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Außenlandeübung wird zur Notlandeübung: DA40 landet im Kornfeld
Ein Ausbildungsflug geht schief, aus der geplanten Außenlandeübung wird plötzlich Ernst. Die beiden Piloten kommen glücklicherweise mit dem Schrecken davon.
Die Simulation von Notfällen ist Bestandteil jeder fliegerischen Ausbildung und für erfahrene Fluglehrer vermeintlich eine Routineaufgabe. Dass man solchen Übungen auch bei vielfacher Wiederholung seine volle Aufmerksamkeit widmen sollte, bekam die Besatzung einer Diamond DA40 NG zu spüren.
Der 74-jährige Fluglehrer und sein 42-jähriger Schüler brechen an einem schönen Tag im Juli mit der Einmot zu einem Schulungsflug auf. Der Flugschüler absolviert eine Ausbildung zum Erwerb der Instrumentenflugberechtigung (CB-IR). Im Rahmen des Trainingsmoduls „Single Engine Instrument Training“ ist zunächst ein IFR-Flug von Egelsbach (EDFE) nach Siegerland (EDGS) geplant. Da der Flugschüler entgegen der Anweisung des Fluglehrers keinen Flugplan aufgegeben hat, entscheidet der Lehrer kurzfristig und um keine Zeit zu verlieren, den Flug nach Sichtflugregeln durchzuführen und IFR-Bedingungen zu simulieren.
Notlandeübung: Mit Vollgas ins Korn
Als das Flugzeug um 10.45 Uhr in Egelsbach abhebt, gehen die beiden von anderthalb Stunden Flugzeit aus. Das Wetter könnte nicht besser sein: Es herrschen CAVOK-Bedingungen bei einer Temperatur von 21 Grad und einer Sichtweite von mehr als zehn Kilometern. Der Wind weht aus südlichen Richtungen mit acht Knoten.
Die DA40 steuert direkt auf den Flugplatz Siegerland zu, um 11.10 Uhr nimmt die Besatzung Kontakt mit Siegerland Info auf. Als den Piloten des Tiefdeckers mit Diesel-Antrieb ein ILS-Anflug auf die Piste 31 in Siegerland verwehrt wird, da im Anflugsektor Fallschirmspringer abgesetzt werden, entscheidet der Fluglehrer, südlich des Flugplatzes Airwork-Übungen durchzuführen, um die Zeit zu überbrücken. Schnell bemerkt er, dass Airwork dem Flugschüler als ehemaligem Militär-Piloten keine Schwierigkeiten bereitet, und ändert den Inhalt des Ausbildungsflugs erneut. Er leitet nun eine simulierte Notlandeübung ein und bittet seinen Aspiranten, im Leerlauf eine geeignete Landestelle anzufliegen.
Demonstration der Notlandung: Bei Erhöhung der Leistung hat sich die Drehzahl nicht erhöht
Doch das vom Schüler ausgesuchte Landefeld missfällt dem Instruktor, ebenso die Art und Weise, wie er die Notfall-Checkliste abarbeitet. Daher will der Lehrer die korrekte Durchführung einer Notlandung selbst demonstrieren. Dafür fliegt er ein leicht abfallendes und hindernisfreies Getreidefeld an. In einer Höhe von etwa 200 Fuß über Grund leitet er ein Durchstartmanöver ein.
Der Fluglehrer gibt später an, dass er die Pitch erhöht und die Leistung auf 100 Prozent gesetzt habe, jedoch keine Erhöhung der Drehzahl beziehungsweise Leistung erfolgt sei. Er führt daraufhin um 11.33 Uhr eine nun sehr reale Notlandung im 70 Zentimeter hoch bewachsenen Getreidefeld durch, bei der die DA40 schwer beschädigt wird: Die Rumpfröhre bricht nahe des Leitwerks, auch das rechte Haupt- sowie das Bugfahrwerk brechen bei der Landung ab. Beide Insassen überstehen den Unfall unverletzt.
Kein Hinweis auf Fehlfunktion: der Fluglehrer war sehr erfahren
Der Flugschüler gibt nach dem Vorfall gegenüber der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) zu Protokoll, dass der mit einer Gesamtflugerfahrung von 23 473 Stunden sehr erfahrene Fluglehrer beim Einleiten des Durchstartmanövers nicht in der Lage war, den Sinkflug zu beenden. Drei Monate später schickt er der BFU eine zweite Stellungnahme, in der er angibt, dass der Motor auf die Erhöhung der Leistung keine Reaktion zeigte.
Eine Untersuchung der von der Triebwerksteuerung (Full Authority Digital Engine Control, FADEC) aufgezeichneten Daten durch die BFU-Ermittler ergibt hingegen keinerlei Hinweise auf Fehlfunktionen am Triebwerk. Nachdem der Fluglehrer volle Leistung gesetzt hatte, stiegen unter anderem Ladedruck und Propellerdrehzahl entsprechend an. Fünf Sekunden später registrierte die FADEC, dass die Geschwindigkeit des Flugzeugs unter 35 Knoten gefallen war; kurz darauf kam das Triebwerk zum Stillstand.
IFR-Ausbildungsflüge dürfen nicht als Sichtflug durchgeführt werden
Die Unfalluntersucher schlussfolgern, dass der steuernde Pilot während des Ausschwebens die Leistung zu spät erhöhte und der Motor durch das Eintauchen ins Getreide den Dienst quittierte.
Neben der fliegerischen Ausführung der Übung stehen auch die organisatorischen Verfahren der Flugschule in der Kritik. Daher bittet die BFU das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) als zuständige Aufsichtsbehörde zu diversen Aspekten des Unfallflugs und den Ausbildungsinhalten um eine Stellungnahme. Das LBA gibt an, dass Notlandeübungen nicht Teil des genehmigten Ausbildungslehrgangs für die Erlangung der IFR-Berechtigung seien und somit auch nicht Bestandteil des Ausbildungsflugs hätten sein dürfen. Darüber hinaus dürfen IFR-Ausbildungsflüge laut der Braunschweiger Behörde keineswegs als Sichtflüge durchgeführt werden. Dies sei nur in bestimmten Ausnahmefällen oder bei Grundlagenübungen zulässig, nicht jedoch bei einer Ausbildungsmission.
Hohe Intensität: Ruhezeiten wurden nicht eingehalten
Ein weiterer Kritikpunkt des LBA ist die Intensität des vom Flugschüler absolvierten Trainings: So hatte er allein in den vier Tagen vor dem Unfall 14 Trainingseinheiten mit einer Gesamtflugzeit von 21:33 Stunden absolviert, an einem Tag sogar fünf Übungsflüge nacheinander. Zwar gelten für Flugschüler keine speziellen Flugdienst- und Ruhezeiten. Nichtsdestotrotz gibt das LBA an, dass es eine solche Flugschüler-Akte bei einer behördlichen Überprüfung der Flugschule beanstanden würde.
Die BFU resümiert, dass bei einer derart hohen Dichte an Ausbildungsflügen didaktische und methodische Aspekte der Ausbildung auf der Strecke blieben.
Unfallursache: Zu spät eingeleitetes Durchstartmanöver
Auch wenn die organisatorischen Mängel und die hohe Trainingsintensität nicht ursächlich für den Unfall gewesen sein dürften, stellen sie einen wesentlichen Aspekt des Zwischenfalls dar. Ursache für das Unglück ist ein zu spät eingeleitetes Durchstartmanöver durch den Fluglehrer bei einer Übung, die gar nicht Bestandteil des betreffenden Ausbildungsflugs hätte sein sollen.
Der Vorfall zeigt, dass vermeintliche Routineübungen immer wieder erhebliche Aufmerksamkeit des steuernden Piloten erfordern, damit nicht plötzlich aus einer Übung ein realer Notfall wird.
Text: Martin Schenkemeyer
Martin Schenkemeyer begann im Jahr 2007 mit dem Segelfliegen. Inzwischen ist er ATPL-Inhaber und fliegt beruflich mit Businessjets um die ganze Welt. In seiner Freizeit ist er als Vorstand seines Luftsportvereins tätig und fliegt an seinem Heimatflugplatz Bad Pyrmont Segelflugzeuge, Ultraleichtflugzeuge und Maschinen der E-Klasse. Für das fliegermagazin ist der Fluglehrer seit 2020 als freier Autor tätig und beschäftigt sich hauptsächlich mit Themen rund um die Flugsicherheit.
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