In der Ausbildung einen Streckenflug vorbereiten: »Wie eine Steuererklärung«
Chefredakteur Thomas Borchert bereitet gemeinsam mit Flugschülerin und Kollegin Isabella Sauer einen Streckenflug vor. Und das so, wie es in der Schulung und der Prüfung verlangt wird. Sind Papierkarte, Kursdreieck und Co. noch zeitgemäß?
Derzeit habe ich – wie Sie vermutlich auch – das Vergnügen, meine Kollegin Isabella Sauer dabei zu begleiten, wie sie fliegen lernt. Gerade bereiten wir gemeinsam einen Streckenflug von Itzehoe nach Schönhagen vor – in der Hoffnung, dass sie dabei etwas von mir lernen kann. Also machen wir alles so, wie es in der Schulung und vor allem für die Prüfung verlangt wird: Papierkarte, Strich in der Karte, Kursdreieck, Drehmeier, Flugdurchführungplan. Ganz ehrlich: Das ist Unfug! Hier läuft in unserem Schulungs- und Prüfungswesen etwas gewaltig schief! Um Isabella das beizubringen, muss ich Kenntnisse hervorkramen, die ich in meiner praktischen Fliegerei seit 20 Jahren (!) nicht mehr gebraucht habe. Wozu muss sie das lernen? Die Antwort ist so einfach wie deprimierend: nur für die PPL-Prüfung. Auch sie wird danach nie wieder ein einziges Flugdurchführungsformular ausfüllen.
Wohlgemerkt: Ich will das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Papierkarte, Kursdreieck, Kurse entnehmen und auf magnetisch umrechnen – das ist sinnvoll, weil es grundlegendes Verständnis schafft. Leit- und Auffanglinien sowie gut aus der Luft sichtbare Punkte in der Karte erkennen und die Route entsprechend planen – natürlich zentral! Aber beim Winddreieck hört der Spaß auf: Der Wind kommt von links vorn, also muss ich dahin korrigieren und werde langsamer – so viel Grundverständnis geht auch, wenn ein Computer die exakten Werte errechnet. Und in diesem Formular vom Ausmaß einer Steuererklärung genaue Zeiten und Verbräuche für jede Strecke von Hand zu errechnen – das ist im Jahr 38 nach Erfindung von Excel schlicht nicht mehr vermittelbar. Ein Gefühl für plausible Werte kann man anders schulen. Und dann bleibt auch die Zeit, den Umgang mit Navigations-Apps zu lehren.
Junge Menschen nicht mit veralteten Verfahren bestrafen
Wenn wir junge Menschen vom Fliegen begeistern wollen, dann dürfen wir sie nicht mit veralteten Verfahren bestrafen, nur weil »wir da ja auch durch mussten« und »es ja noch keinem geschadet hat«. Mit diesem Geist, scheint mir, bestehen die Herrschaften in den zuständigen Gremien auf so viele überflüssige und komplett praxisferne Lerninhalte. Das sollte sich, wenn auch mit viel Fingerspitzengefühl, ändern!
Was sagen Sie zu diesem Thema? Schreiben Sie mir bitte an thomas.borchert@fliegermagazin.de.
Thomas Borchert begann 1983 in Uetersen mit dem Segelfliegen. Es folgte eine Motorsegler-Lizenz und schließlich die PPL in den USA, die dann in Deutschland umgeschrieben wurde. 2006 kam die Instrumentenflugberechtigung hinzu. Der 1962 geborene Diplom-Physiker kam Anfang 2009 vom stern zum fliegermagazin. Er fliegt derzeit vor allem Chartermaschinen vom Typ Cirrus SR22T, am liebsten auf längeren Reisen und gerne auch in den USA.
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