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Medical-Probleme beim LBA: Ein Rechtsanwalt gibt Tipps

In einem Interview berichtet Stefan Hinners, wie schnell jeder Pilot von den Problemen mit der Medical-Bearbeitung beim LBA betroffen sein kann.

Von Thomas Borchert
Stefan Hinners
Stefan Hinners ist Rechtsanwalt, Pilot und Luftfahrtsachverständiger mit eigener Kanzlei in Hamburg. Bild: Stefan Hinners

Wie berichtet haben sich die Verbände AOPA, DAeC und DULV in einem offenen Brief an Bundesverkehrsminister Volker Wissing gewendet, weil die Probleme mit der Genehmigung von Medicals beim LBA nicht mehr zumutbar sind. Gleichzeitig baten sie alle Piloten um Unterstützung durch Beteiligung an einer Online-Petition wegen der Verzögerungen bei vielen Tauglichkeitszeugnissen.

Nun hat der Deutsche Aero Club (DAeC) ein Interview mit dem Luftfahrt-Rechtsanwalt Stefan Hinners geführt, der die Problematik mit Medicals beim LBA aus seinem beruflichen Alltag nur zu gut kennt. Wir veröffentlichen es hier, weil es eindrucksvoll zeigt, dass die LBA-Probleme jeden von uns jederzeit treffen können. Deshalb: Nehmen Sie bitte an der Online-Petition teil!

Medical vom LBA auf Jahre entzogen

Es genügt ein kleiner chirurgischer Eingriff am Knie, ein Entzündungswert, der aus dem Ruder läuft, oder die Veränderung der Sehstärke, damit einem Piloten das Tauglichkeitszeugnis und damit indirekt auch die Pilotenlizenz entzogen wird – vorläufig, bis das in solchen Fällen zuständige LBA über die Flugtauglichkeit entscheidet. Doch das kann dauern, manchmal mehrere Jahre lang.

DAeC: Herr Hinners, welche Probleme haben Ihre Klienten mit dem LBA?

Stefan Hinners: Ich vertrete permanent zwischen 10 und 15 Berufs- oder Privatpiloten, die mich wegen der langen Wartezeiten auf Tauglichkeitsentscheidungen konsultieren. Sie schalten einen Anwalt ein, wenn ihr Fliegerarzt die Ergebnisse ihrer Untersuchung beim LBA eingereicht hat, aber dann auch nach drei oder sechs Monaten nichts passiert ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nur wenige Betroffene den Weg zum Anwalt wählen.

Was machen diejenigen, die keinen Anwalt einschalten?

Viele warten einfach ab, weil sie sich nicht trauen, gegen das LBA vorzugehen. Sie haben Angst, dass ihre Akte dann noch länger nicht bearbeitet wird. Manche Piloten befürchten auch, dass ihr Fall ein ganz spezieller ist, den das LBA besonders intensiv prüft, um ihnen Untauglichkeit nachzuweisen. Dabei geht es oft nur um eine Lappalie, ein Häkchen, das gesetzt werden müsste, um bestimmte Auflagen festzulegen.

Sind diese Befürchtungen realistisch?

Es ist so, dass das LBA den Piloten niemals zu Gesicht bekommt. Die Sachbearbeiter entscheiden nach Aktenlage. Wenn sie einen Fall prüfen, wollen sie keinen Fehler machen. Sobald es einen Anlass für eine weiterführende Untersuchung der Fallgeschichte gibt, graben sie immer tiefer und fordern noch eine, manchmal noch eine und noch eine Untersuchung. Das erlebe ich immer wieder. Am Ende werden theoretisch existierende Restrisiken zum Anlass genommen, zu Lasten des Piloten zu entscheiden.

Wenn tatsächlich medizinische Probleme bestehen sollten, ist es ja auch richtig, ganz genau zu prüfen.

Natürlich! Aber diese Probleme bestehen in der Realität oft gar nicht. Ich habe gerade zwei aktuelle Fälle, wo das zuständige Verwaltungsgericht gegen das Ergebnis der Tauglichkeitsprüfung durch das LBA entschieden hat. Es hat angeordnet, dass das LBA Listen von Sachverständigen herausgeben soll, die es akzeptiert, um die Piloten erneut zu untersuchen. Das LBA hat diese gerichtliche Anordnung dann ganz einfach missachtet. Auch der nochmaligen Aufforderung des Verwaltungsgerichts ist man nicht nachgekommen. Es ist nicht einmal eine Bitte um Fristverlängerung erfolgt, man hat das Verwaltungsgericht schlicht missachtet. Mir zeigt das, dass das LBA gar nicht in der Lage ist, Verwaltungsvorgänge ordnungsgemäß und gesetzeskonform abzuarbeiten. Von Gesetzes wegen müsste die Entscheidung der Verwaltungsbehörde in einer Verwaltungssache spätestens nach drei Monaten vorliegen, in Tauglichkeits-Entscheidungen aber früher.

Aber woran liegt es, dass das LBA seiner Verpflichtung nicht nachkommt? Ist es die Vielzahl der Fälle, die es zu prüfen hat? Es wird ja immer wieder behauptet, es herrsche Personalmangel, weil es nicht genügend medizinisches Fachpersonal gäbe.

Das glaube ich nicht. Nach Angaben des Luftfahrtbundesamtes hatte das Referat L 6 im vergangenen Jahr 433 Verweisungen , 672 Konsultationen , 74 Zweiüberprüfungen und 670 Änderungen der Bescheide zu bearbeiten. Das sind im Schnitt zwischen acht und neun Fälle pro Tag! Es kann nicht unmöglich sein, diese zeitnah zu bearbeiten. Noch dazu, wo es sich in vielen Fällen um ganz simple Vorgänge handelt, die schnell zu entscheiden wären.

Woran liegt es dann, dass das LBA so lange braucht, um Tauglichkeitsentscheidungen zu fällen?

Ich denke, dass diese Behörde mit ihrer Aufgabe völlig überfordert ist. Das sieht man auch beim Blick über die Ländergrenzen hinweg ins europäische Ausland. Dort werden Tauglichkeitsentscheidungen im Regelfall innerhalb von wenigen Tagen getroffen. Dazu entsteht der Eindruck, dass sich viele Sachbearbeiter nicht trauen oder nicht in der Lage sind, die simpelsten Entscheidungen zu treffen und sich deshalb immer wieder nach allen Seiten absichern. Außerdem ist die Organisation schlecht. Man könnte einfache Standard-Fälle vorziehen, wo mehr oder weniger nur ein Häkchen an der richtigen Stelle gesetzt werden muss, weil es sich bei der Auffälligkeit aus medizinischer Sicht um eine irrelevante Kleinigkeit handelt. Insgesamt ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, warum das LBA das Problem schon seit Jahren nicht in den Griff bekommt, wenn es im europäischen Ausland, wo genau die gleichen Regeln gelten, prima funktioniert.

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Petition wegen Medical-Problemen beim LBA

Die Probleme beim LBA sind schon viele Jahre bekannt, doch bisher hat sich nichts geändert. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Man müsste sich nur vorstellen, dass es diese Problematik in vergleichbarer Form für Autofahrer gäbe. Da würden die Bürger massenweise auf die Barrikaden gehen! Was wäre denn, wenn die Straßenverkehrsbehörde Bürgern reihenweise die Fahrerlaubnis entzieht und in der Folge über Monate nichts mehr macht und auch nichts entscheidet? Bei Piloten wird es achselzuckend hingenommen. Das liegt natürlich an der verhältnismäßig kleinen Zahl der Betroffenen. Der weit überwiegende Teil der Piloten hat im Regelfall auch noch gar kein Problem mit dem LBA gehabt, weil die Ausstellung des Medicals durch den Fliegerarzt ohne Beteiligung des LBA erfolgt. Das Problem betrifft einen aber dann sofort unmittelbar, wenn der Fliegerarzt eine Auffälligkeit feststellt – und sei sie für die Beurteilung dessen, ob jemand flugtauglich ist oder nicht, auch noch so unbedeutend – und deshalb an das LBA verweisen bzw. es konsultieren muss. Das Problem ist vielen Piloten also gar nicht bewusst. Zu wenige haben bislang realisiert: Es kann jeden treffen! Jeder kann in die Mühlen des LBA geraten! Dann ist das Tauglichkeitszeugnis gegebenenfalls von heute auf morgen weg und es dauert ewig, bis man es eventuell wiederbekommt.

Welche Konsequenzen entstehen für die Betroffenen aus den Wartezeiten auf eine Entscheidung des LBA?

Für Berufspiloten, die wirtschaftlich gegen den Verlust der Tauglichkeit nicht abgesichert sind, weil sie vielleicht als Freelancer unterwegs sind, bedeutet es schnell Verdienstausfall und die Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz. Aber auch ein angestellter Berufspilot fällt auf das Krankengeld zurück und hat zudem erhebliche Verdiensteinbußen zu beklagen, weil Auslandszulagen, Spesen etc. wegfallen. Und für Privatpiloten sind die Auswirkungen häufig persönlich einschneidend, weil die Fliegerei oft ein ganz wichtiger Lebensbereich ist, eine Herzensangelegenheit, oft sogar wichtiger als das Autofahren. Der Entzug der Lizenz bedeutet für viele, dass ihr gesamtes Lebenskonzept aus den Fugen gerät. Deshalb ist diese Petition auch so wichtig! Es muss endlich klar werden, wie groß das Problem ist. Es kann jeden von uns treffen!

Was können Sie tun, um Ihren Klienten zu ihrem Recht zu verhelfen?

(lacht) Das ist Berufsgeheimnis. Ganz allgemein formuliert kann ich sagen, dass ich jede Möglichkeit nutze, den Druck auf das LBA sinnvoll, aber auch maßvoll zu erhöhen. Es bringt meines Erachtens nichts, immer gleich mit der ganz großen Keule arbeiten zu wollen, man muss auch erst einmal die Grundproblematik verstehen. Liegt vielleicht wirklich ein echtes medizinisches Problem vor und kann man vielleicht erreichen, dass durch eine weitere Untersuchung die Entscheidung des LBA beschleunigt und positiv beeinflusst wird? Wenn gar nichts anderes hilft, eskaliere ich die Fälle bis ans BMDV mit der Bitte, dafür zu sorgen, dass das LBA seine Aufgaben erledigt. Diesen Weg muss ich immer häufiger gehen. In den letzten drei Jahren hat sich die Problematik dramatisch verschlimmert.

Das heißt also, dass das Bundesministerium für Digitales und Verkehr über das Ausmaß des Versagens der ihm direkt unterstellten Behörde bestens informiert ist?

Leider ja. Ich vermute, dass man dort einfach resigniert hat. Man hat ja „nur“ die Aufsicht über die Behörde und bekommt von dort gesagt, dass dies ein Personalproblem sei, dass man nicht schnell lösen kann. Tatsächlich ist es kein Personalproblem und es kann auch kein Personalproblem sein. Es ist schlicht und einfach ein organisatorisches und strukturelles Problem. Deshalb ist die Petition auch so wichtig, um dieses eklatante und komplett überflüssige Behördenversagen in die breite Öffentlichkeit zu tragen. So können wir vielleicht dafür sorgen, dass das Problem nicht länger unter den Teppich gekehrt wird.

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Über den Autor
Thomas Borchert

Thomas Borchert begann 1983 in Uetersen mit dem Segelfliegen. Es folgte eine Motorsegler-Lizenz und schließlich die PPL in den USA, die dann in Deutschland umgeschrieben wurde. 2006 kam die Instrumentenflugberechtigung hinzu. Der 1962 geborene Diplom-Physiker kam Anfang 2009 vom stern zum fliegermagazin. Er fliegt derzeit vor allem Chartermaschinen vom Typ Cirrus SR22T, am liebsten auf längeren Reisen und gerne auch in den USA.

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