Kommentar zur Friedrich-Merz-Debatte: Neid ist hässlich
Im Juli wurde heiß diskutiert, weil CDU-Chef Friedrich Merz mit seiner Diamond DA62 zur Lindner-Hochzeit nach Sylt flog. Lesen Sie jetzt den Kommentar von fliegermagazin-Chef Thomas Borchert aus der aktuellen Ausgabe.
Bereits im Juli ist CDU-Chef Friedrich Merz mit seinem Privatflugzeug, einer Diamond DA62, zur Lindner-Hochzeit nach Sylt geflogen. Vor allem in den Medien folgte eine große Debatte darum. In der aktuellen fliegermagazin-Ausgabe #9.2022 bezieht nun Thomas Borchert, Chef des fliegermagazin, Stellung zu diesem Thema. Lesen Sie hier seinen Kommentar:
Wie es Ihnen ging, weiß ich nicht – aber für mich war der Umgang der Medien mit der Allgemeinen Luftfahrt Mitte Juli schwer zu ertragen. Die Fakten sind schnell erzählt: CDU-Chef Friedrich Merz besitzt ein Privatflugzeug, eine Diamond DA62. Und er ist damit zur Hochzeit von Christian Lindner nach Sylt geflogen.
Dem Vernehmen nach in einer Termindichte, die ohne Allgemeine Luftfahrt schwer darstellbar gewesen wäre. Was die Medien daraus machten, war schlimm: Die DA62 wurde zum Jet. Alle möglichen Vergleichsrechnungen mit Dienstwagen berücksichtigten weder Zeitfaktoren noch so simple Tatsachen wie die, dass ein Flugzeug sehr viel direkter zum Ziel kommt als ein Auto.
Friedrich Merz und sein Privatflugzeug: Neid ist ein typisch deutsches Phänomen
Doch mir geht es jenseits der offenkundigen Faktenschwäche um drei übergeordnete Dinge. Zum einen um den Deutschen Neid. Das D ist mit Absicht großgeschrieben, denn er ist ein typisch deutsches Phänomen. Da kann sich also jemand ein Privatflugzeug leisten. Na und? Dann wird er wohl im Leben Einiges richtig gemacht haben. Vielleicht richtiger als ich – das ist ihm nur zu gönnen. Warum fällt uns hierzulande diese Sichtweise so schwer?
Ganz leicht dagegen fällt vielen, über andere zu bestimmen. Den Stern-Kollegen zum Beispiel, der den Besitz eines Privatflugzeugs in einer Titelgeschichte des Magazins so nachdrücklich als vollkommen überzogen verurteilt, kenne ich von früher persönlich. Ich sag’s ungern, aber der Mann hätte eine Menge zu verlieren, wenn auf einmal andere einfach so darüber entscheiden könnten, welches seiner Besitztümer akzeptabel ist und welches nicht. Der eine hat ein Flugzeug, der andere ein Haus auf Malle, Pferde, einen teuren Sportwagen oder sonst irgendwas. Die Leichtfertigkeit des vehementen Richtens über andere macht mich sprachlos.
Piloten kleinerer Flugzeuge urteilen bei Friedrich-Merz-Debatte über Piloten größerer Flugzeuge
Das gilt leider sogar für unsere Gemeinschaft von Piloten. Denn auch das war zu beobachten: Piloten kleinerer Flugzeuge urteilen über Piloten größerer Flugzeuge. Im Ernst? UL ist ok, Diesel-Twin nicht? Wer zieht so eine Grenze? Man kann doch nicht ernsthaft die eigene Situation zum Maß der Dinge für alle machen.
Auch wenn am Ende ein gesamtgesellschaftlicher Konsens über aktzeptables und nicht akzeptables Verhalten entscheiden muss und soll, wäre deutlich mehr Zurückhaltung und ein mit weniger deutscher Gründlichkeit zur Schau getragener Neid wünschenswert.
Was sagen Sie zur Debatte um Friedrich Merz? Schreiben Sie mir bitte an thomas.borchert@fliegermagazin.de.
Herzlichst Ihr Thomas Borchert
Thomas Borchert begann 1983 in Uetersen mit dem Segelfliegen. Es folgte eine Motorsegler-Lizenz und schließlich die PPL in den USA, die dann in Deutschland umgeschrieben wurde. 2006 kam die Instrumentenflugberechtigung hinzu. Der 1962 geborene Diplom-Physiker kam Anfang 2009 vom stern zum fliegermagazin. Er fliegt derzeit vor allem Chartermaschinen vom Typ Cirrus SR22T, am liebsten auf längeren Reisen und gerne auch in den USA.
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