fliegermagazin-Leserreise: Im Tiefflug zum Nordkap
Mit neun Flugzeugen und 16 Teilnehmern startete die fliegermagazin-Leserreise
ans Nordkap schon am ersten Tag in schwieriges Wetter. Das sollte sich bis zum Schluss nicht ändern – unvergessliche Eindrücke ergaben sich dennoch zuhauf.
Solche Sätze will man wirklich nicht vom Tower-Lotsen hören: »Ich rate dringend von einer Landung ab. Selbst der Linienverkehr kommt heute nicht.« Der Wind pfeift ordentlich über die Hügel rund um den kleinen Flugplatz Honningsvåg (ENHV) am Nordkap mit seiner 921 Meter langen Asphaltbahn. Die liegt zwischen Wasser und Gelände eingequetscht, Windscherungen und Böen sind heute offenbar erheblich.
Schon beim Vorbeiflug am Nordkap, das immerhin rund 1000 Fuß über dem Meer auf einer Hochebene mit steil abfallender Felswand zum Wasser liegt, hat es ordentlich gerappelt. Eigentlich ist der Besuch des Kaps natürlich Höhepunkt dieser fliegermagazin-Leserreise – auch am Boden. Aber bei so einer Ansage, die gleich den ersten Maschinen unserer Gruppe von neun Flugzeugen gemacht wird? Per WhatsApp und Funk verbreitet sich die Botschaft sofort. Und die ersten drehen nach einer ausgiebigen Fotorunde über dem Nordkap dann auch ab zum Tagesziel Alta (ENAT).
Nur zwei Crews der fliegermagazin-Leserreise schaffen es zum Nordkap
Eine weitere Crew und das Redaktionsteam kommen mit einiger Verspätung an und haben Glück: Der Wind hat sich ein wenig beruhigt, zumindest einen Versuch wollen beide wagen. Und der gelingt. So schaffen es wenigstens vier von sechzehn Reiseteilnehmern in den jetzt sehr leeren Bus, der eigens für die halbstündige Fahrt zum Nordkap gechartert wurde. Abends im Hotel sind die anderen natürlich ein wenig traurig, aber alle sind sich einig: Der Vorbeiflug allein war ein tolles Erlebnis. Zwar ist an diesem nördlichsten Punkt Europas nicht wirklich viel zu sehen, aber das Wissen um seine Bedeutung gepaart mit der beeindruckenden Landschaft und dem strahlenden Sonnenschein – da ist klar, warum das Nordkap für viele Piloten ein Sehnsuchtsziel ist.
Allerdings eines, das auch im Juli, also mitten im Sommer, alles andere als leicht zu erreichen ist, wie die Gruppe erfahren muss. Zuerst: Es ist weit! Von Hamburg aus beträgt die direkte Entfernung 1120 Nautische Meilen.
Juli ist eine schlechte Zeit fürs Fliegen in Norwegen
Nächstes Problem: Flugplatzöffnungszeiten. Es gibt zwar viele kleine Flugplätze, die alle auch von Turboprop-Airlinern angeflogen werden und deshalb gut ausgestattet sind – so bindet der norwegische Staat entlegene Gegenden an. Doch die Mini-Airports öffnen oft nur, wenn Linienverkehr kommt. Und, so lernen wir auf dem harten Weg: Juli ist eine schlechte Zeit fürs Fliegen in Norwegen. Dann macht nämlich das ganze Land lange Sommerurlaube – auch die Towerlotsen, was die Öffnungszeiten noch mehr einschränkt. Wir finden dazu mehrere NOTAM, die uns zwingen, teils sehr früh aufstehen zu müssen, um noch wegzukommen.
Herausforderung Nummer drei: Avgas. Nur wenige Flugplätze im hohen Norden haben welches, kombiniert mit den Öffnungszeiten ergibt sich ein interessantes Planungsthema. Eins ist klar: Ohne
AirBP-Karte wird man in Norwegen nichts, die meisten Tankautomaten nehmen nur diese – und Personal ist oft nicht in Sicht.
Das Wetter ist ein schwieriges Thema auf der Leserreise in Norwegen
Das ganz große, allem übergeordnete Thema jedoch ist das Wetter. Zumindest auf dieser Reise. Gestartet waren wir voller Erinnerung an die Nordkap-Leserreise 2016, bei der wir eine knappe Woche lang im strahlenden Sonnenschein nach Herzenslust über Gletscher und Fjorde kurvten , jeder Anblick schöner als der vorige.
Davon kann diesmal keine Rede sein. Schon beim ersten Treffen der Gruppe im dänischen Aalborg (EKYT) ist klar: Auf die letzten Meilen wird es richtig schlecht. Wer sich VFR nach Bergen (ENBR) reinschleichen will, braucht Glück. Die beiden VFR-only-Crews der Gruppe sind deshalb schon frühmorgens geflogen, eine weitere muss hier leider aufgeben und entscheidet sich für einen spontanen Schwedenurlaub.
Sightseeing kommt für die Truppe nicht in Frage
Nach einem entspannten, wenn auch verregneten Abend in der sehenswerten Hansestadt Bergen wollten wir eigentlich die bekanntesten Postkartenmotive Norwegens abfliegen. Zwischen Bergen und dem nördlich gelegenen Trondheim liegen Sogne- und Geirangerfjord sowie der Gletscher Jostedalsbreen. Aus der Luft ist das alles nochmal schöner – aber nicht an diesem Tag: Bei 800 bis 1200 Fuß Untergrenzen sind schon die Berge hinter der Stadt in Wolken. Also probieren wir die Taktik aus, die für die VFR-Crews in den nächsten Tagen zum Standard wird: Immer über dem Meer bleiben, der Küstenlinie folgen und die gute Sicht unter den tiefen Wolken ausnutzen, um Inseln und andere Hindernisse rechtzeitig zu erkennen. Das ist zwar safe, aber Sightseeing im Inland ist tabu.
Gerade eben reicht das Wetter, um unser Tagesziel anzufliegen. Ørsta-Volda (ENOV) liegt nämlich schon etwas in einen Fjord hinein. Über dem Wasser und zwischen den Bergen geht es zur Piste – ein aufregender Anflug im Gelände zu dem schön gelegenen Platz. Er wird vom staatlichen Luftfahrtunternehmen Avinor betrieben, aber Avgas gibt es beim örtlichen Fliegerclub. Der Empfang ist mehr als herzlich, es gibt Hotdogs zur Stärkung. Ørsta-Volda ist eine dringende Empfehlung, denn von hier ist es auch per Mietwagen nicht weit zu Geirangerfjord & Co. Wir haben uns allerdings eine Charteryacht geleistet, mit der wir durch traumhafte Fjordlandschaften zwei Stunden lang zum entlegenen, aber sehr empfehlenswerten Traditionshotel Union Øye schippern.
In den Fjorden um Ørsta-Volda hängen tiefe Wolken
Wegen der Öffnungszeiten ist der nächste Tag streng getaktet. Das leckere Frühstücksbüffet ist leider noch nicht eröffnet, als wir in aller Frühe zum Flugplatz aufbrechen. Denn der schließt um 10.35 Uhr Ortszeit. Zwei, drei Stunden müssen wir dann an unserem Tankstopp Bodø (ENBO) pausieren, weil das Tagesziel Svolvær (ENSH) auf den Lofoten erst ab 17 Uhr angeflogen werden kann. Doch wie heißt es so schön: Der Mensch macht Pläne – und das Schicksal lacht …
Tief hängen die Wolken in den Fjorden um Ørsta-Volda, an einen Start ist nicht mal nach IFR zu denken, denn auch das Instrumentenabflugverfahren hat hohe Minima. Mit viel Charme überredet das fliegermagazin-Team die sehr nette Tower-Crew zu Überstunden – nochmals Danke dafür!
Auf halber Strecke reißt es endlich auf, aber der Wind ist stark
Mittags starten die ersten Crews und melden zurück: Es geht, gleich am offenen Meer hebt die Bewölkung an. Dennoch bleibt es wieder beim Tiefflug überm Wasser. Der Stopp in Bodø ist nun ganz normal kurz – und in Svolvær stört die späte Öffnung kein bisschen.
Was hatten wir den Teilnehmern vorgeschwärmt, wie die Mitternachtssonne auf den Lofoten niemals untergeht. Doch davon ist unter den Regenwolken über unserem Hotel Anker Brygge nichts zu sehen. Das Wetterglück hat uns auf dieser Reise definitiv verlassen. Das gilt auch für den ersten Streckenabschnitt am nächsten Tag, endlich Richtung Nordkap. Eine VFR-Crew entscheidet sich sogar, in Svolvær zu bleiben. Die anderen fliegen nach IFR oder hangeln sich wieder unter den Wolken durch die recht engen Buchten. Doch etwa auf halber Strecke reißt es auf, nur der Wind ist stark – wie am Anfang beschrieben, verhindert das für die meisten eine Landung am Nordkap.
Auch das Fliegen vor den Fjorden hat die Teilnehmer der fliegermagazin-Leserreise beeindruckt
Von Alta (ENAT) machen wir uns auf den Rückweg nach Oslo. Kurz überlegen wir, ob das schwedische Flachland an der Ostseeküste die bessere Option wäre. Die Distanz ist etwa gleich, aber dort sieht das Wetter noch schlechter aus. Teils IFR, teils VFR kommen wir erst zum Tankstopp Brønnøysund (ENBN). Und genauso geht es durchs norwegische Binnenland bis Oslo. Kjeller (ENKJ) ist dort der Platz für die Allgemeine Luftfahrt, er liegt sehr nah an der Stadt. Allerdings wird er nicht von Avinor betrieben, sondern teils militärisch, teils zivil genutzt. Für letzteres ist der örtliche Verein zuständig, bei dem man PPR einholt.
Wir wohnen dicht am trendigen Hafenviertel mit seiner aufregenden Architektur im Hotel Amerikalinjen. Beim Abschieds-Dinner wird Bilanz gezogen: Den eigentlich geplanten Flug über den Fjorden Norwegens hat das Wetter leider nicht freigegeben. Doch auch das Fliegen vor den Fjorden hat uns tief beeindruckt.
Fliegen in Norwegen: Was muss ich beachten?
Die Luftfahrtbehörde gibt einen exzellenten VFR Guide unter https://bit.ly/vfrnorway heraus. Norwegen ist kein EU-Mitglied, es sind Zollregeln zu beachten. In Deutschland darf man unter bestimmten Bedingungen ohne Kontrolle abfliegen und zurückkehren. In Norwegen muss bei Plätzen ohne Zoll mindestens vier Stunden vorher der Flugplan an den Zoll gesendet werden.
Der staatliche Luftfahrt-Dienstleister Avinor betreibt in Norwegen die Flugverkehrskontrolle und fast alle Flugplätze. Deren Öffnungszeiten veröffentlicht Avinor per AIRAC und online unter https://bit.ly/avinorops. Diese werden aber oft noch kurzfristig per NOTAM eingeschränkt. Dies gilt besonders im Juli, wenn die Norweger Sommerurlaub machen. Für Ausländer ist die Nutzung der Plätze praktisch nur während der Öffnungszeiten des Air Traffic Service (ATS) möglich.
Die Avinor-Webseite www.ippc.no dient nach kostenloser Registrierung der Flugvorbereitung inklusive Wetterinformationen.
Avgas ist gerade im hohen Norden nur an wenigen Plätzen verfügbar. Getankt wird fast immer an Automaten, die ausschließlich mit der kostenlos in Deutschland erhältlichen AirBP-Karte funktionieren. Ohne sie sollte man nicht nach Norwegen fliegen.
Unser Sponsor
Die Leserreisen 2022 werden unterstützt von Garmin. Die Navigations-App Garmin Pilot bietet alle Funktionen für Vorbereitung, Flugplanaufgabe und -durchführung bei VFR- sowie IFR-Flügen – und integriert sich mit geeigneter Einbau-Avionik. Auf der Nordkap-Reise besonders beliebt war der Abruf von Niederschlagsradarbildern sowie METAR- und TAF-Berichten. Das funktionierte bei niedrigen Flughöhen auch in der Luft gut.
Text: Thomas Borchert, Oliver Matthis, Sina Schunk
Fotos: Sina Schunk
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