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Skytexter schreiben Botschaften in den Himmel

Ein Team aus Kunstfliegern übermittelt auf seine ganz eigene Weise Werbebotschaften. Das Besondere: Sie werden sogar aus großer Entfernung und von Hunderttausenden von Menschen gleichzeitig gesehen.

Von Isabella Sauer
Skytexting funktioniert nur in einem einwandfreien Formationsflug, wie hier für das Schreiben in der Lineabreast-Formation. Die aus dem Motor ausgestoßenen »smoke puffs« dehnen sich auf eine Kantenlänge von rund fünf mal zehn Metern aus. Bild: Sophie Linckersdorff

Es ist ein früher, lauer Samstagabend, als plötzlich tausende Hamburger ihren Blick nicht mehr vom Himmel abwenden können. Sie starren in die Luft, und es scheint für sie ganz unwirklich zu sein. Über ihren Köpfen stehen Textnachrichten wie »OMG dieser Himmel«, »WTF is OMR« oder »We love Hamburg«. Klar – da wird sofort das Handy gezückt und in den Sozialen Medien darüber diskutiert. Wer mag wohl hinter diesen geheimnisvollen Botschaften stecken? Selbst die lokale Presse fragt sich: »Was ist hier heute in Hamburg los?«

Bernhard Diehl, Stuk, Tim Tibo, Kai Joppich und Martin Engler (v.l.) sind die Skytexter. Sie alle haben Kunstflugerfahrung, kennen sich seit vielen Jahren und lieben ihren Nebenjob. Hauptberuflich arbeiten die meisten von ihnen als A320- und 747-Piloten. Was die Skytexter noch vereint: Alle haben als Teenager zuerst das Segelfliegen gelernt. Bild: Isabella Sauer, Sophie Linckersdorff

Kurze Zeit später auf dem Flugplatz Uetersen-Heist (EDHE), der etwa 20 Autominuten von der Großstadt entfernt inmitten eines Waldgebiets liegt. Am Hangar sind leise Motorengeräusche zu hören, doch weit und breit keine landenden Flugzeuge zu sehen. Das Brummen wird lauter, und plötzlich zeigen sich beim Blick nach oben dann doch fünf auffällig lackierte Flugzeuge. Eines nach dem anderen landet auf der Grasbahn. Es sind die Skytexter, ein Team von leidenschaftlichen Kunstfliegern, die Werbung auf eine ganz neue Art übermitteln.

Fünf Maschinen schreiben in den Himmel

Es handelt sich um fünf Maschinen, eine Pitts S-2B, eine Extra 300 L, eine XtremeAir XA-42 und X-41 sowie eine Van‘ s RV-7. Als alle zum Stehen gekommen und korrekt geparkt sind, ist die Freude bei den Piloten riesengroß. Besonders bei Tim Tibo, dem Kopf der Truppe. Er springt aus seiner pinken XtremeAir und klatscht seine Kumpels ab. Er umarmt sie und sagt: »Puh, jetzt fällt mir ein großer Stein vom Herzen. Die heutige Generalprobe hat funktioniert. Das ist Pflicht, bevor morgen der eigentliche Auftrag ansteht«. Dann beißt er genüsslich in ein Stück Schokolade und sagt, dass er dringend seinen Zuckerhaushalt auffüllen müsse.

Mit fünf Maschinen fliegen die Skytexter zunächst in der Vic-Formation.

Tim Tibo ist Airbus-Kapitän und die Idee mit dem Skytexten kam ihn vor einigen Jahren. In seinen Worten ist das der geilste Nebenjob der Welt. 2017 sah er auf einer Airshow in den USA erstmals ein Display der Geico Skytypers. Dabei handelt es sich um eine Formation aus fünf North American SNJ-2 und Texan T-6. Diese betreiben das Himmelschreiben in Punktmatrix-Form.

Entwicklung der Technik für die Skytexter dauerte eineinhalb Jahre

Ein einzelnes Flugzeug, das mit einer Rauchfahne Texte schreibt – diese Idee geht weit zurück in die Anfänge der Fliegerei. Eine Formation hingegen, die Schriftzüge digital aus Punkten zusammensetzt: »Das war genial, ich war total begeistert«, erinnert sich der 45-Jährige. Ein Jahr später hatte er bei einer Luftfahrtveranstaltung in China dann Gelegenheit, die »Skytyping«-Technik genauer anzuschauen. Er konnte auch testen, wie sich das fliegerisch umsetzen lässt.

Schließlich entwickelte der finnische Kunstflieger-Kollege und IT-Experte Sami Nikulainen das System zum Ausbringen der Buchstaben. Tim erzählt: »Es dauerte rund eineinhalb Jahre, bis die Technik einsatzbereit war und das Team in Deutschland erstmals Buchstaben an den Himmel schreiben konnte«.

Individuelle Werbebotschaften im Himmel

Egal ob Festivals, Messen, Sportevents oder private Veranstaltungen – die Skytexter können mit ihren Botschaften individuelle Werbung umsetzen.

An diesem Wochenende wurden die Skytexter gebucht, um das Online-Marketing-Rockstars-Festival (OMR) anzukündigen, eine Veranstaltung für digitales Marketing und Technologie. Hierfür sind Tim Tibo, Bernhard Diehl, Martin Engler, Kai Joppich und »Stuk« vor wenigen Stunden aus Mainz angereist. Soeben haben sie ihren Sicherheitscheck absolviert. Technik und Kommunikation funktionieren also. Apropos funktionieren – wie geht das denn nun mit dem Skytexten?

Die Antwort gibt es am nächsten Morgen gegen 11 Uhr, als die Piloten den bevorstehenden Flug vorbereiten. So putzt Bernhard alias Bernie noch fleißig das Glascockpit seiner Maschine. Tim und Stuk füllen medizinisches Weißöl aus einem Kanister in die zusätzlich installierten Tanks. Dann zeigt Tim auf eine kleine, viereckige Box in seinem Cockpit. Er sagt, dass das Smokesystem computergesteuert funktioniere.

Tim Tibo muss flüssiges Paraffinwachs, auch bekannt als medizinisches Weißöl, nachfüllen. Beim Texten bleiben keine Rückstände in der Luft – nur die Botschaften.

Skytexter: ›Smoke puffs‹ von fünf mal zehn Metern

»Alle Flieger sind untereinander mit einer Art WLAN verbunden. So wird das Öl synchronisiert in den 600 bis 800 Grad heißen Auspuff eingespritzt, wo es sofort verdampft und sich in fast rechteckiger Form als ›smoke puffs‹ mit einer Kantenlänge von rund fünf mal zehn Metern am Himmel zeigt.«

Die Stimmung unter den Skytextern ist gelassen und konzentriert zugleich. Alle Vorbereitungen sind so gut wie erledigt. Nun steht das Briefing an, und alle versammeln sich um den Flügel der pinken Xtreme- Air. Captain Tim geht unter anderem noch einmal einzelne Buchstaben durch, die gleich geflogen werden. Er sagt: »Bei dem T ist es so, dass die Pitts fünf Dots macht, alle anderen nur einen.« Die einzelnen Werbetexte hat er bereits in eine eigens programmierte App eingegeben.

Bevor es hoch in die Luft geht, steht für alle Skytexter ein ausführliches Briefing an. Team- Chef Tim Tibo (hinten) hat sich sein Tablet geschnappt und erklärt noch einmal die Flugroute sowie die einzelnen Werbetexte. Die hat er zuvor in einer eigens programmierten App eingegeben.

Einverständnis der Flugsicherung notwendig

Auch die Airspace-Abfrage ist erledigt. »Die Lotsen waren total locker«, gibt er an seine Kollegen weiter. Schon vor zwei Wochen haben die Skytexter das Einverständnis der Flugsicherung eingeholt. Sie können daher den Luftraum C über Hamburg nutzen. Heute musste dann nur noch die Bestätigung her.

Nach etwa zehn Minuten ist das Briefing abgeschlossen. Alle Piloten hüpfen in ihre Maschinen, gehen die Checklisten durch und starten die Motoren. Die Propeller drehen sich schneller, die saftigen Grashalme biegen sich am Boden, und der Funkkontakt unter den Piloten wird hergestellt.

Länger sichtbar als TV-Werbung: Skytexter-Botschaften

Martin Engler in seiner XtremeAir XA42, einem zweisitzigen Kunstflugzeug. Er ist startklar für den Abflug.

Als nächstes macht Leader Tim den Connectivity-Check. Er fordert jeden Piloten auf, per Funk auf der eigens eingerichteten Teamfrequenz seine Formationsnummer durchzugeben. In der Formation fliegen die erfahrensten Piloten innen, da sie zu beiden Seiten einen Kollegen im Blick behalten müssen. Dann ertönt die Frage »Smoke-System on?« Die Piloten testen ihre Rauchanlage und drücken auf einen Knopf am Steuerknüppel. Bei Bernie klappt alles, er hebt die Hand und funkt kurz und knapp: »Ja». Jetzt kann es losgehen!

Die Flugzeuge rollen hintereinander auf die Piste 09 und starten. Es folgt eine Platzrunde, die in Richtung Süd-Westen verlassen wird. Noch fliegen die Akteure in lockerer Formation, umso näher sie der Hamburger Innenstadt kommen, desto höher steigen sie. Das Funken für den Einflug in kontrollierte Lufträume übernimmt Leader Tim, er gibt die Informationen an seine Kollegen weiter. Die Erinnerung, die Tanks zu wechseln, erfolgt etwa alle fünf Minuten.

Volle Konzentration beim Formationsflug

Bernhard Diehl sitzt für den Auftrag in Hamburg in einer Van’s RV-7. Während des Formationsflugs ist Konzentration gefragt – der seitliche Abstand zu den anderen Maschinen muss exakt stimmen.

Der Blick über die Hansestadt ist großartig. Fernsehturm, Binnen- und Außenalster, Elbphilharmonie, Airbus-Werk in Finkenwerder und die Elbe sind dicht beieinander und schnell von oben ausgemacht. Über den Messehallen wird dann zum ersten Mal getextet, und alles geht ganz schnell. Die Maschinen fliegen in der sogenannten ›Vic‹-Formation, einem umgedrehten V.

Zum Schreiben wird dann in die Lineabreast-Formation gewechselt: alle auf einer Höhe. Tim, der an der Spitze und somit in der Mitte fliegt, gibt das Go. Über die Computersteuerung werden die Ventile der Smoke-Systems in allen Maschinen synchronisiert geöffnet. Bernie fliegt an vierter Position. Er hat seinen Blick die meiste Zeit auf die linke Seite gerichtet, um die anderen drei Flugzeuge perfekt im Blick zu haben. Außerdem hält er den Abstand sowie die Höhe in FL 90.

Skytexter: Botschaft über Hamburg ein voller Erfolg

Moritz Peitz unterstützt das Skytexter-Team am Boden und gibt per Funk durch, ob man die einzelnen Buchstaben am Himmel gut erkennt. So sind Korrekturen für nachfolgende Botschaften noch möglich.

Es folgt ein weiterer Check. Tim funkt David Schimm an, der das Team in Sachen PR berät und bereits in der Hamburger City ist. Er fragt, ob der Schriftzug gut zu lesen war. Das Feedback ist positiv und David funkt zurück: »Perfekt, alles gut zu lesen. Die Leute um mich herum im Park sind am Ausflippen und sagen, sie hätten so etwas noch nie am Himmel gesehen«. Diese Rückmeldung ist für alle Beteiligten besonders wichtig.

Es ist egal, ob der Kurs der Formation auf fünf oder zehn Grad genau ist. Ob der Text 200 Meter weiter links oder rechts, spielt ebenfalls keine Rolle. Viel entscheidender sind die Lichtverhältnisse. Der Text darf nicht auf dem Kopf stehen und die Zuschauer nicht gegen die Sonne schauen müssen.

Die Skytexter haben ihre Mission erfüllt und gleich neun Botschaften in den Himmel über Hamburg geschrieben. Jetzt kehren sie zum Flugplatz Uetersen zurück.

Viel Aufmerksamkeit in den sozialen Netzwerken

In den nächsten 50 Minuten texten die Piloten weitere acht Sprüche in den Himmel. Die einzelnen ›smoke puffs‹ bleiben für mehrere Minuten lesbar. Dann verzerrt sie der leichte Wind und lässt sie ganz langsam von der Bildfläche verschwinden. Nach getaner Arbeit drehen die Skytexter über der Elbe ab in Richtung Uetersen. Dort ist auch dieses Mal die Freude groß. Anstatt Schokolade gibt es aber für alle ein kühles Bier. Außerdem gibt es ganz viele Fotos ihrer Aktion auf Instagram zu bestaunen.

Über den Autor
Isabella Sauer

Isabella Sauer ist Jahrgang 1991, studierte in Bamberg Kommunikationswissenschaft und absolvierte anschließend ein Volontariat bei Auto Bild. Seit ihrer Jugend ist sie journalistisch tätig und arbeitete für große Verlagshäuser, darunter Axel Springer und die Funke Mediengruppe. Print, Digital, Social Media - für Isabella hat jeder Inhalt das Potenzial, vielfältig aufbereitet zu werden. Und wie kam sie zum fliegermagazin? Das Thema Mobilität interessierte sie immer schon sehr. Ob Auto, Bahn, Camper, Airliner oder Fahrrad: Die Welt lässt sich aus vielen Perspektiven entdecken. Nun geht es für Isabella Sauer in die Luft. Seit März 2023 ist sie PPL-Flugschülerin und freut sich schon darauf, sich in ein neues Fachgebiet einzuarbeiten.

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