Praxis-Tipp: Fotografieren im und aus dem Flugzeug
Piloten genießen eine einzigartige Perspektive. Ein Profi verrät Tipps und Tricks, um die schönsten Motive mit der Kamera festzuhalten.
Ein Alleinstellungsmerkmal des Fliegens ist der schier unbegrenzte Blick auf herrliche Landschaften, Gewässer, interessante Bauwerke oder stimmungsvolle Wetterphänomene. Wie aber hält man diese so einzigartigen wie flüchtigen Eindrücke fest? Im geschlossenen Cockpit sind die Chancen für wirklich gute Luftaufnahmen meist begrenzt. Welche Möglichkeiten man als Pilot oder Copilot dennoch hat, unter diesen Bedingungen das Beste rauszuholen, möchte ich hier beschreiben. Vorweg: Fliegen und Fotografieren geht nicht wirklich gleichzeitg.
Die wenigsten Cockpits haben ein aufklappbares oder aufschiebbares Fenster. Wenn doch, dann sollten Sie diese Öffnung auf jeden Fall nutzen. Nur so umgehen Sie die Spiegelungen, die sich insbesondere dann in der Scheibe zeigen, wenn viel Licht oder gar die tiefstehende Sonne von der anderen Seite ins Cockpit fällt. Allerdings sind die Klapp- oder Schiebefenster mancher Flugzeuge – meist auf der Pilotenseite in die Seitenscheibe integriert – oft sehr klein und fürs Fotografieren ungünstig positioniert.
Fotografieren aus dem Flugzeug: Nicht jedes Flugzeug hat ein Fenster
Wenn Sie die Fenster nicht öffnen können, dann sollten Sie die Bilder auf jeden Fall durch die meist ebenen Seitenscheiben machen, denn gewölbte Kunststoff-Frontscheiben verzerren das Bildergebnis bis zur Unbrauchbarkeit. Wenn Sie schon vor dem Flug planen, Aufnahmen durch die Scheibe zu machen, dann ist eine Reinigung von innen und außen beim Preflight-Check ratsam.
Gehen Sie mit dem Objektiv so nah wie möglich an die Scheibe heran, das reduziert nicht nur Spiegelungen, es lässt durch die große Nähe zu Störungen im Glas diese auch gut verschwinden, weil die Kamera sie nicht mehr fokussieren kann und sich auf die Scharfstellung nach außen konzentriert. Aber Vorsicht: Turbulenzen können Ihnen die Scheibe an die Kamera und die- se damit ins Gesicht schlagen! Und dabei entstehen oft auch Kratzer an der Scheibe. Spiegelungen reduzieren Sie auch durchs Tragen dunkler Kleidung.
Fotografieren durch die Scheibe: Sauberkeit steht im Vordergrund
Die üblichen Klappfenster vieler Cessnas sind in ihrem Öffnungswinkel durch einen Metallbügel begrenzt, der sich leicht abschrauben lässt. Dann müssen Sie darauf achten, dass das Fenster nicht unkontrolliert oben gegen die Tragfläche schlägt. Bei der 172 bleibt es durch den Sogeffekt oben, bei der 152 sinkt es wegen der konvex geformten Scheibe etwas ab.
Doch zuvor die wichtige Frage: Welche Kamera ist geeignet? Praktisch jeder im Cockpit hat ein Smartphone bei sich. Es ist die erste Wahl, wenn man nur hin und wieder mal ein paar Eindrücke von einem Flugerlebnis festhalten möchte. Fürs Fotografieren durch die geschlossene Scheibe gilt auch beim Smartphone das zuvor Gesagte. Sauberkeit von Objektiv und Scheibe ist meist schon die halbe Miete für gute Bilder.
Große Kontraste: Handykameras tolerieren die Unterschiede
Ein Vorteil moderner Smartphone-Kameras ist ihre extrem hohe Dynamik. Das bedeutet, dass Handykameras auch die sehr hohen Helligkeitsunterschiede tolerieren, die bei Innenaufnahmen im Cockpit entstehen, wenn die Sonne hereinscheint. Oft erscheinen dunkle Partien im Schatten des Cockpits nur noch schwarz, wohingegen die Landschaft draußen oder von der Sonne beschienene Innenteile gleißend hell sind und im Bild unwiederbringlich weiß ausreißen. Kameras moderner Smartphones bedienen sich hier eines Tricks und belichten die Teile gleich bei der Aufnahme unterschiedlich. Leider sieht man das manchmal an unschönen Übergängen vom Hellen ins Dunkle. Für schnelle Selfies im Cockpit ist das Handyfoto trotzdem immer die erste Wahl.
Eine in der Regel deutlich höhere Auflösung sowie präzise Einstellmöglichkeiten von Verschlusszeit und Blende bieten richtige Fotokameras.
Verwackeln: Die Verschlusszeit sollte so kurz wie möglich sein
Solange kein Propeller im Bild ist, sollten Sie insbesondere bei heftiger Mittagsthermik die Verschlusszeit so kurz wie möglich halten. Alles was länger als 1/1000 Sekunde ist, läuft sonst Gefahr zu verwackeln. Reizen Sie lieber die meist gute Rauscharmut moderner Kameras aus und stellen Sie den ISO-Wert auf über 400 ein, damit die Verschlusszeit kurz wird.
Ist der Propeller Teil des Motivs, ändert sich das: Eine schöne, natürlich wirkende Verwischung des Props erhalten Sie bei den üblichen Drehzahlen bei einer Verschlusszeit von 1/125 Sekunde oder länger. Dann wird allerdings ein Großteil Ihrer Bilder wegen Verwacklungsunschärfe im Papierkorb landen.
Tiefenschärfer vernachlässigen: Blenden- und Verschlusszeiten nutzen!
Tiefenschärfe ist bei Luftaufnahmen ein zu vernachlässigender Faktor; trotzdem ist jedes Objektiv zwei, drei Stufen unter der größten Blendenöffnung schärfer als bei offener Blende. Wenn die Kamera den ISO-Wert als variablen Parameter zu fixierten Blenden- und Verschlusszeiten nutzen kann, dann empfehle ich das.
Ansonsten ist es egal, ob Sie mit einer Spiegelreflex-, System- oder Taschenkamera aufnehmen. Ich habe mehr Respekt vor einem Fotoamateur, der mit einer preiswerten und einfachen Knipse, aber mit viel Leidenschaft und Kreativität ausdrucksstarke Bilder macht, als vor jemandem, der die teuerste Profikamera besitzt und meint, der Preis alleine müsse schon tolle Bilder garantieren.
Bildbearbeitung im Gehirn: Keine Flugzeugteile mit aufnehmen
Achten Sie beim Fotografieren von Landschaft aus dem Cockpit darauf, keine Flugzeugteile mit aufzunehmen. Die stören nicht nur das Bildergebnis; eventuell wird auch die Scharfstellung oder die Belichtung negativ davon beeinflusst. Hier sind Hochdecker-Piloten eindeutig im Vorteil, weil sie eine freiere Sicht nach unten haben. Auch eine Öffnung des Fensters über die Größe einer Lüftungsklappe hinaus ist bei dieser Flugzeugkonfiguration mit höherer Wahrscheinlichkeit möglich als bei Tiefdeckern.
Um keine Streben, Tragflächen oder Fahrwerksteile mit im Bild zu haben, ist der Einsatz einer längeren Brennweite (50 bis hin zu 200 Millimeter) mit engeren Bildwinkeln sinnvoll. Hier sind Kameras mit Wechsel- oder Zoomobjektiven den Smartphones gegenüber im Vorteil, weil letztere physikalisch bedingt meist nur über Weitwinkelobjektive verfügen.
Gnadenlos ehrlich: Aufnahmen werden mit zunehmender Höhe bläulicher
Hin und wieder kann das bewusste Mit-aufs-Bild-Nehmen der Tragfläche, eines Triebwerks oder des Cockpits den Charakter einer Aufnahme aus einem Flugzeug auch positiv unterstreichen. Wir schämen uns ja nicht des Fliegens oder unserer Maschine, sondern zeigen sie auch gerne. Sind Instrumente oder Displays zu sehen, ist es besonders schön, wenn sie so belichtet sind, dass man sie ablesen kann. Nach der Landung und beim Sichten Ihrer Bilder werden Sie feststellen, dass die Ergebnisse meist viel blaustichiger und kontrastärmer ausfallen als das, was Sie meinen, aufgenommen zu haben.
Ich formuliere das bewusst so, weil wir die Motive eigentlich ebenso gesehen haben, unser Gehirn aber einen eingebauten Kontrast- und Weißabgleich hat und uns dadurch Bilder mit weniger Blaustich und mehr Kontrast vorgaukelt. Die Kamera ist jedoch gnadenlos ehrlich. Die Luft enthält meist so viele Staub oder Wasserdampf, dass die Aufnahmen mit zunehmender Flughöhe und Entfernung bis hin zum Horizont immer blauer werden, weil diese Störstoffe das langwellige, rote Licht filtern. Ändern kann man das nur durch eine nachträgliche aufwändige Bildbearbeitung, und auch da nur partiell, denn dieser Effekt nimmt zum Horizont hin zu. Die Tricks hierfür würden den Rahmen dieses Artikels sprengen.
Air-to-Air Aufnahmen: Nur nach Absprache machen!
Ein wenig anders verhält es sich bei Air-to-air-Aufnahmen, also beim Fotografieren anderer Flugzeuge in der Luft. Dass man so etwas nur mit formationserfahrenen Piloten nach gründlicher Absprache machen darf, ist selbstverständlich. Solche Aufnahmen mit Handykameras zu machen hat wenig Sinn, da Sie auf jeden Fall ein Teleobjektiv mit einer Brennweite von über 100 Millimetern verwenden sollten, besser noch länger. Hier wird die Belichtungszeit zum Hauptproblem: Damit der Propeller des Motiv-Flugzeugs schön verwischt, darf sie nicht kürzer als etwa 1/125 sein. Aber: Das Motiv wackelt, Ihr Flugzeug wackelt, und der Wind rüttelt durchs offene Fenster an Ihrer Kamera. Die Stabilisierungsfunktion moderner Kameras kann helfen, dennoch ist der Ausschuss bei solchen Fotos enorm.
Achten Sie darauf, dass die Sonne die beiden Maschinen etwas schräg von vorne bescheint. Dann ist es natürlich auch noch schön, wenn man einen attraktiven, aber nicht zu unruhigen Hintergrund hat. Bebauung ist eher schlecht, Wald, Wiesen oder ein See sind besser. Doch viel einfacher ist es erstmal, den Blick auf die Landschaft festzuhalten, der Ihr Privileg als Pilot ist.
Text & Fotos: Hajo Dietz
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