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Vintage Aerobatic World Championship 2023: Durch und durch flugverrückt

Zum siebten Mal flogen Oldtimer bei einer besonderen Kunstflugmeisterschaft um die Wette. Die ursprünglich in Dänemark erfundene Veranstaltung war in diesem Jahr in Sankt Michaelisdonn (EDXM) in Schleswig-Holstein zu Gast. Eine Teilnehmerin porträtiert vier ihrer Mitstreiter.

Von Redaktion
Mit gestutzten Flügeln Maxim Schelfhout flog in St. Michel seine Clipped Wing Piper Cub.
Mit gestutzten Flügeln Maxim Schelfhout flog in St. Michel seine Clipped Wing Piper Cub. Bild: Heike Herrmann

Es war ein Wochenende voller Flugspaß in St. Michel, ganz im Westen Schleswig-Holsteins: Der Dithmarscher Luftsportverein war Gastgeber der diesjährigen Vintage Aerobatic World Championship (VAWC). Unsere Autorin ist selbst in mehreren Kategorien des sympathischen Oldtimer-Kunstflugwettbewerbs erfolgreich angetreten – aber geschrieben hat sie lieber über ihre Pilotenkollegen. Damit gibt sie einen Eindruck davon, wer an so einem Fliegerwochenende teilnimmt.

Vintage Aerobatic World Championship 2023: Rainer Berndt

Modell fliegen war schon jahrelang sein Hobby: Rainer Berndt hatte die Kunstflugfiguren intus, lange bevor er 1992 selbst das Steuerhorn in die Hand nahm. Eine Cessna 172RG war das Flugzeug, auf dem er nur drei Monate später den Flugschein erlangte. Zum 30. Geburtstag bekam er einen Kunstflug geschenkt: In einer Bücker Jungmann durfte er auch mal ein paar Steuerbewegungen probieren, die auf Grund seiner Modellflugerfahrungen überraschend gut gelangen. »Eine Sternstunde«, schwärmt er noch heute. Jahre später bot das französische Verteidigungsministerium in einer Versteigerung seine Bestände an Cap 10 an. So kam Rainer 1997 zu seinem eigenen Kunstflugzeug. Mit großer Energie betrieb er mit Freunden dieses Flugzeug: Er stieg auf bis in die Advanced-Klasse. Gute Platzierungen an zahlreichen Deutschen, Europa- und Weltmeisterschaften waren die Belohnung. Rainer blieb ständig auf der Suche nach dem optimalen Fluggerät und klug gebauten Programmen – immer gemeinsam mit seinen Fliegerfreunden.

Rainer am Himmel:
Mit seiner Bücker Jungmeister von 1940 dreht Rainer Berndt am Himmel über St. Michel einen Looping. Foto: Heike Hermann

Zugleich hatten historische Flugzeuge eine andere sensible Stelle seiner Fliegerseele berührt: 2012 erwarb er die erste Bücker Jungmeister, die D-EIII, Baujahr 1940. Nach und nach kamen noch eine Bücker Jungmeister – die D-EJJI mit dem Schriftzug »Liesel Bach« sowie eine Bücker Jungmann dazu. Alle Maschinen sind penibel gewartet und komplett original erhalten. Es ist ein tolles Bild, wenn diese Formation am Himmel entlangzieht. Rainers Freunde – neue ebenso wie die von damals – sind dabei immer an seiner Seite.

Die Truppe hat einen eigenen Namen: »Magisch ist für mich die volle Flugzeughalle mit den vielen Wahnsinnigen vom Landshuter Fliegerstadl – das mag ich!“ sagt er mit einem Lächeln, das keine Zweifel aufkommen lässt. »Da stehen noch ein paar Flugzeuge, die auch in die Luft wollen!« Es gibt eine Clipped Wing Piper Cub, eine Beech Mentor – und schließlich will er irgendwann ein hundert Jahre altes Flugzeug fliegen. Auch das steht schon im Hangar: eine Comamand-Aire. Vielleicht wird deren Triebwerk schon bald angelassen.

Florian Kowohl

Mit 13 Jahren hat Flo in Schwabach mit Segelfliegen angefangen. »Ganz normal.« Die Begeisterung war da, und er schaffte es zügig, die Lizenz zu erlangen. Da er auf dem Flugplatz viele verschiedene Varian- ten kennenlernte, sich in der Luft zu bewegen, folgten bald der Motorflugschein und auch die Segelkunstflugberechtigung.

Es scheint, als liefe sein Fliegerleben tatsächlich nur geradeaus. Er verfolgte seine Ziele hartnäckig, bewarb sich bei der Lufthansa um einen der begehrten Ausbildungsplätze, studierte und arbeitete als Ma- schinenbauingenieur, bis er die Ausbildung zum Berufspiloten letztendlich beginnen konnte.

Florian Kowohl: Vom Airliner über
die Hochleistungs-Kunstflugmaschine bis zum Oldtimer – Flo fliegt sie alle. Foto: Elke Geboers

Freie Zeit füllt er – wie selbstverständlich – mit Fliegerei. Sehr bald sieht man ihn auch auf Wettbewerben mit einer eigenen Pitts. Stufe für Stufe arbeitet er sich in den Ka-tegorien hoch. Mit einer neuen Haltergemeinschaft gelangt eine elegante silberne Edge 540 nach Deutschland, in der er mit seinen Freunden scheinbar unendlich lange Linien in den Himmel malt. Denn, so seine Erklärung: »Eigentlich will ich ja bald in die Unlimited-Klasse gehen.«

Dann ist da noch die Wasserfliegerei, die er in Florida und Minnesota erlebt. Gern hilft er dort bei einem Freund, der eine Flugschule betreibt, als Fluglehrer aus und gibt seine Begeisterung für das Wasserfliegen weiter. Wieder zu Hause schult er außerdem Berufspiloten und hat auch die Instrumentenflug-Lehrberechtigung.

Flo hat auch einen Platz im Team der Skytexter. Eines der bewegendsten Ereignisse war vor wenigen Wochen deren Präsentation über dem Flugplatz Rangsdorf südlich von Berlin. Ein letztes Mal durften Bücker-Oldtimer auf dem historischen Gelände landen. Als die Skytexter-Formati- on RANGSDORF 4 EVER in den Himmel schrieb, hatte mancher Tränen in den Augen.

Oldtimer sind ein weiteres Puzzleteil in seinem Fliegermosaik. Die Bücker Jungmeister folgt seinen Ruderausschlägen völlig unproblematisch. Während diese Zeilen entstehen, tauscht Flo mit seinen Freunden gerade ein Fahrwerksbein der Edge aus, das er von einem anderen begeisterten Flieger innerhalb einer Woche aus den USA geschickt bekommen hat.

Maxim Schelfhout

Eine gelbe Piper J3 Clipped Wing Cub landet, und der Besitzer steigt aus: der 34 Jahre junge Maxim Schelfhout aus Belgien. Ein All-in-One-Flugzeug von 1946, das früher als Sprühflugzeug eingesetzt wurde, bis die Flügel einen Meter von jeder (Innenbord-)Seite gekürzt wurden. Dieses Flugzeug hat ihn dazu gebracht, die Herausforderung des Kunstflugs in einer nur 85 PS starken Cub ohne Rückenflugsystem bei kleinem Budget anzunehmen – und zu schätzen.

Maxim Schelfhout: Der Belgier hat sich auf die schlichte Piper Cub mit gekürzten Flügeln spezialisiert. Foto: Elke Geboers

Woher kommt diese Liebe zum Oldtimer-Kunstflug? Dank seines Vaters wurde Maxim schon in jungen Jahren süchtig, als der seinen Sohn während seiner Flugstunden mitnahm und ihn später zum menschlichen Autopiloten ernannte. Mit 15 Jahren trat Maxim den Belgian Air Cadets bei, die Segelflugzeuge flogen. Die wurden von militärischen, 180 PS starken Piper Super Cub geschleppt und von großartigen Piloten geflogen, die die Schleppmaschinen extrem gut beherrschten. Das hat die jungen Kadetten beeindruckt und die Bewunderung war groß. Später studierte Maxim Luftfahrttechnik und erwarb eine Berufspilotenlizenz für Turboprops und Jets. Aber da war immer noch die Schwäche für Spornradflugzeuge. Ihr Motor scheint in den Himmel zu blicken, eine andere Steuertechnik ist erforderlich, um sie richtig zu fliegen: ganz direkt mit Knüppel und Pedalen.

Dann hatte er endlich die Gelegenheit, diese Art des Fliegens auf einer Piper Cub L19 mit 90 PS im Aeroclub Brasschaat zu lernen, unterrichtet von einem Militärpiloten der alten Schule.

Er begann, Navigationsrennen im Club zu organisieren, und kam so in Kontakt mit dem Besitzer einer roten Stampe SV-4 mit Sitz in Antwerpen. Der war auf der Suche nach einem Piloten, der Passagiere fliegen kann und sie den Himmel spüren lässt. Das bedeutete, dass Maxim den Kunstflugschein machen sollte.

Kunstflug in der Cub ist seitdem zu seiner Leidenschaft geworden. Erstaunt sehen die Zuschauer, was dieses kleine Flieger alles kann, und es erstaunt auch Maxim immer noch. Er lernt immer wieder neue Wege, um sich neben Hochleistungs-Kunstflugzeugen zu präsentieren, meint er, schaltet die Smoke-Anlage an und hebt ab.

Alex Stegner

Von klein auf war er Modellflieger, und lernte dann Flugzeugmechaniker in Jesenwang. Er hatte Interesse an Motoren, am Schrauben, am Lackieren – und lernte in der Werft schnell, dass in der Fliegerwelt »noch mehr geht«. Er konnte seine handwerklichen Fähigkeiten einbringen und dann auch bei Werkstattflügen dabeisein. Ein ganz besonderer Flug war der mit Flieger-Urgestein Max Walch in einer Stampe. »Der flog wild!«, sagt er mit breitem Grinsen.

Mal eben selbstgebaut Alex Stegner präsentiert seine Fokker Dr.I, den berühmten Dreidecker, den Manfred von Richthofen im Ersten Weltkrieg flog. Foto: Elke Geboers

Es machte Spaß und reichte ihm nicht aus. Er sammelte Flugstunden und defekte Flugzeuge, die er wieder zum Leben erweckte. Dann kam allmählich auch der Geschäftsmann in ihm durch, und mit einigen Flugzeugen startete er eine eigene Flugschule. Später konnte man bei ihm auch chartern.

»Flugzeuge zu bauen, war immer ein Thema«, sagt er. Verschiedene Pitts und eine einsitzige Xtreme ent- standen unter seinen Händen – und dann das Highlight: eine Fokker Dr.I, den berühmten Dreidecker des »Rote Barons«! Die Zuschaueraugen werden groß, wenn die kleine, sehr wendige Maschine abhebt. Lange schon spukte der Wunsch nach ebendiesem Flug- zeug in seinem Kopf herum. Der Bau begann 2018, schon 2022 konnte Alex tatsächlich damit starten. Mit großer Begeisterung berichtet er von jedem technischen Detail an seinem Dreidecker. Und er verrät: »Da kommt bald noch eine DR1, aber die hat einen Umlaufmotor!« Diese Maschine baut ein Freund, mit dem er in ständigem Kontakt steht.

Alex’ Flüge bei der Vintage-WM waren eine Show für sich. Eigentlich hat er das Luftrennen gewonnen, kassierte aber Strafsekunden, weil er am Wendepunkt nicht ganz horizontal flog. Für seine Flüge gab es dann schließlich in der Kategorie »Sportsman of the Year« die Siegerurkunde – so schwierig und besonders wie seine Maschine flog sich keine andere im Wettbewerb.

Der Flug nach Hause war für ihn kein Zuckerschlecken: »Zwei Stunden auf dem harten Sitz im offen Cockpit, Regen im Gesicht, nasse Füße, du kannst nicht mehr sitzen, kannst aber auch nicht die Füße aus den Pedalen nehmen, weil die Maschine gleich anfängt zu schieben.« Und trotzdem fliegt er im nächsten Jahr auf jeden Fall mit nach Odense in Dänemark zur nächsten Vintage Aerobatic World Championship. Inzwischen hat er sein nächstes Projekt schon angefangen: »Es wird eine Pitts S2X, komplett durchdesignt nach meinen Vorstellungen.«

Smoke on! Auch am Boden macht die Rauchanlage der Bücker Jungmeister viel her. Foto: Heike Herrmann

Kategorie: Looping the Loop

1. Claus Cordes, Focke-Wulf Fw 44 Stieglitz 2. Mark Oliver Klenk, Cessna 152 Aerobat 3. Alexander Stegner, Fokker Dr.I
4. Melissa Rudolph, Cessna 152 Aerobat

5. Dirk Lüneborg, Zlin Z-526 AFS
6. Jens Wallitscheck, Cessna 152 Aerobat

Kategorie: Dancing the Cloverleaf

1. Dietmar Poll, Letov LF-107 Luňák Segelflugzeug 2. Kathi Suthau, Zlin Z-526 F
3. Thomas Sachse, Bücker Bü 133 Jungmeister
4. Jan Schiedek-Jacht, Bücker Bü 133 Jungmeister 5. Maxim Schelfhout, Clipped Wing Piper Cub J3

Kategorie: Rolling the Circle

1. Bernhard Drummer, Bücker Bü 133 Jungmeister 2. Florian Kowohl, Bücker Bü 133 Jungmeister
3. Rainer Berndt, Bücker Bü 133 Jungmeister

Kategorie: Freestyle – The Performance

1. Dietmar Poll, Letov LF-107 Luňák Segelflugzeug 2. Bernhard Drummer, Bücker Bü 133 Jungmeister 3. Mark Oliver Klenk, Cessna 152 Aerobat
4. Kathi Suthau, Zlin Z-526 F

5. Florian Kowohl, Bücker Bü 133 Jungmeister
6. Rainer Berndt, Bücker Bü 133 Jungmeister
7. Maxim Schelfhout, Clipped Wing Piper Cub J3
8. Alexander Stegner, Fokker Dr.I
9. Claus Cordes, Focke-Wulf Fw 44 Stieglitz
10. Jens Wallitscheck, Cessna 152 Aerobat
11. Jan Schiedek-Jacht, Bücker Bü 133 Jungmeister

Sportsman of the year – Jiri Koberle Trophy:

Alexander Stegner, Fokker Dr.I

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