Fliegen in Frankreich: Unterwegs im idyllischen Südwesten
Mächtige Burgen, verträumte Dörfer, romantische Täler – und unglaublich gutes Essen: In der Dordogne werden französische Reiseträume wahr.
Ein strahlend schöner Sommertag neigt sich dem Ende zu. Am südwestfranzösischen Himmel ist kaum eine Wolke zu sehen, und das in die Windschutzscheibe unserer Socata ST-10 eingelassene Thermometer zeigt nach wie vor knapp 20 Grad Außentemperatur an – in Flugfläche 80!
Über fünf Flugstunden haben wir schon hinter uns. Von unserem Heimatplatz Wiener Neustadt (LOAN) führte uns die Route zuerst annähernd westlich in Richtung Frankreich nach Colmar (LFGA), wo wir die knapp 200 Liter fassenden Tanks unserer Maschine wieder füllten. Von dort ging es weiter auf Südkurs quer durch Frankreich, das Ziel: Périgueux – die Hauptstadt des Départements Dordogne, die dank des Flugplatzes Périgueux Bassillac (LFBX) auch für Piloten bestens erreichbar ist.
Fliegen in Frankreich: Das tiefe Frankreich entdecken
Seit Jahren reisen wir immer wieder in diese einzigartige Region, die jedes Klischee über das ländliche Frankreich erfüllt: „La France profonde“, wörtlich übersetzt: „das tiefe Frankreich“, nennen die Franzosen diesen Landstrich, in dem das Leben noch so wie vor Jahrhunderten zu verlaufen scheint. Kleine Dörfer schmiegen sich an Biegungen niemals regulierter Flüsse, über ihnen thronen mächtige Burgen, auf den Bauernhöfen schnattern freilaufende Gänse, und unter Eichenbäumen gedeihen die weithin bekannten Périgord-Trüffeln. Die Weinberge von Bergerac vervollständigen den kulinarischen Reichtum. Doch erst einmal müssen wir landen.
Weil’s einfacher ist, waren wir nach IFR unterwegs. Wettertechnisch wäre das nicht erforderlich gewesen, doch auf diese Weise mussten wir uns keine Gedanken über die zahlreichen militärischen Tieffluggebiete in Frankreich machen. Wir stehen noch in Kontakt mit den Lotsen von Limoges Radar, als wir den IFR-Teil unseres Flugplans schließen. Wir sollen uns nach der Landung telefonisch melden, sagt man uns, und dann sinken wir dem Flugplatz entgegen. Die Flugleitung dort ist nicht mehr besetzt, sodass wir auf der Platzfrequenz Blindmeldungen abgeben. Auf unseren Erstanruf („Socata ST-10 en provenance de Colmar, deux personnes à bord, position …“) antwortet niemand – ganz normal in Frankreich. Kein anderer Verkehr, der Windsack legt die Pistenrichtung „29“ nahe. Wir sinken in den Gegenanflug („vent arriere“), den Queranflug („base“) und drehen zum Endanflug („finale“) in die untergehende Sonne.
Unkompliziert: Fliegen in Frankreich ist leichter, als man denkt
Nach der Landung auf der 1700 Meter langen Asphaltpiste parken wir auf dem weitläufigen Vorfeld. Die Temperaturen sind beachtlich; „canicule“ nennen die Franzosen diese frühsommerliche Hitze. Verschwitzt, aber glücklich über unsere Ankunft packen wir das Gepäck aus und verzurren unser Flugzeug. Auf dem Weg, der vom Flughafengelände wegführt, kommen wir am Lokal des örtlichen Aéroclubs vorbei und entdecken erstmals ein Lebenszeichen. Rasch kommen wir mit den freundlichen französischen Piloten ins Gespräch, ehe uns ein Anruf vom Clubtelefon unterbricht: Limoges Radar ist am anderen Ende der Leitung. Wir haben doch glatt vergessen, unseren Flugplan zu schließen!
Die Landung in Périgueux ist ein treffendes Beispiel dafür, wie unkompliziert Fliegen in Frankreich abläuft – sofern man nicht das Schließen des Flugplans vergisst. Eine Flugleiterpflicht wie in Deutschland oder Österreich gibt es nicht, die meisten Plätze sind tags und nachts ohne Unterbrechung geöffnet. Mancherorts gibt es sogar „pilot controlled lighting“ für selbstständige Nachtanflüge, bei denen die Pistenbefeuerung per Funk aktiviert wird.
Pragmatischer Zugang: In Frankreich ist die Landung oft kostenlos
Am Boden setzt sich der pragmatische gallische Zugang zur Fliegerei fort: Das Landen ist meistens billig. In Périgueux bezahlen wir für unser maximal 1220 Kilogramm schweres Flugzeug weniger als acht Euro. Oft ist die Landung auf französischen Plätzen sogar gratis, und IFR-Anfluggebühren sind hier unbekannt. Treibstoff ist günstiger als in Mitteleuropa und an beinahe jedem Flugplatz vorhanden. Dominierender Lieferant ist der französische Mineralölkonzern TOTAL, bei dem man eine Tankkarte bestellen und anschließend an allen entsprechend ausgestatteten Flugplätzen selbstständig tanken kann. Ohne Karte („Carnet“) ist man allerdings auf die Hilfe von Flugplatzpersonal oder ortsansässigen Piloten angewiesen. Sofern erreichbar, sind diese unserer Erfahrung nach gerne bereit, mit ihrer eigenen Karte zu tanken und sich den Betrag dann in bar ersetzen zu lassen.
Der Weg vom Flugplatz zum eigentlichen Reiseziel wird in Frankreich durch ein dichtes Netz an Autovermietungen erleichtert. Diese befinden sich meist an Bahnhöfen und sind häufig auch bereit, ein vorbestelltes Auto zum Flugplatz zu bringen. In unserem Fall leider nicht, und so hoffen wir auf die Hilfe der freundlichen Pilotenkollegen. Taxis sind in Frankreich übrigens deutlich teurer, als es deutschsprachige Gäste aus ihrer Heimat gewohnt sind.
Neben der AIP stehen auch andere Flugplatzinformationen kostenlos zur Verfügung
Wie an einem bestimmten Flugplatz zu fliegen ist, welche Dienstleistungen es dort gibt und wie die Verantwortlichen erreicht werden können, lässt sich vorbildlich einfach herausfinden: Der staatliche Service de l‘Information Aéronautique (SIA) stellt neben der AIP, die gemäß internationaler Bestimmungen die Instrumentenanflüge beinhalten muss, auch alle Sichtflugkarten samt Piloteninfos kostenlos online zur Verfügung. All das findet man unter der Internet-Adresse www.sia.aviation-civile.gouv.fr, der Menüpunkt „Atlas VAC France“ führt ohne lästige Registrierung zu den Karten.
Mit dem Mietwagen fahren wir nach Brantôme, einem kleinen Städtchen im Nordwesten von Périgueux. Der malerische Ort mit seinen nicht einmal 2000 Einwohnern liegt im Tal der Dronne, von der er beinahe zur Gänze umflossen wird – deshalb auch der Spitzname „Venedig des Périgord“. Neben der bereits von Karl dem Großen gegründeten Benediktinerabtei macht vor allem die entspannte Atmosphäre den Orts besuchenswert: Selbst in der Hochsaison ist Brantôme nicht von Touristen überlaufen.
Venedig des Périgord: Genießen der teuersten Steinpilze der Welt
Im Umland des Städtchens lohnt ein Besuch des Ecomusée de la Truffe im Ort Sorge, wo man alles über Trüffelsuche und -zubereitung erfährt – samt Rundgang in einem Trüffelhain. Genießen kann man die schwarzen Trüffeln, die zu den teuersten Speisepilzen der Welt gehören, zum Beispiel im mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Hotelrestaurant „Le Moulin du Roc“ im wenige Kilometer entfernten Örtchen Champagnac-de-Belair.
In Brantôme selbst ist die „Moulin de Vigonac“ die empfehlenswerteste Adresse: Die idyllisch an der Dronne gelegene ehemalige Mühle wurde von der Familie Alexeline liebevoll restauriert. Während sich Mutter Giseline um die geschmackvoll dekorierten Zimmer kümmert, steht Vater Olivier steht am Herd und sorgt für eine authentische Küche. Auf den Tisch kommen raffiniert interpretierte regionale Spezialitäten, von der eingemachten Ente (Confit de Canard et Pommes Sarladaises) bis zur Nusstorte (Tarte aux Noix). Genießen kann man das alles im romantisch-verwilderten Garten, in dem sich hungrige Wildentenfamilien bis auf die Terrasse vorwagen – die pure Idylle!
Sportlich oder lässig? In der Dordogne geht beides
Wer sich nach all der guten Küche sportlich betätigen möchte, kann wandern und Rad fahren – oder, in dieser wasserreichen Region besonders beliebt, per Kanu die Natur entdecken. Noch mehr als die kleine Dronne empfiehlt sich dafür der etwas größere Fluss Vézère.
Während wir hier gemächlich dahinpaddeln, bestaunen wir neben der ursprünglich wirkenden Natur- und Pflanzenwelt das kulturelle Erbe am Ufer, darunter der Kalksteinfelsen La Roque Saint-Christophe, dessen Höhlenwohnungen von der Jungsteinzeit bis ins 17. Jahrhundert besiedelt waren, oder die Ruinen der Burganlage von La Madeleine. Auch die hier gemachten Funde reichen in die Steinzeit zurück und sind so bedeutend, dass eine ganze archäologische Epoche (das „Magdalénien“) nach ihnen benannt wurde.
Sixtinische Kapelle der Frühzeit: Zu Besuch in der Ausgrabungsstätte in Vézère
Die zweifellos bekannteste Ausgrabungsstätte im Tal der Vézère ist die Höhle von Lascaux: Vor knapp 80 Jahren zufällig entdeckt, gelten ihre bis zu 40 000 Jahre alten Malereien heute als „Sixtinische Kapelle der Frühzeit“. Die Höhle selbst kann nicht besucht werden, so schützt man sie vor Zerstörungen. Doch ein unmittelbar daneben errichteter Nachbau sowie ein hypermodernes Besucherzentrum sind kaum weniger eindrucksvoll. Die Vézère mündet in die Dordogne, den Hauptfluss der Region. Piloten bietet sich schon aus der Luft ein prachtvoller Blick auf die zahlreichen Flussbiegungen. Der beste Landeplatz ist Sarlat Domme (LFDS). Wir erreichen ihn von Périgueux aus in wenigen Minuten, wobei der Flug zwar aussichtsreich, doch bockig ist – die nach wie vor hohen Temperaturen sorgen für Thermik.
Mit seiner knapp 750 Meter langen Asphaltpiste ist der Flugplatz, der auf einem rund 980 Fuß hohen Plateau südlich der Dordogne liegt, für die meisten Maschinen der Allgemeinen Luftfahrt geeignet. Eine Bodenfunkstelle gibt es auch hier nicht, doch erneut fädeln wir uns mit Blindmeldungen problemlos in die Platzrunde ein und landen anschließend auf der Betriebspiste 28.
Historisch: Burgen aus dem Mittelalter prägen die Region
Wer mag, kann in rund 45 Minuten den pittoresken Ort Domme zu Fuß erreichen. Seit dem Mittelalter beinahe unverändert, liegt er hoch über dem Tal der Dordogne. Um Sarlat am gegenüberliegenden Ufer zu erreichen, braucht man dagegen ein Auto. Viele dortige Hotels bieten ihren fliegenden Gästen auch einen Transfer vom und zum Flugplatz an.
Auch Sarlat beeindruckt mit seinem mittelalterlichen Flair, doch der Ort ist längst kein Geheimtipp mehr, und im Hochsommer drängen sich zahlreiche Touristen durch die engen Gassen. Auch die prächtigen Burgen von Beynac und Castelnaud, die in Sichtweite voneinander am Ufer der Dordogne liegen, ziehen viele Besucher an. Im Mittelalter markierten sie die Grenzen des französischen und des englischen Einflussbereichs in Aquitanien.
Neuerdings ist hier wieder vermehrt Englisch zu hören: Besucher von den Britischen Inseln lieben die Region, wohl auch, weil hier die erfolgreiche Krimireihe „Bruno, Chef de Police“ von Martin Walker spielt.
Idyllisch: Entspannen in den Gärten von Marqueyssac
Etwas ruhiger geht es im Schlösschen Marqueyssac zu, dessen aussichtsreiche Gärten traumhafte Tiefblicke auf die Dordogne eröffnen. Richtiggehend einsam fühlen können sich Besucher in den Ruinen des Château de Commarque: Bildhübsch im naturbelassenen Tal des Flüsschens La Beune gelegen, lädt es zum Träumen von vergangenen Tagen ein.
Einige Dutzend Kilometer flussabwärts fließt die Dordogne durch Bergerac: Weinliebhaber und solche, die es noch werden wollen, können sich im Maison des Vins durch die 13 Appellationen der Region kosten und anschließend diverse Weingüter in der Umgebung besichtigen. Die wahrscheinlich bekannteste Adresse ist das Château de Monbazillac, in dem es nicht nur den gleichnamigen süßen Weißwein zu kaufen gibt. Gleich in der Nähe speist man im Restaurant „La Tour des Vents“, malerisch am höchsten Punkt einer Hügelkette gelegen, mit wunderbarem Ausblick über die Weinberge.
Die Stadt Bergerac selbst ist unterdessen nicht ganz so reizvoll wie ihre Umgebung. Dem literarischen Helden Cyrano de Bergerac begegnet man hier, sei es als Statue oder als Souvenir, auf Schritt und Tritt – und das, obwohl er mit Bergerac nur den Namen gemeinsam hat: Den hatte sein Vater von einem verarmten Adelsgeschlecht gekauft, ohne dass irgendein Mitglied der Familie jemals die Stadt besucht hätte.
Anlaufpunkt: Bergerac ist ein gut gewähltes Ziel für Piloten auf dem Weg in die Dordogne
Für Piloten ist Bergerac ein strategisch gut gewählter Anlaufpunkt. Der drei Kilometer südlich der Stadt gelegene Flughafen Bergerac Dordogne Périgord (LFBE) ist mit seiner 2200 Meter langen Piste und mehreren Instrumentenanflügen, darunter einem ILS auf die Piste 27, eine weitgehend wetterunabhängige Destination. Aufgrund mehrerer Linienverbindungen sind hier zahlreiche Mietwagenfirmen ansässig, die Preise für landende Privatflieger halten sich dennoch im Rahmen. Die Landegebühr für unsere ST-10 beträgt nicht einmal sechs Euro, für das Abstellen werden rund 30 Cent pro Stunde und Tonne verrechnet. Zu beachten ist jedoch, dass bei Flügen vom oder ins Ausland bis auf weiteres eine Voranmeldung (mindestens 24 Stunden an Wochentagen, 48 Stunden am Wochenende) für die polizeiliche Kontrolle erforderlich ist.
Für uns ist unterdessen die Zeit gekommen, um uns von der Dordogne zu verabschieden. Auf dem Rückflug begleiten uns, passend zum Ende dieses Urlaubs, erstmals wieder dichtere Wolken. Doch noch bevor die Räder unserer Socata im Fahrwerksschacht verschwunden sind, wissen wir, dass wir in den romantischen Südwesten Frankreichs zurückkehren werden – vielleicht sogar schon im nächsten Sommer. Bis es so weit ist, werden uns die im Gepäckraum gestapelten Weinkartons und Delikatessen trösten.
Fliegen in Frankreich
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – gilt das auch in der Luft? Wer an die Fliegerei im streng reglementierten deutschsprachigen Raum gewöhnt ist, könnte bei seinem ersten Besuch in Frankreich diesen Eindruck gewinnen. Doch auch in der Grande Nation gibt es einige sensible Themen.
Dazu gehört der Vermerk „FR only“. Steht er auf dem Anflugblatt, wird vorausgesetzt, dass Piloten in französischer Sprache am Funkverkehr teilnehmen können. Ein häufiges Missverständnis ist, dass dies auf jedem Platz ohne Luftaufsicht der Fall wäre – keineswegs! Ist ein Flugplatz entsprechend gekennzeichnet, muss man zwar nicht fließend Französisch sprechen, doch sind gewisse Minimalkenntnisse für das richtige Aussprechen und Verstehen der Standardphrasen erforderlich. Diese Sprechgruppen findet man beispielsweise auf der (auch ansonsten überaus empfehlenswerten) Website www.fliegen-in-frankreich.de.
Luftsperrgebiete (LF-P) sind keine gallische Besonderheit, in Frankreich gibt es jedoch sehr viele von ihnen. Besonders ernst nehmen die Behörden die Sperrgebiete rund um Atomkraftwerke: Wer sie verletzt, kann sich auf Besuch von einem Abfangjäger und empfindliche Geldstrafen einstellen.
Dass die französische Luftwaffe viel Respekt genießt, zeigt sich auch an den zahlreichen militärischen Tieffluggebieten (AZBA, für Activité des Zones Militaires Basse Altitude, also Aktivität der militärischen Tieffluggebiete) im ganzen Land. Auf den ersten Blick können diese für VFR-Piloten sehr abschreckend wirken, doch nur wenige Zonen sind gleichzeitig aktiv. Welche dies sind, erfährt man im Voraus auf der Internetseite des Service de l‘Information Aéronautique unter der Adresse www.sia.aviation-civile.gouv.fr, Menüpunkt „Carte AZBA“. Während des Flugs informieren die jeweiligen Fluginformationsfrequenzen über den Status der auf der Strecke liegenden Zonen.
Text: Philipp Hayder
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