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EAA AirVenture 2009: Oshkosh als Familientreffen
Klar: Oshkosh ist die größte Airshow von allen. Aber für die meisten Piloten ist das Wichtigste, mal wieder gemütlich mit ihren Freunden zusammen zu sitzen
Vorn an der Flightline dröhnen die Motoren der Kunstflieger bei jedem Looping laut auf. Rauchfahnen ziehen durch die Luft, das pausenlose Geschwätz der Airshow-Kommentatoren plärrt aus den Lautsprechern. Dicht gedrängt stehen die Zuschauer an der Absperrung und starren in den Himmel.
Einen knappen Kilometer weiter, am Ende der Startbahn 18, ist von dem Spektakel kaum noch etwas zu hören. Reihe an Reihe parken die Flugzeuge, viele mit Zelten gleich daneben. Barry Holtz lehnt sich entspannt in seinem Campingsessel zurück und winkt ab: „Das da vorne ist ja ganz nett. Aber das ist doch nicht Oshkosh. Eigentlich geht’s um das hier!“ Barry zeigt auf das Zeltlager rund um sein Grumman Widgeon Flugboot: „Hier treffe ich jedes Jahr meine besten Freunde wieder, hier finde ich andere Wasserflieger – und ich kann mich an Flugzeugen satt sehen.“ Fünf Stunden ist die Widgeon von Rochester, New York, geflogen; zwei Maule auf Schwimmern sind ebenfalls dabei. „Wir kommen jedes Jahr nach Oshkosh, aber die Airshow ist für uns wohl das Unwichtigste“, sagt Barry.
Oshkosh: Das größte Fly-in der Welt – mehr als 10 000 Flugzeuge kamen in diesem Jahr
Immer noch heißt das größte Fly-in der Welt bei den meisten Piloten schlicht „Oshkosh“ – dabei ist das nur der Ort der Veranstaltung: Zum „EAA AirVenture“ lädt die amerikanische Experimental Aircraft Association (EAA) jedes Jahr nach Oshkosh, Wisconsin. Dass der Luftraum dort dann eine Woche lang der meist beflogenste der Welt ist, noch vor den Verkehrsflughäfen Chicago, Atlanta oder Dallas, weiß wohl jeder Pilot. Mehr als 10 000 Flugzeuge kamen in diesem Jahr in der letzten Juli-Woche. Die meisten gehören einfachen Privatpiloten, aber dank eines ausgeklügelten Anflugverfahrens geht trotz gleichzeitiger Landung von bis zu drei Flugzeugen auf derselben Bahn selten etwas schief. 578 000 Besucher haben sich die Flugzeuge angesehen, auch zum Erstaunen der Veranstalter zwölf Prozent mehr als im Vorjahr.
Mitten in der Camping Area steht die makellose Cessna 195 von Steve Peute. „Die ist gar nicht so unwirtschaftlich“, redet sich der 36-Jährige den langen Flug von Mojave in Kalifornien schön: Auf zwölf Stunden Flugzeit hat die alte Dame mit ihren 275 PS bei 130 Knoten Reisegeschwindigkeit 50 Liter pro Stunde verbraucht. Mit 16 Jahren war Peute zum ersten Mal in Oshkosh, auf Motorradtour mit seinem Dad. „Da habe ich die 195 gesehen und wusste: So eine muss ich mal haben. 20 Jahre später sind wir hier.“ Unter der Fläche der Cessna macht Greg Chaffee Frühstück: Eier, Speck, Kartoffeln und Kaffee – das volle Programm auf dem Camping-Kocher. Immer wieder geht der Blick des AirVenture-Erstlings von der Pfanne auf die endlosen Reihen von Flugzeugen: „Einfach unglaublich!“
Cessna 195: zwölf Stunden Flugzeit aus Kalifornien
Oshkosh ist nicht nur Fliegertreffen und Airshow: Steve hat auch die vier Messehallen und das Austellungsgelände schon gründlich durchstöbert. Er braucht neue Headsets – aber seine Frau Kim stoppt ihn: „Dafür haben wir im Moment kein Geld.“ Viele Neuheiten stellen die Hersteller vor, aber die wichtigste wird in keiner Pressemitteilung erwähnt: Erstmals gibt es in diesem Jahr nicht nur Dixi-Klos, sondern auch Toilettenwagen mit Wasserspülung. Welch ein Luxus, besonders für die 41 000 Menschen, die in der AirVenture-Woche am Flugplatz campen. Nicht alle am Flugzeug: Direkt an das Gelände grenzt Camp Scholler, ein Campingplatz für Wohnmobile, Trailer und Zelte. Entlang der Startbahnen im Norden und ganz im Süden sind die Grasflächen für das Zelten neben dem Flugzeug freigegeben.
Nur wer eine Vintage-Maschine (Baujahr 1970 oder älter) mitbringt, darf in den wohl schönsten Campingbereich: Zwischen Bäumen parken die Flugzeuge auf Wiesen verteilt, ein paar hundert Meter vom Trubel an der Flightline entfernt, aber dennoch auf Höhe der Airshow. Dort sitzt vor ihren Zelten neben einer perfekt restaurierten Beechcraft Staggerwing Familie Wixom und schaut Julie Clark bei ihrer Kunstflugshow in der T-34 zu. »Für die Warbirds gehen wir nachher dichter ran«, sagt Vater Larry, der seit 1986 fast jedes Jahr hier ist.
Vintage-Maschinen: Zwischen Bäumen parken die Flugzeuge auf Wiesen verteilt
Am anderen Ende des riesigen Felds macht Jack Mangan, Rufzeichen „Flash“, seinen Militärtrainer T-28 Trojan flugbereit. Für normale Piloten, zumal aus Europa, ist kaum zu glauben, was in der Warbird Area zu sehen ist: Reihe auf Reihe stehen Dutzende P-51 Mustang, ein Stück weiter sind fünf DC-3 nebeneinander geparkt, dahinter warten etliche Militärjets aus den fünfziger und sechziger Jahren auf ihre privaten Besitzer. Trainer wie die AT-6 oder die T-28 lassen sich kaum zählen. „Flash“ war früher F-15-Pilot bei der Air Force. „Ich habe das Formationsfliegen und die Gemeinschaft vermisst. Aber eine Mustang kann ich mir nicht leisten.“ Also fliegt er die T-28 in Massenformationen mit 16 und mehr Flugzeugen über die AirVenture-Besucher. „Das ist die Krönung für jeden Formationspiloten!“
Ursprünglich war das AirVenture eine Zusammenkunft von ein paar Selbstbauern, die Tipps und Tricks austauschten. In dieses Muster fällt auch Ed Knutson, der stolz neben seiner Glasair II steht. 1989 hat er den Kit in Oshkosh geordert, 1994 war der Flieger fertig. „Dabei habe ich eigentlich keinerlei handwerkliches Geschick, ich baue nie was selbst“, sagt Knutson. Warum ausgerechnet die Glasair? „Das war die Bauanleitung, die ich am besten verstanden habe.“ Andere Glasair-Besitzer kommen vorbei und bewundern seine Arbeit, mit einem Lancair-Bauer tauscht er Tipps aus, wie die Flächen so glatt hinzukriegen sind. Unablässig dröhnen am späten Nachmittag Warbirds über den Platz – der Abschluss der Airshow. Am Boden explodieren Rauchbomben, als eine P-51 und eine B-25 tief über den Platz jagen – und manche Zuschauer glauben tatsächlich, die Flugzeuge würden etwas abwerfen. Höhepunkt ist die einen Kilometer lange Feuerwand, die eine B-25 „auslöst“.
Die T-28 in Massenformationen mit 16 und mehr Flugzeugen über die AirVenture-Besucher
Gleich danach, um etwa 17.30 Uhr, öffnet der Flugplatz für Abflüge – bis 20 Uhr. In der Camping Area schieben die ersten ihre Flugzeuge aus der Parkreihe in die breiten Gassen dazwischen. Eiserne Regel in Oshkosh: Lass Dein Flugzeug nie in der Parkposition an, weil Du dann beim Rausrollen vermutlich mehrere Zelte umpustest. Die nächste Regel: Anlassen erst, wenn ein Einweiser dabei ist. Schon braust Al Hallett auf seinem Moped heran. Auf seiner orangefarbenen Weste steht groß „Flightline“.
Er wird das Flugzeug durch die Menschenmassen bis nach vorn zum Rollweg geleiten. Der 62-Jährige ist seit über zehn Jahren „Volunteer“ beim AirVenture. Wie hunderte andere Freiwillige vom Parkwächter bis zum Flugzeugeinweiser macht er das Event durch seinen Einsatz erst möglich. Auf dem Rollweg stehen schon gut dreißig Flugzeuge in der Schlange, immer neue stoßen von den Parkflächen dazu. Die Lotsen in ihren rosa T-Shirts geben auf den parallelen Bahnen zwei Flugzeuge zugleich frei, dicht auf dicht folgen die nächsten. Am Rand sitzen jetzt nicht mehr die Airshow-Zuschauer, sondern Piloten. Sie haben Glück, denn sie dürfen noch ein bisschen länger im Fliegerparadies bleiben.
Fotos: Thomas Borchert/Claudia Stock, fliegermagazin 9/2009
Thomas Borchert begann 1983 in Uetersen mit dem Segelfliegen. Es folgte eine Motorsegler-Lizenz und schließlich die PPL in den USA, die dann in Deutschland umgeschrieben wurde. 2006 kam die Instrumentenflugberechtigung hinzu. Der 1962 geborene Diplom-Physiker kam Anfang 2009 vom stern zum fliegermagazin. Er fliegt derzeit vor allem Chartermaschinen vom Typ Cirrus SR22T, am liebsten auf längeren Reisen und gerne auch in den USA.
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