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Hilfsprojekt in Ghana: Im Ultraleicht über Westafrika

Am Kpong Airfield in Ghana ist ein ebenso ehrgeiziges wie inspirierendes Projekt zuhause. Junge Frauen werden hier zu Luftfahrtingenieurinnen und Pilotinnen ausgebildet

Von Redaktion

Die Luftfahrt hat hier im Osten Ghanas, rund 80 Kilometer nördlich der Hauptstadt Accra, eine interessante Geschichte. In den sechziger Jahren baute die deutsche Flugpionierin Hanna Reitsch mit Unterstützung des damaligen Präsidenten des Landes, Kwame Nkrumah, eine Segelflugschule auf. Sie war persönliche Pilotin des flugbegeisterten Politikers, der den Staat 1957 in die Unabhängigkeit führte. All dies war mir noch neu, als ich zu meiner ersten Reise nach Ghana aufbrach. Auslöser war der Kontakt zu Jonathan Porter und Patricia Mawuli Fosu. Im Juli 2011 lernte ich die beiden beim EAA AirVenture in Oshkosh, Wisconsin, USA, kennen.


Jonathan alias „Capt. Yaw“ ist gebürtiger Brite und lebt seit 18 Jahren in Ghana. Er ist am Kpong Airfield Ausbildungsleiter, Chefingenieur, Flottenchef und Vertriebspartner für Rotax-Motoren in Westafrika. Patricia, eine wissbegierige und zielstrebige junge Ghanaerin, hat eine außergewöhnliche Lebensgeschichte: Während sie für ihre Familie auf dem Feld arbeitete, entdeckte sie Flugzeuge am Himmel, und ihre Leidenschaft wurde geweckt. Innerhalb weniger Jahre wurde sie zur ersten ghanaischen Fluglehrerin für ULs. Im vergangenen Jahr erwarb sie die Qualifikation, Rotax-Motoren einbauen zu dürfen – als derzeit weltweit einzige Frau.

Flugverrückt: Patricia Mawuli Fosu entdeckte früh ihre Leidenschaft für die Fliegerei. Heute ist sie nicht nur begeisterte Pilotin, sondern auch Expertin für das Triebwerk Rotax 912
(Foto: Ute Hölscher)

In Oshkosh erzählten die beiden auf einer Veranstaltung der legendären internationalen Pilotinnen-Vereinigung „99ers“ von ihren Projekten am Kpong Airfield. Da wäre zunächst die Flugschule West African Aviation Solutions Proposal, kurz WAASPS, weiter die Trainingsstätte AvTech Academy (für Aviation and Technology), die ghanaische Mädchen zu Ingenieurinnen der Luftfahrt ausbildet. Die Schule wird getragen von der Organisation Medicine on the Move (MoM), die humanitäre Hilfe für entlegene Dörfer in Ghana entlang des Volta-Stausses anbietet – und das mit den ULs, welche die jungen ghanaischen Damen gebaut und auf denen sie das Fliegen erlernt haben. Und mit denen sie nun als Pilotinnen Informationen und Bilder zum Thema Gesundheitserziehung über den Dörfern abwerfen.

All das an einem Standort, dem Kpong Airfield. Das wollte ich sehen! Gleichzeitig wollte ich herausfinden, ob ich als Fluglehrerin mit FAA- und JAR-FCL-Lizenzen einen Beitrag leisten kann, die Ausbildung der Mädchen zu fördern. Plötzlich konnte ich einem alten Traum nachgehen, in Afrika mit dem Flugzeug humanitäre Unterstützung zu leisten. Außerdem packte mich die Lust, mehr fliegerische Erfahrung mit Ultraleichtflugzeugen unter afrikanischen Bedingungen zu gewinnen. Eine tolle Kombination!

Am Kpong Airfield werden junge Frauen zu Luftfahrtingenieurinnen und Pilotinnen ausgebildet

Und ich machte diese Erfahrungen – im Oktober 2011 und erneut im April 2012. Voriges Jahr habe ich am Kpong Field die ghanaische Private Ultralight Licence (PUP) erworben, 2012 als Fluglehrerin die Mädchen unterrichtet. Mit dem Kauf von UL-Stunden und dem Angebot meines Fluglehrerinnenwissens konnte ich einen kleinen Beitrag leisten, die Arbeit der Organisation zu unterstützen. Für mich war es sehr inspirierend, mit Jonathan und Patricia in den wendigen ULs in Afrika unterwegs zu sein. Vor allem hat mich die Art und Weise beeindruckt, mit der sich die gesamte Organisation mit ihren hohen Standards und guten Strukturen für die Menschen einsetzt – man spürt die große Liebe für das Land und die Fliegerei.

Kpong Airfield liegt im Süden des größten künstlichen Stausees der Welt, Lake Volta mit dem Akosombo-Staudamm, der sich über eine Länge von 520 Kilometern erstreckt. Es gibt zwei Grasbahnen, auch die sonstige Ausstattung ist gut: zwei Hangars, ein Tower, eine Wetterstation, ein Büro fürs Briefing, ein Schulungsraum mit PC-Arbeitsplätzen, ein TV-Arbeitsplatz für Lernvideos und eine Luftfahrtbibliothek. Die Flotte der Flugschule besteht aus fünf ULs, die geflogenen Muster sind X-Air Falcon und Zenith CH-701 und CH-750. Auf der anderen Seite des Flugfelds, den Hangars gegenüber, stehen einfache Unterkünfte für die unterrichteten Mädchen, für Jonathan (der als Direktor die gesamte Organisation leitet), Patricia und für Gäste. Derzeit wird eine Mini-Klinik und ein Büro für MoM errichtet, in der Michaela und Ben arbeiten: Sie kümmern sich um die logistische, finanzielle und strukturelle Entwicklung des humanitären Projekts.

An erster Stelle steht die medizinische und humanitäre Hilfe für Menschen, die ansonsten keine Unterstützung erfahren würden, da sie in abgelegenen Dörfern leben und zu weit entfernt sind für Hilfsangebote, wie es sie in größeren Städten gibt. Mit dem Auto schafft man an einem Tag ein Dorf – mit dem Flugzeug erreicht man in zwei Stunden 20 Dörfer, um zum Beispiel einfache Informationen über Gesundheitserziehung weiterzugeben. Als eine von wenigen Organisationen in Afrika hat MoM von der Flug- und Sicherheitsbehörde nach langwieriger Beantragung die Erlaubnis bekommen, aus dem Flugzeug zu „droppen“ – Informationsmaterial zur Gesundheitserziehung per Luft zu befördern und über entlegenen Dörfern abzuwerfen. Dort übernimmt dann ein Verantwortlicher die Verteilung des Materials an die Menschen.WAASPS, die Flugschule für Light Sport Aircraft, erteilt Unterricht für alle Interessierten, die unter den nationalen Bestimmungen der Ghana Cicvil Aviation Authority (GCAA) eine Fluglizenz erwerben möchten.

Geschäftig: Kpong Airfield am Lake Volta ist ein Zentrum der Allgemeinen Luftfahrt Ghanas (Foto: Ute Hölscher)

Der Platz ist damit mittlerweile ein Zentrum der Allgemeinen Luftfahrt in Ghana geworden; hier treffen sich an jedem Wochenende zahlreiche Flugschüler, um ihr Training zu erhalten. Darunter sind sowohl Einheimische als auch Angehörige anderer Staaten: mehr als 45 Nationalitäten wurden hier bislang gezählt. Seit sechs Jahren ist die Flugschule aktiv, sie hat in diesem Zeitraum mehr als 20 Lizenzen ausgestellt. Der Flugplatz bietet den hier lebenden Menschen attraktive Arbeitsplätze und somit auch Zukunftsperspektiven für die junge Bevölkerung. Nicht zuletzt findet einmal im Jahr in Kpong ein so genannter Fly-me-Day statt: Über 100 Kinder aus den Dörfern der Umgebung können dann einen Rundflug machen – für die Kleinen und ihre Eltern ein überaus beeindruckendes Erlebnis. Pro Jahr zählt das Airfield rund 6000 Flugbewegungen; WAASPS will weiter wachsen und mehr Menschen in Ghana eine fundierte fliegerische Ausbildung ermöglichen.

An der AvTech Academy lernen die derzeit sechs Schülerinnen, (UL-)Flugzeuge zu bauen, zu warten und auch zu fliegen. Drei befinden sich im zweiten Jahr ihrer vierjährigen Ausbildung; im Sommer 2012 sind drei neue Schülerinnen aus umliegenden Dörfern dazugekommen. Mädchen aus armen Familien können mit gesponserten Stipendien gefördert werden. Eine der Schülerinnen ist Lydia, ein 16-jähriges Mädchen: Aufgrund eines falsch behandelten Insektenstichs ist ihr rechter Arm über Jahre atrophiert und letztlich unbrauchbar geworden. Lydia wurde über Spendengelder durch MoM eine Operation ermöglicht, sie kann heute ihren Arm bedingt einsetzen. Um auch die Hand wieder benutzen zu können, wäre eine weitere Operation nötig.

Kpong Airfield ist das Zentrum der allgemeinen Luftfahrt Ghanas

Lydia durchläuft trotz ihres Handicaps die gleiche Ausbildung wie ihre zwei Mitschülerinnen. Dieses Prinzip zieht sich durch die gesamte Organisation und ist jeden Tag spürbar: Für Jonathan ist vieles machbar und möglich, wenn man motiviert ist und seine Träume verfolgt. Jungen Frauen in Ghana eine Ausbildung zu ermöglichen, die ihnen ansonsten verschlossen bliebe, ist eins seiner großen Ziele. Nicht nur für Frauen, noch mehr für behinderte Menschen ist es in Ghana schwer, Anerkennung zu finden – umso schwerer in der Luftfahrt.

Kostbar: Mogas ist eine knappe Ressource in Ghana. Am Kpong Airfield haben die UL-Pilotinnen zum Glück genug davon, um ihre Ausbildung zu absolvieren (Foto: Ute Hölscher)

Die Lebensbedingungen in Afrika können hart sein und sind mit denen der westlichen Welt nicht zu vergleichen. Die Arbeit für das gesamte Projekt, die damit verbundenen Visionen und Ziele, die das Team verfolgt – das alles benötigt nicht nur mentale Stärke, sondern auch finanzielle Unterstützung. Trotz der hohen Betriebsamkeit reichen die Erträge der Flugschule nicht aus, um die Gesamtkosten und das Leben am Kpong Airfield abzudecken. Daher sind MoM, WAASPS und die AvTech Academy auf Spenden angewiesen. Doch Jonathan und Patricia sind sehr engagierte, entschlossene und zielstrebige Menschen, und sie verstehen es, täglich mit den natürlichen Beschwerlichkeiten Westafrikas umzugehen.


Das sind nicht nur die Wetterbedingungen, die ständig und rasch wechseln, sondern auch die politischen Herausforderungen, die immer wieder bewältigt werden müssen. Zu den Schattenseiten zählen etwa Korruption und Behörden, die viele Hürden aufbauen. Privatpiloten haben es nicht ganz leicht in diesem Land, das von militärischer Luftfahrt dominiert wird. Der kurze Boom unter der Ägide des ghanaischen Präsidenten Kwame Nkrumah in den sechziger Jahren endete vorerst mit dessen Vertreibung ins Exil. Die Aktivitäten am Kpong Airfield sind der Versuch eines Neuanfangs. Nicht nur fliegerisch, sondern auch menschlich habe ich viel gelernt in Ghana, am Kpong Airfield.

Text und Fotos: Ute Hölscher, fliegermagazin 9/2012

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