Mit dem Cirrus-Simulator virtuell fliegen lernen
Die School4Pilots am Flughafen Hannover bietet realistisches Flugtraining an, ohne abzuheben. Flugschülerin Isabella hat den bisher einzigen EASA-zertifizierten Cirrus-Simulator in Deutschland ausprobiert.
Für meinen Kollegen Thomas Borchert und mich geht es heute zum Verkehrsflughafen Hannover. Dort besuchen wir die Flugschule School4Pilots von Ulf Meckbach, die seit 2021 existiert und den bisher einzigen EASA-zertifizierte Cirrus-Simulator in Deutschland hat. Grund genug, den zu testen und in eine 1:1-Nachbildung einer Cirrus SR20 G6 zu steigen. Für mich als Flugschülerin ist das natürlich besonders spannend, denn in einem Flugsimulator saß ich bisher noch nicht.
Ich frage mich, wie real mir das Flugerlebnis vorkommen wird? Gelingt es mir, in eine virtuelle Welt abzutauchen? Ich bin ein wenig aufgeregt, doch mit einem erfahrenen Cirrus-Piloten an meiner Seite fühle ich mich gleich viel besser.
Was für Flugsimulatoren gibt es überhaupt?
Bevor es aber praktisch wird, klärt mich Fluglehrer und Geschäftsmann Ulf Meckbach über die unterschiedlichen Flugsimulatoren auf, die es auf dem Markt gibt. Zum Beispiel einen Full Flight Simulator (FFS), der ein bestimmtes Flugzeugmodell inklusive Bewegung simuliert. „Damit tranieren Airlinepiloten, um die Musterberechtigungen zu erlangen“, sagt er. Ein solcher Simulator kostet weit mehr als zehn Millionen US-Dollar; die Zeit darin zählt als Flugzeit.
Fliegen im Cirrus-Simulator: Ein Teil der Flugstunden kann angerechnet werden
Für die Allgemeine Luftfahrt sei hingegen der Flight and Navigation Procedures Trainer, kurz FNPT, relevant. „Der größte Unterschied ist, dass sich diese Simulatoren nicht bewegen. Sie haben aber ein virtuelles Cockpit“, sagt der 59-Jährige weiter und spricht danach einen für mich als Flugschülerin sehr relevanten Aspekt an: Flugstunden in einem EASA-zertifizierten Flugsimulator können auch für einen Teil der Sichtflugausbildung angerechnet werden. Beim PPL sind es bis zu fünf Flugstunden, bei der IFR-Berechtigung bis zu 25 von 40 Stunden. Das ist ein Grund, warum Ulf Meckbach in den Cirrus-Simulator investiert hat.
Doch das Fliegen im Cirrus-Simulator hat noch weitere Vorteile: Es ist bei jedem Wetter möglich und spart auch Geld: Kraftstoffkosten und Landegebühren fallen weg. Was spricht noch für den Besuch eines Flugsimulators? „Auch erfahrene Privatpiloten kommen hier auf ihre Kosten“, sagt Mattia Werth, der als Fluglehrer bei School4Pilots arbeitet. Es ist als lizensierter Pilot hilfreich, Notverfahren zu trainieren. Außerdem haben Cirrus-Piloten die Möglichkeit, das Gesamtrettungssystem CAPS kennenzulernen. „Sie können während eines Simulatorflugs am roten Griff ziehen, wenn das der bessere Weg aus einer Notsituation ist. In der Realität entfaltet sich dann der von einer Rakete ausgezogene Fallschirm.“ Noch ein Pluspunkt: Im Simulator können verschiedenste Flugplätze angeflogen werden – ohne großen Aufwand.
Im Cirrus-Simulator den Rettungsschirm ziehen
Das sind die passenden Stichworte für mich und Thomas. Wir wollen endlich in den Flugsimulator steigen und fliegen gehen. Dafür müssen wir allerdings raus aus der Flugschule und direkt nebenan in ein Fertighaus auf Stelzen. „Eine im Nachhinein witzige Geschichte: Der Simulator der französischen Firma Alsim war letztlich zu groß für die vorhandenen Räume“, erzählt Meckbach.
Im Inneren des Hauses steht also der Cirrus-Simulator, der zunächst wie eine Cirrus SR20 mit Glascockpit aussieht. Nur die Rückbank fehlt, da ist der Bereich des Operators zu finden, der den Simulator mit dem Computer bedient und alles einspielt, was man während eines echten Flugs eher nicht erleben möchte. Dann geht es los, und zu meiner großen Freude darf ich auf dem linken Sitz Platz nehmen. Normalerweise sitzt dort Thomas, doch nun muss er mir vertrauen und mich üben lassen.
Starten auf einem fremden Flugplatz
Wir starten nicht wie gewohnt von einem Flugplatz im Norden, sondern befinden uns am Flughafen Innsbruck (LOWI), umgeben von den Alpen. Die Checklisten gehen wir durch, dann funken wir mit dem Lehrer hinter uns und rollen auf die Bahn. Vorher haben wir uns digital die Rollkarte angeschaut, da uns der Flugplatz fremd ist. Natürlich sitzen meine Handgriffe für den Start noch nicht perfekt, da meine Cessna 152 mit älteren Instrumenten und einem Steuerhorn anstatt Sidestick ausgestattet ist. Auch weiß ich nicht mehr auf Anhieb, mit welcher Geschwindigkeit ich rotieren soll und mit wie vielen Knoten ich steige und überhaupt, wo lese ich das nochmal ab?
Thomas hilft, ich führe aus und da heben wir auch schon ab. Ich bin konzentriert, wie bei einer echten Flugstunde. Prüfe die Instrumente, schaue nach draußen, sehe die Tragflächen und denke – das sieht verdammt real aus! Kein Wunder, schließlich habe ich hier im Simulator eine 240 Grad Sicht; es gibt drei Beamer, die ein perfektes Bild auf die Wände projizieren.
Wir fliegen einige Minuten weiter, spulen dann ein wenig die Flugzeit vor und landen dann bei richtig schlechtem Regenwetter am Flughafen in Hannover. Doch wenn ich ehrlich bin, haben wir dafür zwei Anläufe benötigt. Einmal sind wir abgestürzt. Thomas hatte eingegriffen und war sich – glaube ich – nicht ganz so sicher, ob ich das für mich fremde Flugzeug zum Landen bringe. Er hat’s dann erst recht nicht geschafft. Aber beim Simulator sind Wiederholungen ja zum Glück kein Problem…
Als wir von der Bahn rollen, fällt uns plötzlich etwas ein: Wir wollten doch den Rettungsschirm ziehen! Schwupps sind wir innerhalb weniger Sekunden wieder in der Luft. Oh nein, plötzlich fällt der Motor aus, wir sinken und dann sagt Thomas in einer Höhe von 2000 Fuß: „Jetzt ziehen!“ Ich zögere kurz, dann tue ich es, wir gleiten hinab und landen schließlich mit unserem Flugzeug auf einer Wiese. Eine lehrreiche Erfahrung, auch wenn keiner weiß, wie man sich tatsächlich in solch einer Extremsituation verhält. Für mich steht aber schon zu diesem Zeitpunkt fest: Simulator fliegen macht Spaß und kann ein gutes Training sein. Für Flugschülerinnen und erfahrene Piloten.
Isabella Sauer ist Jahrgang 1991, studierte in Bamberg Kommunikationswissenschaft und absolvierte anschließend ein Volontariat bei Auto Bild. Seit ihrer Jugend ist sie journalistisch tätig und arbeitete für große Verlagshäuser, darunter Axel Springer und die Funke Mediengruppe. Print, Digital, Social Media - für Isabella hat jeder Inhalt das Potenzial, vielfältig aufbereitet zu werden. Und wie kam sie zum fliegermagazin? Das Thema Mobilität interessierte sie immer schon sehr. Ob Auto, Bahn, Camper, Airliner oder Fahrrad: Die Welt lässt sich aus vielen Perspektiven entdecken. Nun geht es für Isabella Sauer in die Luft. Seit März 2023 ist sie PPL-Flugschülerin und freut sich schon darauf, sich in ein neues Fachgebiet einzuarbeiten.
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