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Rundreise mit Cessna 172 und 180: Acht Flugplätze in Masuren
Im Land der zahllosen Seen werden betagte Flugplätze aufpoliert und neue Privatpisten angelegt – für Piloten unkomplizierte und vielfältige Ausflugsziele
Vier enthusiastische Piloten hatten ein gemeinsames Ziel: eine eigene Landebahn unmittelbar am See. Ihr Traum ist Wirklichkeit geworden. Kikity, wie die Gründer ihr Airfield nennen, bietet zudem ein nagelneues Hotel für Flieger und einen großen Hangar. Tagesgäste parken ihre Maschine direkt vor dem Haus – und genießen entweder ein Barbecue oder besuchen das nahe Reszel, den einstigen Sitz der Bischöfe von Ermland und ein polnischer Künstlertreffpunkt. Kikity wird expandieren: Gegenüber der Bahn soll ein Pilotendorf aus dem Boden wachsen, die ersten Grundstücke haben bereits Besitzer gefunden. Am Seeufer steht eine Marina kurz vor der Fertigstellung, und nicht weit entfernt wird ein Golfplatz angelegt. Sogar die Mazury-Ermland Air Rallye hat Ende Juni hier Station gemacht. Auf der geneigten Grasbahn wurde der Ziellandewettbewerb zu einer spannenden Herausforderung.
Diese private Initiative ist beispielhaft für den Elan und den Pragmatismus, mit denen derzeit in Masuren in kürzester Zeit Flugplatzprojekte umgesetzt werden. Zum Beispiel entsteht knapp 20 Flugminuten von Kikity Richtung Nordost, ebenfalls am Wasser, nahe dem Ort Gizycko ein weiteres Fliegerdorf: der Privatplatz Mazury Residence. Auch hier gibt es ein Hotel direkt neben der Bahn, die Hälfte der Eigenheime ist schon fertig gestellt. Ein kleiner Nebensee bietet Freiflächen für einen zukünftigen Gasthafen – Gizycko ist schließlich das Segelsportzentrum der Region, nahe dem Stadtkern liegt einer der mit 140 Liegeplätzen größten Yachthäfen der Region, Ekomarina. Doch auch Piloten kommen auf ihre Kosten: Über dem See vor der Uferpromenade findet jährlich im August die Mazury Airshow mit internationalen Teilnehmern statt – auch Mazury Residence wird für den An- und Abflug der Maschinen genutzt.
Eine treibende Kraft für den aeronautischen Boom ist der Klub Krainy Jezior in Ketrzyn-Wilamowo. Er fördert die fliegerischen Aktivitäten wie zum Beispiel die Mazury Air Show – und war Initiator für eine dreitägige Privatpiloten-Rundreise zu den alten und neuen Landeplätzen der Masurischen Seenplatte. Unter dem Namen Rastenburg hat Ketrzyn-Wilamowo in der deutschen Geschichte einen wichtigen Platz: Nur sechs Kilometer entfernt liegt die Wolfsschanze, im Zweiten Weltkrieg Hitlers Hauptquartier. In Ketrzyn landete im Juli 1944 Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg, nach dem Attentat auf Hitler flog er wieder zurück nach Berlin, noch überzeugt vom Gelingen der „Operation Walküre“.
Heute gibt es eine Gedenkstätte in den Ruinen der Betonbunker, die man besichtigen kann. Beim Rückzug der deutschen Truppen wurde die bis zu acht Meter dicke Panzerung der Anlage durch Sprengungen nur teilweise zerstört. Man kann auch noch Reste des alten Flugplatzes erkennen, darunter Teile der Piste, Rollwege sowie Erdwälle für Flugzeugdeckungen und Hallenfundamente. Ein unterirdischer Schutzraum diente dem Bodenpersonal als Zufluchtsort. Beim Überflug sieht man allerdings nur wenig von den Resten der weitläufigen Anlage, der dichte Mischwald bietet damals wie heute eine gute Tarnung.
Masuren ist schon über einen viel längeren Zeitraum mit der deutschen Historie verbunden. Alte Burgen und Befestigungen zeugen von der Besiedlung durch die Deutschordensritter ab dem frühen 13. Jahrhundert. Viele Anlagen sind gut erhalten oder werden toprenoviert als Hotel oder Restaurant genutzt. Ein Beispiel ist das Schlosshotel Zamek Ryn 20 Minuten von Ketrzyn-Wilamowo, das Wohnen und Speisen historischem Ambiente bietet. Wer in die polnische Vergangenheit reisen will, findet im Ort Wojnowo nahe Babiety eine für Masuren unübliche orthodoxe Holzkirche sowie das ehemalige Nonnenkloster der Altgläubigen, einer Glaubensrichtung der russisch-orthodoxen Kirche.
Auch in Kikity kommen historisch Interessierte auf ihre Kosten: Nicht weit entfernt steht die Wallfahrtskirche Heilige Linde, bekannt für ihre barocke Innenausstattung und Orgelkonzerte. Aus der Luft ist die Gesamtanlage wunderbar zu erkennen. Einen Einblick in die ländliche polnische Kultur erhält man auf einem Ausflug von Gizycko über die Seen nach Wegorzewo. Hier sind auf dem Gelände des Freilichtmuseums für masurische Volkskultur umgesetzte Bauernhäuser aus der Region zusammengestellt. In einer Manufaktur wird in alter Tradition Keramik hergestellt. Neben solchen Kulturzeugen bieten viele Plätze Naturnähe pur. Babiety beispielsweise ist ein idealer Ausgangspunkt für Ausflüge mit dem Kajak auf der Krutynia-Route, die als die schönste polnische Paddelstrecke gilt.
Am Frischen Haff, nicht weit von Danzig, liegt der westlichste Platz der Rundreise, Elblag. Einmaliges Ausflugsziel: der Oberländische Kanal, gebaut Mitte des 19. Jahrhunderts von Baumeister Steenke. Der Preuße schuf damit eine Verbindung der Seen im Elblinger Hinterland mit dem Haff; der Kanal diente hauptsächlich dem Holztransport. Berühmt sind vor allem die technischen Lösungen, mit der die Schiffe die Höhenunterschiede überwinden: Es wurden mehrere schiefe Ebenen angelegt, auf denen die Boote auf Schienenwagen analog dem Prinzip des Seilzugs, angetrieben von Wasserkraft, bis zu 25 Meter überwinden. Die Besichtigung der Maschinenhäuser mit riesigen Wasserrädern und Seilrollen belegt die Finessen der Konstruktion. Die Altstadt von Elblag bietet dagegen nach Weltkrieg und Eroberung durch die Rote Armee nur eine Handvoll originaler Häuser.
Neben der Gras- gibt es auch eine 850 Meter lange Asphaltpiste
Ganz in der Moderne landen Besucher in Gryzliny. An dem Grasplatz dreht sich alles ums Fallschirmspringen und Ultraleichtfliegen – ideal, um einen Tandemsprung auszuprobieren. Olstzyn, die Regionalhauptstadt, bietet mit dem Verkehrslandeplatz Dajtki ein 2006 runderneuertes Ziel. Neben der Gras- gibt es auch eine 850 Meter lange Asphaltpiste. Durch die besondere Lage als letzter Platz mit Tankstelle und Hartbelag vor dem Baltikum wird Gastpiloten ein hoher Service geboten, inklusive Nachtbetrieb. In den nächsten Jahren soll die Bahn auf 1300 Meter verlängert und mit einem Instrumentenflugverfahren versehen werden. Ähnliches gilt für den ehemaligen Militärflughafen Szczytno-Szymany: Auch ihn will man zum Regionalflugplatz ausbauen, mit Verlängerung der Bahn auf 2300 Meter verlängert und IFR-Ausrüstung.
Polen hat bereits seit Dezember 2007 Schengen-Status. Dadurch und durch die Vereinheitlichung der Zollbestimmungen steht dem grenzenlosen Fliegen gen Osten nichts mehr im Weg. Und wer aus Deutschland, Tschechien, der Slowakei und Litauen einreist, braucht unter bestimmten Voraussetzungen keinen Flugplan mehr. Auch sonst genießen deutsche Piloten ungewohnte Freiheiten: Es gibt nur die Lufträume G und C, Sichtflug ist in G bis FL 95 unkontrolliert, darüber in C bis FL 195 möglich. Dazu kommen Kontrollzonen sowie eine Reihe von Sondergebieten mit flexibler Nutzung und variablen Betriebszeiten (Temporary Segregated Areas).
Angaben dazu findet man tagesaktuell im Airspace Use Plan (AUP) sowie in Online-NOTAMS, unterwegs gibt FIS Auskunft – Polen ist in fünf FIS-Zonen unterteilt, ab 600 Meter über Grund besteht laut AIP eine vollständige Funkabdeckung. An den größeren unkontrollierten Plätzen kann eine Aerodrome Traffic Zone (ATZ) eingerichtet sein. Für diese sind Öffnungszeiten und eine Funkfrequenz angegeben. Landen außerhalb der Betriebszeiten wird flexibel gehandhabt und ist nach vorherigem Anruf kein Problem.
Mehrere Rundflüge in Masuren mit Cessna 172 und 182
Die kleineren Bahnen sind in der Mehrzahl privat, sie haben keine ICAO-Kennung und stehen auch nicht in der offiziellen AIP. Starten und Landen darf man ohne Flugleiter, Angaben des Platzeigners zu speziellen Verfahren sind allerdings zu beachten. Im Internet findet man auf der Seite der polnischen Flugsicherung zu allen vorgestellten Zielen Informationen, gegliedert nach Flughäfen, Flugplätzen und Landebahnen (www.aim.pansa.pl; dann weiter mit „Dokumentacja/Procedury operacyjne“). Man landet nach Kontaktaufnahme oder mit Blindsendungen in der Platzrunde und im Final auf der örtlichen Frequenz, soweit vorhanden, ansonsten auf dem FIS-Kanal.
Auf den meisten Plätzen braucht man keine Gebühren zu zahlen. Allerdings offerieren nur die größeren eine Tankstelle – ein wichtiger Planungsfaktor. Bei den meist unbefestigten Grasbahnen sind üblicherweise nur die Schwellen durch weiße Winkel markiert, Begrenzungs- oder Halbbahnmarkierungen findet man nur spärlich. Aus der Luft sind die Landeplätze daher manchmal schwierig von benachbarten Feldern zu unterscheiden. Die Längen beginnen in der Regel ab 600 Metern, bei geneigten Flächen und mitten im Wald gelegen kommt bei Start und Landung durchaus echtes Buschflieger-Feeling auf – wer muss da noch nach Afrika oder Kanada reisen? Die Masurische Seenplatte ist ja nur einen Katzensprung entfernt.
Fliegen in Polen: Tipps und Infos
Offizielle Unterlagen: Die polnische VFR-AIP ist online nach kostenloser Registrierung erhältlich unter www.ais.pansa.pl/vfr/. Nur die gedruckte Version ist verbindlich, diese sowie ICAO-Karten für den Sichtflug sind online bestellbar. Jeppesen bietet ein Trip-Kit für Polen und in der Reihe VISUAL 500 der DFS gibt es Sichtflugkarten des deutschen Grenzgebiets. Links für Wetterinfos findet man in der AIP und auf den Websites der Flugplätze.
Zusatzinfos: Der Poland Air Atlas 2009 kann ebenfalls online erworben werden (http://sklep.dlapilota.pl/product_info.php?cPath=87&products_id=755). Der Aufbau entspricht der AIP, es sind allerdings mehr Flugplätze (rund 130) samt Luftbild enthalten. Außerdem finden Privatpiloten hier Angaben zu Übernachtungsmöglichkeiten und Ausflugszielen.
Text und Fotos: Torsten Meier, fliegermagazin 8/2011
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