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Atlantiküberquerung im Kleinflugzeug – Mit der Mooney nach Kanada
Atlantiküberquerungen mit Kolben-Einmots gibt es öfter. Doch kaum jemand gönnt sich Zeit für Land und Leute an den typischen Zwischenstopps auf Island und Grönland. Das hat unsere Mooney-Crew anders gemacht
Fast schon ein wenig zynisch war der Vorschlag meines Freundes, ob wir nicht eine Tour ins ewige Eis unternehmen sollten, bevor alles weggeschmolzen ist. Schnell war der Entschluss gefasst: Island, Grönland und Kanada wollten wir ansteuern, mit einer Mooney M20K 231. Bei zwei Wochen Reisedauer planten wir mit je vier Tagen für Island und Kanada sowie fünf Tagen für Grönland – jederzeit willens, diesen Plan wegen schlechten Wetters oder aus anderer Gründen zu ändern. Ganz klar, dass so ein Trip umfangreiche Vorbereitung und gute Ausrüstung erfordert (siehe Kasten Seite 44). Grundvoraussetzung waren für uns IFR-Tauglichkeit von Pilot und Flugzeug. Die Mooney mit 1000 Nautischen Meilen Reichweite, Turbolader und Sauerstoffanlage gibt Spielraum, um Wetter zu überfliegen oder entfernte Alternates anzusteuern.
Einmotorig übers Wasser
Auch im Sommer wird die Fliegerei im arktischen Norden vom Wetter beherrscht. Der Wind kann mit mehr als 50 Knoten aus der falschen Richtung blasen und die Reichweite so stark reduzieren, dass man die angestrebte Überwasserstrecke nicht schafft. Eis ist ein ständiger Begleiter, nicht nur im Wasser und auf dem Boden, sondern auch in den Wolken. Das Wetter über dem Atlantik ändert sich oft und manchmal rasch. Ein ausführliches Wetterbriefing ist unerlässlich – ebenso wie eine Planung, die Zeitreserven bei Schlechtwetter beinhaltet.
Von Deutschland aus ist bis in den Norden Schottlands noch alles ziemlich vertraut, wenn auch von böigem Wind, viel Regen und entsprechend tiefen Untergrenzen geprägt. Zwölf Stunden später fliegen wir bei strahlendem Sonnenschein und fantastischer Fernsicht hinaus auf unsere erste große Überwasserstrecke nach Island.
Von Island nach Grönland im Sportflugzeug
Schon bei Anflug auf Reykjavik erkennt man den Reichtum von Island: die Natur mit ihrer beeindruckenden Mischung aus Feuer, Wasser, Lava und Eis. Gleich nach der Ankunft machen wir uns mit einem Mietauto in Richtung Snaefells National Park auf. Die erste Überraschung gibt es gleich auf dem Lenkrad zu bewundern: Dort klebt unübersehbar eine Landkarte von Island, die nachdrücklich darauf hinweist, dass man sich bitteschön mit diesem Leihwagen nur in den ausgewiesenen Regionen bewegen darf. Das sind 20 Prozent der Gesamtfläche – für den Rest braucht es ein Geländefahrzeug und Ortskenntnisse.
Wir haben vier Tage für Island eingeplant – und nutzen auf der gesamten Reise die Vorteile des Sommers im hohen Norden: Da es praktisch die ganze Nacht hell bleibt, enden unsere Ausflüge meist erst nach Mitternacht.
Im Nationalpark erhebt sich der etwa 1500 Meter hohe Vulkankegel des Snaefellsjökull. Die Erdkruste scheint in Island erschreckend dünn; brodelnde Löcher mit Geysiren geben einen Hinweis auf die Urkräfte im Inneren unseres Planeten. Auf der „Golden Tour“ geht es von den Geysiren etwa 100 Kilometer nordöstlich Reykjaviks zum dramatischen Wasserfall Gullfoss, wo sich der Gletscherfluss Hvita 30 Meter tief in eine Schlucht stürzt.
Vorsichtig, aber neugierig nähern wir uns der isländischen Küche: Stockfisch und Schafsblutwurst sind Spezialitäten, Haifisch-Lebertran gilt als Gesundheits-Geheimtipp. So gestärkt baden wir in der berühmten Thermalquelle der von Lava umschlossenen Blaue Lagune. Bei 38 Grad Wassertemperatur entspannen Körper und Geist, wird sind für den Weiterflug bestens gerüstet. 400 Nautische Meilen westlich von Island liegt Grönland. Wir wollen zuerst nach Kulusuk auf der Ostseite. Die eigene Position ist über dem Ozean stündlich zu melden. Wenn kein Funkkontakt besteht, dann kann man Verkehrsflugzeuge um ein Relais bitten. Dazu ist die bei uns als Bord-Bord-Frequenz beliebte 123.45 MHz vorgesehen.
Reiseflug im IFR-tauglichen Viersitzer
Positionsmeldungen mit Breiten- und Längengraden (zum Beispiel: CHECKED POSITION EMBLA TIME 1145 FL180 ESTIMATING 6350N35W TIME 1240 NEXT 63N40W) muss man durchaus üben. Die Angaben sind lebenswichtig, denn bis in den An- und Abflug findet hier IFR-Flugverkehr in unkontrollierten und radarfreien Lufträumen statt, sodass die Meldungen den Piloten zur Staffelung dienen. Jeder Pilot trägt die volle Verantwortung für alle Bewegungen des Flugzeugs. Zeitpunkt und Ort von Richtungs- und Höhenänderungen werden vom Piloten berechnet, per Funk mitgeteilt und durchgeführt.
Die Anflüge auf die Flugplätze in Grönland sollte man gründlich vorbereiten. Fjorde, Berge, Wind und Eis bieten mannigfaltige Gefahrenquellen. Auch bei schönem Wetter muss man auf der Hut sein, da an einigen Stellen hohe Stromleitungen über die Fjorde gespannt sind. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Anflüge auf Kulusuk, Nuuk und Narsarsuaq lediglich NDB-Anflüge sind.
Schon der Anflug auf Kulusuk an Grönlands Ostküste ist faszinierend: Eisberge schwimmen im Wasser unter uns; im Inland ragen die Berge hoch auf. Kulusuk hat Airline-Verkehr, aber eine berüchtigte Schotterpiste, die für Flugzeuge wie unsere Mooney mit tief hängenden Fahrwerksklappen und geringem Abstand zwischen Propeller und Boden gefährlich werden kann. Über Funk holen wir Tipps für die aktuell besten Rollspuren rechts oder links von der Mittellinie ein.
In Kulusuk wohnen etwa 1000 Inuit. Vom Flughafen ist es ein sehr interessanter Spaziergang über zwei Kilometer bis zum Ortskern, auf dem wir schnell begreifen, dass hier die Menschen mit und von der Natur leben – und den Tag ruhiger angehen als in hektischen Großstädten.
Die »grüne Insel«, die zu Zeiten der namensgebenden Wikinger tatsächlich zumindest im Süden grün bewachsen war, ist sechs Mal so groß wie Deutschland, hat aber nicht einmal 60 000 Einwohner. Schnee und Eis bestimmen das Leben. Eine Bootstour durch die Fjorde mit den imposanten Eisbergen ist ein Muss auf Grönland. Auch Walbeobachtungen per Boot oder vom Ufer aus gehören zu den Besucher-Highlights. Buckelwale schwimmen jedes Jahr im Sommer aus dem Pazifik nach Grönland, um sich dort an Krill satt zu fressen.
Wir wollen über die Kappe aus ewigem Eis im Inneren Grönlands zur Haupstadt Nuuk an der Westküste fliegen. Ein Turbolader ist dafür eigentlich schon fast Voraussetzung, denn die Landschaft reicht bis auf 10 000 Fuß und höher. Alles sieht aus der Luft erstarrt aus, aber das Eis ändert ständig die Form. Im Sommer schmilzt es zum Teil, Wasser stürzt hunderte Meter herab. Hier herrschen Naturgewalten, eiskalt und schön.
In Nuuk wie in ganz Grönland erübrigt sich ein Mietauto, weil die meisten Orte nur mit Flugzeug oder Boot zu erreichen sind.
Von Nuuk führt die kürzeste Verbindung Richtung Kanada nach Iqualuit. Dort gibt es auch wieder ILS Anflüge und eine Radarüberwachung. Wir tanken aus 205 Liter großen Fässern – Teilmengen sind nicht erhältlich. Wer also unbedingt 250 Liter tanken möchte, der muss ein zweites Fass kaufen. Von Iqualuit im Nordosten fliegen wir quer über die breiteste Stelle der Hudson Bay nach Churchill in der kanadischen Provinz Manitoba. Ich dachte, dass wir mit Grönland das Thema vereistes Meer und Eisschollen hinter uns hätten. Aber weit gefehlt! Die Hudson Bay ist in den Sommermonaten voll von Eis.
Avgas gibt es in Churchill nur am Schiffs-Hafen. Den Transport der Fässer zum Flugplatz hatten wir organisiert, aber ein Detail vergessen: »Was? Ihr habt keine Spritpumpe dabei?«, fragt der Hafenmeister irritiert. Wir wollen lieber Eisbären beobachten als Pumpen zu organisieren und tanken später auf einem 150 NM entfernten Platz mit Tankstelle – die Zusatztanks der Mooney machen’s möglich.
Drei Meter Körperlänge und bis zu 800 Kilo Gewicht erreichen die Bären in Churchill. Jedes Jahr kommen hunderte, um im Winter in der Hudson Bay Robben zu jagen. Besonders nachts verirren sie sich auch mal in die Stadt. Wildhüter und Einwohner versuchen, das Schlimmste zu verhindern, aber ich hatte dennoch Angst, als wir zu Fuß durch Churchill liefen. Wer ohne große Gefahr Eisbären aus allernächster Nähe in Ruhe beobachten möchte, sollte eine der Tundra-Touren mitmachen, die allerdings auf ein bis zwei Jahre im Voraus gebucht sind.
Von Churchill fliegen wir über endlose Wälder 1000 Meilen Richtung Süden nach Haliburton, gleich nördlich von Toronto. Am Churchill River trauen wir unseren Augen kaum: Aus der Luft sehen wir riesige Gruppen von Beluga-Walen. Gleich darauf entdecken wir überall Eisbären am Ufer.
In der von Deutschen geführten Haliburton Forest & Wildlife Reserve wohnen wir in stilvollen Holz-Cottages und durchstreifen mit dem Quad die Wälder.
Es hilft nichts: Wir müssen zurück. Diesmal fliegen wir über Gander, wo wir Avgas und auch Sauerstoff tanken. Auf dem Leg nach Narsarsuaq muss ein Umweg über den nördlich gelegenen Meldepunkt LOACH sein, weil wir nur so das Gebiet meiden, in dem eine HF-Funkanlage vorgeschrieben ist. Zurück in Island kommt uns eine Idee: Warum nicht noch die Faröer besuchen? Aber das ist nicht ganz ohne formale Hindernisse. Sechs Stunden vorher ist PPR für die Zollabfertigung zu beantragen – aber erst ab Montag, und es ist Samstag. Also fliegen wir im VFR-Tiefflug quer über Island bis ganz in den Osten, mit einmaligen Ausblicken und der fliegerisch größten Herausforderung der gesamten Tour. Von Egilsstadir geht es dann auf die Faröer, die ausnahmsweise nicht im Nebel liegen. Dank unserer großen Reichweite können wir die massive Wetterfront über England, Holland und Frankreich mit eingelagerten Gewittern umfliegen, indem wir kurzerhand unsere Route über Norwegen umplanen. So kommen wir wie geplant nach Deutschland zurück.
Unsere anfangs verrückte Idee hat sich als ein tolles Abenteuer und als eine logistische und fliegerische Herausforderung entpuppt. Fast 10 000 Nautische Meilen haben wir in knapp 60 Flugstunden zurückgelegt. Zwischen 1,10 und 3,30 Euro lagen die Spritpreise, hinzu kamen Handling- und auch Streckengebühren von bis zu einigen hundert Euro. Wenig Geld, wenn man bedenkt, mit welchen fantastischen Eindrücke wir nach Hause kommen: Eindrücke von unterschiedlichsten Kulturen, Menschen, Tieren, Landschaften und Eisbergen, die uns ein Leben lang begleiten werden.
Überlebensausrüstung für Privatpiloten
Eine Seenotausrüstung mit Westen, Überlebensanzügen und Rettungsinsel ist vorgeschrieben und sinnvoll. Beim Kauf erhält man meist besseres Equipment als bei der Miete – was sich beim Anzug deutlich auf den Tragekomfort auswirkt. Einen PLB-Notsender sollte jedes Crew-Mitglied am Körper tragen. Ob man vorher ein Seminar für Überlebenstraining absolvieren möchte, muss jeder für sich selber entscheiden.Ein Satelliten-Telefon, das problemlos geliehen werden kann, ist nicht nur im Notfall hilfreich, sondern auf vielen Strecken für Positionsmeldungen als Ersatz für eine HF-Funkanlage zulässig. Dies gilt nicht für die südlichste Strecke zwischen Grönland (Narsarsuaq) und Kanada (Goose Bay) – dort ist unterhalb FL250 eine HF-Funkanlage vorgeschrieben. Um deren etwas aufwändigen Einbau muss man sich bereits einige Monate vor Abflug kümmern. Das nötige Kartenmaterial ist überschaubar, hat es aber in sich: Lediglich die Jeppesen Atlantic Orientation Charts 1/2 und die Canada High/Low Altitude Enroute Charts sind nötig, um den großen Ozean zu überqueren. Die aktuellen Karten können bereits 14 Tage vor Abflug bestellt werden. Sie sollten vor dem Abflug gründlich studiert werden. Magnetische Missweisungen von über 30 Grad, vier Zeitzonen, alternative Funkfrequenzen für HF und VHF und Minimum Grid Altitudes sind deutlich anders als das, was der geübte Europa-Flieger kennt. Von jedem Flugplatz müssen Betriebszeiten, NOTAMs und die Verfügbarkeit von Avgas und Zoll gründlich studiert werden. So gibt es an manchen Plätzen oft wochenlang kein Avgas. Die grönländischen Flugplätze sind am Wochenende grundsätzlich geschlossen. Und manche Zollbehörden brauchen tagelange Vorwarnung. Gerne gebe ich meine Erfahrungen und einige Tipps an Interessierte weiter foxgoosehare@yahoo.de.
Text & Fotos: Paul Fuchs, fliegermagazin 5/2013
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