F-Schlepp à la Long Range: Mit Anhang nach Afrika
Was für ein Ritt: mit einem Bocian im Schlepptau von Deutschland bis nach Namibia. Mit einer Wilga brachte Kimberley Marx, die „schwarze Baronesse“, den Segler auf den schwarzen Kontinent
Wie bringt man ein Segelflugzeug nach Afrika? Die bequemste Lösung: zerlegt als Containerfracht. Die anstrengendste: im Hänger hinterm Auto. Die aufregendste: im Schlepp. Zugegeben – ein abenteuerliches Unterfangen. Doch Helmut Heinz aus Hütschenhausen in der Pfalz wollte einen Segler nach Namibia transportieren, und wie es der Zufall so will, gab es noch eine Wilga, die auch dorthin musste. Was lag also näher, als die beiden Dinger nach Namibia zu fliegen? Etwa 60 Meter bestes Tauwerk waren schnell gefunden, so was liegt ja auf jedem Segelflugplatz rum. Doch ehe es losgehen konnte, waren noch ein paar „Kleinigkeiten“ zu erledigen – nach etwa sieben Wochen waren wir abflugbereit. Uns war klar, dass das kein Spaziergang werden würde. Zwar brachten wir genügend Flugerfahrung mit, doch es ist ein Unterschied, ob man zehn Minuten hinter einer Schleppmaschine hängt oder mehrere Stunden.
Aber wir waren uns sicher, dass jeder sein Handwerk beherrscht, und unsere beiden Copiloten waren ebenfalls gut gewählt: Jacques Bernhart aus der Eifel ist mit Segelflugzeugen sehr gut vertraut. Zudem hat er starke Nerven, und das sollte sich unterwegs als wichtig erweisen, denn was nützt es, wenn man gut fliegen kann, aber mental nicht in der Lage ist, einen so langen und stressigen Trip durchzustehen. Und zugegeben: Ungefährlich war die Sache auch nicht. Marco Creutz, mein Co auf der Wilga, erwies sich, obwohl noch „scheinlos“, als hervorragende Entlastung im Cockpit. Am 7. November 2004 starteten wir zur ersten Etappe von Porta Westfalica nach Essweiler in der Pfalz, zwei Tage später verließen wir Deutschland zunächst Richtung Frankreich. Es ist ein ganz besonderes Erlebnis, wenn man zum ersten Mal mit einem F-Schlepp-Zug auf einer längeren Stecke unterwegs ist. Langsam dringt ins Bewusstsein, dass dieses Flugzeug für die nächsten Wochen der Mittelpunkt meiner persönlichen Welt sein wird.
Ein ganz besonderes Erlebnis, wenn man zum ersten Mal mit einem F-Schlepp-Zug auf einer längeren Stecke unterwegs ist
Vorbei an Saarbrücken kam mir für einen Moment in den Sinn, dass dies die ersten paar von ungefähr 12 000 oder vielleicht sogar 13 000 Kilometern waren, die noch vor uns lagen. Was würde uns auf den einzelnen Etappen erwarten, wie würde das Team funktionieren und welche technischen Probleme hätten wir zu bewältigen? Ein Controller riss mich aus meinen Gedanken zurück in die französische Luftraumwirklichkeit: „D-EWBS, there is a restricted area in front of you, you have to circumnavigate it!“ – „Sir, we are a one hundred meter long flying object, do you really intend to send us around this area? You can’t be serious!“ Eine Minute lang herrschte Funkstille, dann kam der Controller wieder. „All right, you are cleared to cross the area.“ Ich habe ähnliche Methoden unterwegs häufig anwenden müssen. Sonst wären wir nie im Leben an alle Flughäfen gekommen, die wir ansteuerten, damit der Segler zur Landung ausklinken konnte.
Der nächste Morgen war kalt, die Sonne schien an einem blassen Winterhimmel, und der Wind blies das Rhônetal mit gut 35 Knoten herunter. Im Nu waren wir in der Luft und drehten auf unseren Kurs nach Südosten. Eine herrliche Seealpen-Etappe mit mehr Sightseeing als „Strecke machen“ führte uns nach Fayence, wo wir drei Tage bleiben wollten. Als wir dann wieder Richtung Osten starteten, war der Wind erneut recht heftig, und je weiter wir Richtung Genua kamen, desto stärker blies er uns direkt auf die Nase. Ich beschloss abzukürzen und flog von Ventimiglia aus einen direkten Kurs nach Pisa. Es war ein wilder Ritt und ich war heilfroh, als wir nach beinahe drei Stunden über Wasser mit manchmal nur noch 40 Knoten Groundspeed endlich wieder die Küste überflogen.
Ich wollte entweder in San Vincenzo landen, rund 80 Kilometer südlich von Pisa, oder auf Elba. Unser eigentliches Ziel laut Flugplan lag noch weiter südlich, war aber bei dem Gegenwind, den wir auf dem Leg hatten, kein Thema mehr. Trotz der Überlegung, nach Elba zu fliegen, entschied ich mich, den Platz San Vincenzo zumindest von oben mal in Augenschein zu nehmen. Beim Überfliegen legte ich die Wilga nach links, um besser sehen zu können. Der Platz war klein, die Grasbahn nicht besonders lang, und als ich nochmals nach unten sah, flog unter mir ein Segelflugzeug, das genauso aussah wie unser Bocian. Ich blickte nach hinten und dachte, mich trifft der Schlag: Da tanzte das Schleppseil einsam im Propellerwind! Die Jungs hatten doch tatsächlich gedacht, „Kim hat gewackelt, also Zeit, Feierabend zu machen“ und waren von der Fahne gegangen. Damit war die Entscheidung gefallen: Elba sollte es also nicht sein.
Noch nicht! Aber am nächsten Morgen, denn sonst gab es nirgendwo Sprit. Der allerdings ist dort – wie vieles auf Elba – sauteuer. Wir überquerten den Stiefel bis Pescara und von dort nach Korfu. Nach der Landung lachten wir lauthals, als der Controller den Segler aufforderte, dem Follow-me zu folgen. Jetzt wussten wir, dass wir in eine Welt eingedrungen waren, in der man Segelflugzeuge bisher nicht kannte. Auf Zypern verließ mich mein Co, da sein Urlaub vorbei war – wir waren plötzlich zur Dreiercrew geschrumpft. Die Etappe, vor der ich am meisten Respekt hatte, war die große Überwasserstrecke von gut vier Stunden nach Ägypten. Wir stiegen auf FL 105 und flogen beinahe die gesamte Strecke on top. Zwar hatten wir unsere Schwimmwesten angelegt, und neben mir lag die gesamte Zeit ein betriebsbereiter Notsender, aber das waren eher psychologische Dinge. Uns war klar, dass es im Falle einer Notwasserung oder eines Seilrisses auf diesem Leg wenig Hoffnung gäbe.
Über dem Mittelmeer: Uns war klar, dass es im Falle einer Notwasserung oder eines Seilrisses auf diesem Leg wenig Hoffnung gäbe
Auch wussten wir aus den vergangenen Tagen, dass wir manchmal für mehrere Stunden ohne Funkverbindung sein würden. Landung in El Arish im nördlichen Sinai. Inzwischen kannten wir den Effekt unserer Auftritte als Schleppzug. Neu war diesmal, dass der Segler, nachdem er die Fläche abgelegt hatte, als „gecrasht“ betrachtet wurde. Die Feuerwehr eilte herbei, ich musste durchstarten, und der Flughafen wurde geschlossen! Bis sich das Problem geklärt hatte, blieb ich in der Luft … Afrika. Endlich waren wir auf dem Kontinent angekommen und hatten immerhin gut ein Drittel unserer Gesamtstrecke gemeistert. Wir waren stolz und auch erleichtert. Rasch ging es am nächsten Morgen weiter den Sinai hinunter, vorbei an Taba und Akkaba. Die Ägypter wollten, dass wir zu unserer eigenen Sicherheit sehr hoch fliegen, aber bei etwa 10 000 Fuß wurde es mühsam, und so schickten sie uns einfach aufs Meer hinaus, wo weniger los ist.
Unbeschadet kamen wir über Sharm el Sheik an und gingen langsam in den Sinkflug auf unseren Zielflughafen Hurghada. Ursprünglich wollten wir von Ägypten aus in den Sudan einfliegen. Dafür war angeblich keine Genehmigung zu bekommen, also wurden wir schon seit Griechenland in Richtung Saudi Arabien gelotst, was der Grund für den Haken über Zypern und El Arish war. In Hurghada sollte es dann zügig weiter gehen, aber leider war keine Genehmigung da. Die kam zwei Tage später, wir starteten. Alles lief gut, bis wir mit unserer fliegenden Karawane mitten über dem Roten Meer waren. Ein recht aufgeregter ägyptischer Controller teilte uns mit, wir sollten sofort umdrehen, wir hätten keine Genehmigung, in den saudischen Luftraum einzufliegen. Sollten wir dies dennoch tun, wurde mit Konsequenzen gedroht.
Also legte ich die Wilga in die Kurve, und wir flogen zurück nach Hurghada. Ich werde schon mal sauer, aber so sauer wie bei dieser Landung war ich schon lange nicht mehr. Irgendjemand hatte uns böse verladen, und ich drohte den Agenten vor Ort, dass ich diese ganze Sache bei der zivilen Luftfahrtbehörde Ägyptens zur Anzeige bringen würde, woraufhin alle die Köpfe einzogen und ganz kleinlaut wurden. Wir sind nie genau dahinter gekommen, was da schief gelaufen war, aber jetzt war die Frage: Wie sollte es weiter gehen? Plötzlich schien doch der Sudan die Lösung zu sein, worauf wir am Folgetag nach Assuan flogen, um von dort die Sudan-Etappe anzugehen. Doch offensichtlich hatten sich die Leute, die das regeln sollten, total vergaloppiert. Tage gingen dahin und keine Lösung in Sicht. Nach einer Woche Assuan wälzte ich die Karten und weckte nachts um halb drei meine Crew.
Ich wollte jetzt ohne Zwischenlandung den Nordsudan überfliegen und in Tessnej, kurz hinter der Grenze nach Eritrea landen. Natürlich ohne Genehmigung. Da es aber nur über die Wüste ging und dort kein Radar existiert, schien das ein guter Plan. Doch auch der scheiterte, weil man von Eritrea aus nicht nach Äthiopien fliegen kann. Diese Grenze ist total dicht. Blieb noch Djibouti, aber das wäre wieder ein Umweg gewesen. Durch Zufall bekam ich einen Kontakt zur Deutschen Botschaft in Khartoum, und jetzt hatten wir plötzlich die nötigen Verbindungen, uns im Sudan Sprit zu beschaffen. Das war der Schlüssel zu einer Genehmigung, dort zu landen, denn ohne Spritversorgung gibt es keine Einflug- und Landegenehmigung. Die Etappe Assuan–Khartoum war recht lang. Die letzte Stunde vor Khartoum flogen wir im Sandsturm, der so hoch reichte, dass wir nicht darüber steigen konnten.
Fliegen in den Sudan: ohne Spritversorgung gibt es keine Einflug- und Landegenehmigung
Die Sicht war miserabel, man konnte nur senkrecht nach unten etwas sehen. Klar: Ausgerechnet jetzt fiel der künstliche Horizont samt Kurskreisel aus. Doch wir kamen in Khartoum an und landeten auf einem der überfülltesten Flughäfen, die ich je gesehen habe. Wir bekamen Sprit und wären somit am Folgetag wieder abflugbereit gewesen, doch nun fehlte die Einfluggenehmigung für Äthiopien. Die Behörden dort waren nur schwer von unserer Operation zu überzeugen. Acht Tage sollte es dauern, ehe wir am 23. Dezember endlich in Richtung Addis Abeba starteten. Wir wussten, dass es eine schwierige Etappe werden würde. Die hohen Berge Äthiopiens hatten mir schon einiges Kopfzerbrechen bereitet. Doch rechnerisch hatten wir genügend Reserven, und so war das Risiko nicht höher als auf den Legs zuvor.
Als wir nach etwa drei Viertel der Strecke eine Hangkante überflogen und eine Hochebene erreichten, wurde es Helmut zu heiß: Er klinkte aus und landete auf einer Wiese. Ich landete mit der Wilga auf dem gleichen Gelände. Sofort waren wir von Eingeborenen umringt. Was nun? Mit Zeichensprache und ein bisschen Englisch versuchten wir, zu kommunizieren. Jacques gelang das am besten. Daher blieb er bei dem Bocian, während ich mit Helmut zum 90 Kilometer entfernten Flugplatz Bahir Dar flog, um den Vorfall zu melden und vielleicht Hilfe anzufordern. Doch dort hielt man uns 24 Stunden fest und stellte uns unter Polizeischutz, da die Beamten das Wort „Glider“ als „Fallschirm“ auslegten und glaubten, wir hätten einen Spion im Hochland ausgesetzt. Auch untersagten uns die Behörden einen Wiederstart. Erst ein Anruf bei der Botschaft befreite uns tags drauf aus dieser misslichen Lage.
Der Bocian liegt immer noch auf der Hochebene. Da er beschädigt ist, kann er nur auf dem Landweg geborgen werden. Und das zu Fuß, denn der Notlandeplatz ist nicht einmal mit Allradfahrzeugen zu erreichen. Ob und wann das mit Hilfe der Eingeborenen zu schaffen sein wird, steht noch in den Sternen.
Text: Kimberley Marx/cls, fliegermagazin 5/2005
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