso reicher Erfahrung, arbeitet hier im Wechsel mit seinem Kollegen Ulfert Post. Zahlreiche positive Internet-Berichte loben den freundlichen Service.
Auf Augenhöhe mit Tempelhof: Wangerooge feierte 2019 sein 90-jähriges Bestehen
Der Flugplatz konnte 2019 auf sein 90-jähriges Bestehen zurückblicken. Im „Flughandbuch Deutsches Reich“, Ausgabe 1932, wird er stolz als „Flughafen I. Ordnung“ mit 700 Meter Grasfläche und Tankanlage aufgeführt. „Auf Anforderung bei der Polizeiflugwache“, so heißt es dort, wird bei Dunkelheit ein „Landefeuer aus grünen, weißen und roten Feuern“ entzündet, und „als Ansteuerungsfeuer kann das Feuer des Leuchtturmes Wangerooge dienen.“ Der kleine Insel-Airport war damals auf Augenhöhe mit Tempelhof und hatte eine Verbindung der „Luft Hansa“ mit Ju 52 in die Hauptstadt.
Während des Zweiten Weltkriegs lagen Ju-52-Minensuchflugzeuge und Jäger des Typs Messerschmitt Bf-109 auf dem Fliegerhorst Wangerooge. Bereits 1952 flogen zivile Maschinen die Insel wieder an. Zu den bekanntesten Relikten der Militärzeit gehört das kreisrunde „Café Pudding“ auf einer ehemaligen Flakstellung.
Autofrei: Der Flugplatz Wangerooge liegt sehr zentral auf der Insel
Wangerooge ist autofrei. Zu Fuß oder mit dem Fahrrad geht es vom Flugplatz vorbei an Ferienwohnungen und dem Insel-Gymnasium nach wenigen Minuten ins Zentrum. Viele Touristenziele liegen nur ein paar Meter entfernt: der etwas groß geratene ehrwürdige Insel-Bahnhof von 1906, der alte Leuchtturm, das Nationalpark-Haus, der Rosengarten und der Dorfplatz, dazu Geschäfte, Kneipen und die Promenaden.
Heute kann man sich kaum noch vorstellen, dass anno 1775 nur noch 150 Menschen auf der Insel lebten. Die von ständigen Fluten gebeutelten Einwohner dachten bereits ans Aufgeben, als Anfang des 19. Jahrhunderts der aufkommende Badebetrieb Wangerooge einen unverhofften Neuanfang als Kurort bescherte. 1856 entstanad das heutige Alte Dorf, später kamen Hotels, Kirchen und Strandpromenaden hinzu. Manche Unterkünfte stammen noch aus der Kaiserzeit – von der einfachen Pension bis zur Luxusherberge mit Wellness ist heute für jeden Geldbeutel etwas da.
Schietwetter: Das Wetter auf den Inseln ist oft besser als gedacht
Eine schöne Radroute beginnt beim Café am Westturm und führt über die Dorfmitte weiter entlang der ehemaligen Bahntrasse östlich vom Bahnhof, die heute ein Wanderweg ist. Und dann immer weiter, vorbei an endlosen Dünen bis zu den Resten des versandeten Ostanlegers.
Zum vermeintlich wechselhaften Wetter sei soviel gesagt: Es ist auf den Inseln meistens besser, als Landratten denken, und viele Urlauber kehren braungebrannt heim. Sogar bei veritablem „Schietwetter“ wird es nicht langweilig – es gibt ja Strandkörbe, Teestuben, Fischkneipen, und für die Kleinen das Kinderspielhaus Sockenland. Wenn wirklich gar nichts mehr geht, helfen Friesennerz oder dicke Bücher. Der Verfasser hat bei Graupel und pottendickem Nebel gemerkt: Salzige Seeluft verscheucht Gespenster.
Text & Fotos: Rolf Stünkel, erstmals erschienen in fliegermagazin 07/2019
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