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Redakteur Christof Brenner fliegt mit seiner Arrow nach Oshkosh

Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren: Am 13. Juli startet fliegermagazin-Redakteur Christof Brenner in seiner Piper Arrow II zum Flug nach Oshkosh. Dort will er das legendäre AirVenture besuchen. In diesem Artikel berichtet er von seiner Motivation, der Risikobewertung und den Vorbereitungen.

Von Redaktion
Das ist die geplante Route
Das ist die geplante Route Deinzer Grafik

Die Reaktionen sind gemischt, wenn ich von meinem Vorhaben erzähle – emotional sind sie allesamt: Als Selbstmörder bin ich bezeichnet worden. Kein bisschen mit unterschwelliger Bewunderung, sondern mit dem Vorwurf völliger Verantwortungslosigkeit. Andere wollen täglich in die Kirche gehen, um dort eine Kerze für mich anzuzünden. Aber es gibt auch Menschen, die von meinem Plan vollauf begeistert sind. Die meisten von ihnen sind Piloten, und einige davon sind ein bisschen neidisch. Es ist eine Reise, die man als leidenschaftlicher Flieger einmal in seinem Leben gemacht haben will: den Pilgerflug zum größten Fliegertreffen der Welt nach Oshkosh im US-Bundesstaat Wisconsin. Das EAA AirVenture ist voller Superlative: Über 10 000 Flugzeuge sind dort jedes Jahr zu Gast, »World’s Busiest Control Tower « – der verkehrsreichste Turm der Welt ist nicht nur ein Marketingspruch. Rund 17 000 Flugbewegungen finden in KOSH während des siebentägigen Fly-ins statt. Sogar die Standardverfahren für An- und Abflüge werden während dieser Zeit außer Kraft gesetzt. Kein Zweifel: Als Pilot muss man da hin. Von meiner Homebase in Lübeck (EDHL) ist der Wittman Regional Airport eine Großkreis- Entfernung von 3645 Nautischen Meilen entfernt. Großkreis – das ist die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten auf einer Kugel.

Im Fall meiner Route führt dieser Weg genau über Grönland, auch wenn die für uns gewohnte Darstellung der Erdkugel auf einer Mercator-Landkarte ganz schön verwirren kann. Über Grönland? Zugegeben, es gibt geeignetere Flugzeuge für diesen Trip als meine 200 PS starke Piper Arrow II, Baujahr 1975. Eigentlich ist das Flugzeug zu klein. Zumindest die Tanks sind es. 48 Gallonen sind ausfliegbar, die konservative Überschlagsrechnung für eine PA28R-200 sind rund 10 Gallonen Verbrauch pro Stunde bei 130 Knoten Reisegeschwindigkeit – da ist die Reichweite schon für das zweite Leg der Strecke, von Schottland nach Island, nicht ausreichend. 640 Nautische Meilen, auf dem Weg nach Amerika gleichzeitig das längste Stück über Wasser, sind mit vernünftigen Sicherheitsmargen nur mit Rückenwind oder Zusatztank zu bewältigen. Doch auf Rückenwind kann man auf der Ost-West-Route nicht setzen. Weil ich befürchte, dass es am Ende auch mit der Zuladung knapp werden könnte, setze ich mich auf Diät und nehme ab. Fast 20 Kilo – das Gewicht des Rettungsfloßes (26 Kilo) ist damit kompensiert.

Christof Brenner, bevor er 20 Kilo abnahm, um Zuladung zu gewinnen

»Leih Dir doch etwas Größeres«, war der Ratschlag von Bekannten, »am besten mit ’nem zweiten Motor.« Im gecharterten Flugzeug über den Atlantik? Irgendwie ist das nicht dasselbe. Abgesehen davon, dass ich mir nicht vorstellen kann, irgendjemanden zu finden, der sein Flugzeug für solch ein Abenteuer vermietet. Aber wie gesagt: Das war für mich sowieso nie eine Option. Ist mein Vorhaben deswegen verrückt? Ganz sicher nicht. Gefährlich? Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich habe für mich entschieden: Es ist ein kalkulierbares Risiko. Doch dazu später. Den Risiken sollte man schon ehrlich begegnen. Knapp die Hälfte der Reise verläuft über dem Nordatlantik. Kein Zweifel: Wassert man auf offener See, sind die Überlebenschancen eher gering – selbst wer es im wasserdichten Anzug aus dem eiskalten Ozean ins Rettungsfloß geschafft hat, befindet sich weitab von jeglicher Hilfe, ziemlich sicher außerhalb der Reichweite eines SAR-Hubschraubers. Dann stehen mindestens Stunden, wenn nicht Tage bevor, bis Helfer zur Stelle sind. Vielen Piloten erscheint das Fliegen von einmotorigen Flugzeugen über Wasser deshalb zu gefährlich.

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Zum Glück ist Stochastik, die Lehre der Wahrscheinlichkeitsrechnung, eine spannende Wissenschaft, und wer, so wie ich, keine fundierten Kenntnisse darin hat, legt bei Berechnungen gerne die Daten zugrunde, die das eigene Vorhaben unterstützen. Meine Piper Arrow musste in den rund 5000 Flugstunden und 43 Jahren seit ihrer Auslieferung kein einziges Mal fernab eines Flugplatzes landen. Warum würde es also gerade in den 20 Stunden über dem Nordatlantik anders sein? Und überhaupt: Die durchschnittliche Zeit bis zum Motorausfall soll bei unseren luftgekühlten Boxermotoren rund 10 000 Stunden betragen. Mein Lycoming ist gerade 1200 Stunden alt. Also bitte! Ich habe die Gegenrechnung des Herrn, der mich für einen Selbstmörder hält, nicht mehr im Kopf.

Das Routing für den Trip lässt wenig Optionen zu: Von Lübeck nach Wick, der schottische Flugplatz ist Sprungbrett über den Teich. Far North Aviation hat sich dort auf die Ausrüstung und Unterstützung von Atlantikpiloten spezialisiert. Hier gibt es unter anderem die vorgeschriebene Rettungsinsel zum Mieten, die man – sehr praktisch – in Kanada angekommen einfach abgeben kann. Irgendein amerikanischer Pilot wird sie dort für einen Flug in die Gegenrichtung benötigen und wieder zurückbringen.

Die Piper Arrow von Christof BrennerChristina Scheunemann
Die Piper Arrow von Christof Brenner

Auf der Strecke von Schottland nach Island plane ich eine Landung auf den Färöer-Inseln wegen des dort oft rasch umschlagenden Wetters nicht ein. Weil die PA28R-200 weder Turbolader noch Enteisung hat, wird in Grönland der direkte Weg über das Eiskap für mich tabu sein. Die höchste Erhebung beträgt 3205 Meter, von Kulusuk an der Ostküste nach Kangerlussuaq an der Westküste geht IFR unter Flugfläche 100 gar nichts. Da sind mir die Margen für einen 200-PS-Saugmotor doch zu gering. Deshalb plane ich den Weg an der Küste entlang über Narsarsuaq an der Südspitze Grönlands Von dort bleibt mir die Option nach Goose Bay verwehrt. Auf dieser Strecke ist unter FL250 ein HF-Funkgerät gefordert. Ein Iridium-Satellitentelefon würde zwar zuverlässiger den Kontakt zum Lotsen ermöglich, ist aber als Ersatz nicht zugelassen. Also bleibt nur das weitere Routing über Kangerlussuaq im Norden ins kanadische Iqualuit. Doch nach der Atlantiküberquerung wird die Reise noch lange nicht zu Ende sein. Die Strecke von der Küste bis hinter den Michigansee wird gerne unterschätzt: gut 1300 Meilen!

Ferryprofi Arnim Stief zählt mit mittlerweile rund 300 Atlantiküberquerungen zu den erfahrensten Piloten auf dieser Strecke. Der US-Hersteller Cirrus bucht ihn regelmäßig für die Überführung seiner Kolbensingles nach Europa. Das Cirrus-Werk an der Westküste des Lake Superior in Duluth, Minnesota, liegt für amerikanische Verhältnisse mit gut 400 Kilometern praktisch »ums Eck« von meinem Ziel Oshkosh. Stiefs Vorbereitungsseminar für Atlantikpiloten, das der 64-Jährige regelmäßig mit der deutschen AOPA veranstaltet, ist deshalb ein Muss. Die Erfahrungen des Profis sind Gold wert, und er teilt sie gerne. Es sind die vielen Kleinigkeiten, an die man als Neuling ohne die Tipps eines Experten wohl nicht denkt: zum Beispiel, dass die Flugplätze auf Grönland sonntags geschlossen sind; oder dass ein 200-Liter-Fass Avgas wenig nützt, wenn man weder Kanister noch Schüttelschlauch zum Umfüllen dabei hat. Auch den wichtigsten Ratschlag bekomme ich von Stief: Auf keinen Fall einen Flug erzwingen, solange das Wetter nicht passt. Auch nicht nach tagelangem Warten in der Einsamkeit Grönlands. Professionelle Ferrypiloten schaffen einen Trip wie diesen auch nur bei guten Bedingungen in drei Tagen. Ich bin nicht auf der Flucht, ich will die Reise genießen. Und ich will Stiefs Ratschlag beherzigen. Deshalb plane ich eine gute Woche für das Abenteuer. Am 13. Juli geht’s los.

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