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Praxistipp: IFR-Karten auf Papier oder digital?

Welche Auswahl gibt es beim IFR-Kartenmaterial?
Wo liegen die Vor- und Nachteile der verschiedenen Optionen? Und worauf sollte man bei Karten
für Instrumentenflüge achten? Wir geben Antworten.

Von Redaktion
GPS
Der Reihe nach: Ist das GPS für IFR-Anflüge zugelassen, enthält es alle wichtigen Punkte eines Approaches. Haben diese keinen Waypoint-Namen, werden zum Beispiel Radial und Distanz auf genau festgelegte Weise kodiert, sodass eine sinnvolle Bezeichnung entsteht. Nicht in der GPS-Datenbank enthalten sind die Minima. Foto: Helmuth Lage

Man kann es sich kaum vorstellen, aber manche Piloten diskutieren allen Ernstes immer noch darüber, ob man Karten auf Papier oder digital verwenden sollte – selbst jenseits von behördlichen Anforderungen an Flugschulen und Prüfungssituationen, die traditionell den Modernisierungen in der Fliegerei weit hinterherhinken. Widmen wir uns also zuerst der Frage: Papier oder digital?

Erinnern Sie sich an die IFR-Streckenkarte? Das ist dieses an einen Schnittmusterbogen erinnernde Riesenblatt, das Sie zuletzt im Theorieunterricht gesehen haben. Vielleicht. Ihren Sinn für das IFR-Fliegen in Europa hat sie – digital ebenso wie auf Papier – schon seit vielen Jahren verloren. Und zwar aus zwei Gründen: Erstens weil die Anforderungen und Restriktionen des Brüsseler Flow-Management-Computers es völlig unmöglich machen, ohne die Hilfe spezieller Routenfindungs-Software überhaupt ein valides IFR-Routing zu erarbeiten. Und zweitens weil man dieses Routing sowieso nie abfliegt, sondern stets Abkürzungen zugewiesen bekommt. Die Eingabe der Route in den ohnehin unverzichtbaren GPS-Navigator genügt also völlig.

IFR-Karten: Elektronische Darstellungen sind kaum noch wegzudenken

Was Anflugkarten, Standard Arrival Routes (STAR)  und Standard Instrument Departures (SID) angeht, sind die Vorteile einer elektronischen Darstellung nicht wegzudiskutieren – sei es auf dem Display des Glascockpits oder in der Navigations-App eines Tablet-Computers. Die zwei größten: Dank Georeferenzierung, also der Tatsache, dass die digitale Karte weiß, wo sie in geografischer Länge und Breite hingehört, kann die Position des Flugzeugs stets eingeblendet werden.

MFDMFD
Das kann kein Papier: Auf dem Multifunktionsdisplay (MFD) des Glascockpits ist die digitale Anflugkarte zu sehen – und die aktuelle Position des Flugzeugs. Ein riesiger Sicherheitsgewinn!.

Und: Alle 28 (bei der AIP) oder sogar 14 (bei Jeppesen) Tage lassen sich die Karten einfach per Knopfdruck und Download aktualisieren – und bei entsprechender Ausstattung sogar drahtlos vom iPad in die Bordavionik übertragen. Außerdem ist die Integration von Terrainwarnungen, Verkehrs- oder Wetteranzeigen ein Riesenvorteil. Wenn es Nacht wird, schaltet man zudem einfach in den blendfreien Night Mode um, bei dem der Hintergrund schwarz und die Schrift weiß gefärbt ist. Und schließlich: In vielen Navigations-Apps kann man die Karten sogar mit eigenen Notizen versehen oder mit einem virtuellen Leuchtmarker wichtige Punkte hervorheben.

Karten Back-Up: Gesetzlich ist kein zusätzliches Kartenmaterial auf Papier verpflichtend

Das Gesetz lässt digitale Karten ausdrücklich zu. Auch von der Verpflichtung zu einem Back-up ist dort keine Rede. Ob man also die Charts auf dem Multifunktionsdisplay (MFD) des Bordsystems um einen Tablet-Computer ergänzt oder doch Ausdrucke mitnimmt, ist Geschmacksache. Der Autor, inzwischen auf jegliche Papierdarstellung im Cockpit verzichtend, hat grundsätzlich zwei Tablets mit ausreichender Lademöglichkeit dabei.

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AIP VFR jetzt auch als Online-Version

Nimmt man Karten aus der AIP oder von Jeppesen? Die ICAO verpflichtet ihre Mitgliedsstaaten, IFR-Anflugkarten, STARs und SIDs als Teil ihrer Aeronautical Information Publication (AIP) kostenlos zu veröffentlichen. Es gibt sie meist als PDF zum Download. Wer sie dagegen mit der Position des eigenen Flugzeugs in einer Navigations-App oder dem Glascockpit sehen möchte, der zahlt doch – nämlich dafür, dass der Anbieter der Software die Karten georefenziert in seine Datenbank einbaut.

Da scheiden sich die Geister: Jeppersen oder AIP?

Großer Nachteil der AIP-Karten: Obwohl die ICAO vorgibt, welche Daten gezeigt werden sollen, unterscheiden sich die Charts der Ländern in Layout und Inhalten stark.  Alternative ist die Boeing-Tochter Jeppesen, weltweit Marktführer für IFR-Charts. Jeder Pilot muss für sich entscheiden, ob der Aufpreis die vielleicht bessere Leistung wert ist. Die Vorteile von Jeppesen gegenüber der AIP sind vielfach: Die AIP-Charts ähneln technischen Zeichnungen, die Anordnung von Texten erscheint eher willkürlich – es gibt kaum Hervorhebungen wichtiger Informationen. Den weltweit identischen Jeppesen-Karten wiederum merkt man die langjährige Erfahrung des Unternehmens an: Eine bewährte Anordnung von Grafiken und Texten sowie sinnvolle Hervorhebungen sorgen für eine Benutzerfreundlichkeit, die den kostenlosen Charts der AIP weit überlegen ist. Aber zugegeben: Man neigt immer zu dem, was man gewohnt ist – das gilt für einen Wechsel von Jeppesen zu AIP und umgekehrt.

Man muss als Pilot selbst wissen, dass ein ILS der Kategorie I immer eine Entscheidungshöhe von 200 Fuß hat, auch wenn die auf der Karte angegebene Obstacle Clearance Height (OCH) geringer ist. Wäre sie höher, würde die OCH das Minimum bestimmen. Jeppesen schreibt das geltende Minimum schlicht auf die Karte – so einfach kann das sein. Ein Blick zu den Nachbarn zeigt, dass die AIP-Darstellung eines ILS-Anflugs in Frankreich wieder völlig anders aussieht.

Auswahl des Kartenanbieters: bei gelegentlichen IFR-Flügen reicht AIP aus

Sowohl für Glascockpits als auch in Navigations-Apps haben Nutzer meist die Wahl, digitale Anflugkarten aus der AIP (bei Garmin heißt das zum Beispiel FliteCharts) oder von Jeppesen hinzuzukaufen. Beide sind georeferenziert, erstere sind meist günstiger. Ein paar Überlegungen zur Auswahl eines Kartenanbieters: Wer ohnehin nur gelegentlich IFR fliegt, kann vielleicht damit leben, sich die PDFs der AIP-Anflugkarten nach Bedarf herunterzuladen und auf den Komfort einer Georeferenzierung zu verzichten.

Fliegt man hauptsächlich in Deutschland, lohnt dafür eventuell die Anschaffung der Jeppesen-Karten – und bei gelegentlichen Auslandsflügen kann man dann auf die AIPs der Länder zurückgreifen. Wenn man schon ein Glascockpit hat, sollte man auf die Vorteile einer Integration der Anflugkarten nicht verzichten. Für das Abfliegen eines Approaches mit einem GPS-Navigator müssen die Charts aber nicht im Panel gespeichert sein: Alle erforderlichen Wegpunkte und Frequenzen sind in den grundlegenden Navigationsdaten des GPS bereits gespeichert.

Maßstabsgetreu: Jeppesen erweitert seine Karten maßgeblich

Schon länger sind bei Jeppesen Roll- und Anflugkarten in der Lage, die eigene Position zu zeigen – das wird jetzt peu-à-peu auf die Arrival- und Departure-Karten erweitert. Dabei ändert sich deren Layout grundlegend: Sie sind nun maßstabsgetreu, die Minimum Sector Altitude wird direkt in die Karte eingeblendet – vorher war sie separat dargestellt. Ein Beispiel sehen Sie unten rechts.

Ein Vorteil der AIP soll nicht unerwähnt bleiben, wenn man von und zu VFR-Plätzen fliegt. Beim Flugregelwechsel zwischen VFR und IFR spielt dabei die Minimum Vectoring Altitude (MVA) eine entscheidende Rolle: Bis dahin muss man in VMC bleiben. Bei Jeppesen gibt es diese Info nur auf Karten, die jeweils zu großen Flughäfen gehören und deren Umgebung abdecken. Startet man von einem kleinen Platz, ist es immer ein Ratespiel herauszufinden, bei welchem Airport man wohl die MVA dieser Gegend findet – wenn sie überhaupt mit abgebildet ist. In der AIP dagegen gibt es eine Deutschlandkarte dafür.

Hilfreich: Moving-Maps schalten bei der Landung automatisch auf die Rollkarte um

Ein letztere Vorteil digitaler Karten: Viele Moving-Map-Systeme und Navigations-Apps schalten bei der Landung die Darstellung automatisch auf die Rollkarte des Flugplatzes um. Wenn es sich um einen großen Airport handelt, kann es sehr hilfreich sein, sich selbst per Flugzeugsymbol beim Rollen zuzuschauen. Denn für manchen stellt das korrekte Rollen eine noch größere Herausforderung als das Fliegen dar.

Besonders praktisch sind die eingezeichneten Hot Spots: unfallträchtige Punkte, deren Gefahrenpotenzial jeweils textlich beschrieben wird. Wenn auch das noch zur Sicherheit beiträgt, wurde Ihnen für Ihren Flug mit dem Taxi-Chart eine letzte gute Karte gelegt.

Text: Michael Fröhling, Fotos: Helmuth Lage, Thomas Borchert erstmals erschienen im fliegermagazin 08/2019

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